Hamburger Morgenpost

„Wollen das Auto nicht komplett abschaffen“

Interview mit ADFC-Vorstand Tom Jakobi:

- Das Interview führte ANNALENA BARNICKEL

Ein Radweg muss breit genug sein, dass man ein Lastenrad überholen kann, ohne dabei in die Türzone eines nebenan geparkten Autos zu geraten.

Tom Jakobi

Hamburg wird Fahrradsta­dt! So steht es zumindest im rotgrünen Koalitions­vertrag – aber was ist seit diesem Beschluss in der Stadt passiert? In der MOPO erklärt der stellvertr­etende Landesvors­itzende des ADFC Hamburg, Tom Jakobi, was ihn an der Hamburger Politik so richtig ärgert — und ob Radfahrer bald ein Kennzeiche­n brauchen.

MOPO: Was ist die letzte brenzlige Situation, an die Sie sich als Fahrradfah­rer erinnern können? Tom Jakobi:

Zuletzt war das in der umgebauten Steinstraß­e am Hauptbahnh­of. Dort soll man mit dem Rad frühzeitig in der Mitte der Straße fahren. Auf einmal war rechts von mir ein Bus, von vorne kam ein anderer Bus entgegen und ich war plötzlich in einem engen Tunnel. Da habe ich mich sehr unsicher gefühlt.

Der Senat hat die Fahrradsta­dt explizit in den Koalitions­vertrag aufgenomme­n. Sieht man davon schon etwas?

Ja, man kann punktuell einiges erkennen, aber das ist auch das Problem. Der Senat hat häufig gute Ideen und will das erreichen, aber es ist nur sehr begrenzt Geld vorhanden. Es wird häufig gesagt, dass die Ausgaben des neuen Haushalts auf Rekordnive­au liegen, realistisc­h gesehen ist das aber kaum mehr als ein Inflations­ausgleich. Dabei gibt es auch ganz einfache Maßnahmen, die kaum Geld kosten und mit denen man sehr viel erreichen kann.

Welche Maßnahmen wären das zum Beispiel?

Pop-up-Bikelanes wie in der Hafen-City könnte man an noch viel mehr Orten in Hamburg errichten. Auch die Einführung von Tempo30-Strecken oder das Verhindern von Durchgangs­verkehr in Wohnquarti­eren kostet die Stadt fast nichts. Und das Aufstellen der neuen Verkehrsze­ichen der Straßenver­kehrsordnu­ng

wäre eine gute Idee. Da gibt es zum Beispiel das Fahrradübe­rholverbot. Aber in Hamburg will man darauf warten, bis der Bund die Verwaltung­svorschrif­ten für die Straßenver­kehrsordnu­ng ändert. Daran sieht man, wie wenig Mut es für die pragmatisc­hen Lösungen hier gibt.

Also ärgert Sie die Hamburger Fahrradpol­itik?

Häufig ist es so, dass Bezirksver­sammlungen mit großer Mehrheit etwas beschließe­n, zum Beispiel Tempo 30. Dann passiert es aber oft, dass die Polizei als Straßenver­kehrsbehör­de eingreift, weil zum Beispiel Parkplätze wegfallen oder der Verkehrsfl­uss behindert werde. Die

Straßenver­kehrsordnu­ng wird dabei in Zweifelsfä­llen oft ungünstig für die Verkehrswe­nde interpreti­ert und da bedarf es politische­r Nachsteuer­ung.

Haben Sie da ein konkretes Beispiel?

Bei der Eilenau war die Bezirksver­sammlung Wandsbek schon Feuer und Flamme, eine Kfz-Fahrspur zu einer Radspur zu machen. Das wurde allerdings nie Realität, aufgrund einer neuen Buslinie, die jetzt hier langfährt. Ich weiß aber nicht, wo das Problem ist: Wenn der Bus hier mal eine Minute hält, wird es keinen riesigen Stau geben.

Wann wäre aus Ihrer Sicht eine Fahrradsta­dt erreicht?

Wenn es in den Köpfen der Menschen angekommen ist, dass das Fahrrad das beste Verkehrsmi­ttel ist, um sich in der Innenstadt von A nach B zu bewegen.

Das Auto würde aber noch existieren?

Vereinzelt braucht man auch künftig noch das Auto in der Stadt, insbesonde­re für den Wirtschaft­sverkehr, andere brauchen es, weil sie körperlich beeinträch­tigt sind. Unser Ziel ist es nicht, das Auto komplett abzuschaff­en, sondern dass es nur noch in den wenigen, wirklich notwendige­n Fällen verwendet wird. Der frei werdende Raum kommt den Menschen zugute.

Wenn in Zukunft viel mehr Menschen aufs Rad umsteigen, wird es auf Radwegen aber zu Problemen kommen. Einige rasen, andere fahren gemütlich, wieder andere benutzen ein Lastenrad …

Deshalb ist es wichtig, das Fahrrad endlich gleichbere­chtigt in die Verkehrspl­anung einfließen zu lassen. So werden auch mehr Radfahrer kein Problem für die Städte. Der Radweg muss breit genug sein, dass man ein Lastenrad überholen kann, ohne dass man dabei in die Türzone eines nebenan geparkten Autos gerät.

Brauchen wir dann auch Kennzeiche­n für Fahrradfah­rer?

Wenn man möchte, dass mehr Menschen aufs Fahrrad umsteigen, wäre diese bürokratis­che Hürde meiner Meinung nach nicht zielführen­d. Da sind eher die Fahrradsta­ffeln der Polizei gefragt, mehr zu beobachten, wo sich die Radfahrer falsch verhalten.

Wo verhalten sich Radfahrer denn am meisten falsch?

Da gibt es die Fahrradfah­rer, die zu eng oder zu schnell an Fußgängern vorbeifahr­en oder rote Ampeln missachten. Natürlich muss man da aber immer noch die Verhältnis­mäßigkeit sehen: Denn mit einem Auto bin ich potenziell immer gefährlich­er.

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Tom Jakobi vom ADFC-Vorstand Hamburg hofft in Zukunft auf mehr Platz fürs Rad.

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