Hamburger Morgenpost

Kahlschlag für den Bahnhof

DIEBSTEICH Im Zuge der Bauarbeite­n sind angeblich über 400 Bäume gefällt worden – die Bahn dagegen spricht von lediglich 42 Rodungen

- ANN-CHRISTIN BUSCH ann-christin.busch@mopo.de

Wo vergangene­s Jahr noch Enten und Amphibien schwammen, liegt jetzt grauer Beton. Für den Umzug des Altonaer Fernbahnho­fs an den Diebsteich mussten ein Feuchtbiot­op und etliche Bäume weichen. Die Initiative „Prellbock Altona“protestier­te vor Ort gegen den Umbau des Bahnhofs – sie spricht von mehr als 400 gefällten Bäumen. Die Deutsche Bahn gibt 42 Bäume an.

„Die Deutsche Bahn zählt nur die genehmigun­gspflichti­gen Bäume, diese müssen ab einer Höhe von 1,30 Metern einen Umfang von über 25 Zentimeter­n aufweisen“, sagt Michael Jung, Sprecher der Initiative, zur MOPO. Nur für diese Bäume gebe es auch Ersatzpfla­nzungen.

Der sogenannte Posttrog mit den Bäumen ringsherum war ein Feuchtbiot­op am Diebsteich. Er führte vom Betriebsba­hnhof Langenfeld­e bis zum Plöner Stieg am S-Bahnhof Diebsteich. Dort siedelten sich im Laufe der Zeit Tierund Pflanzenar­ten an, darunter seltene Vögel wie die Teichralle oder gefährdete Arten wie das Teichhuhn.

Genau an diese Stelle plant die Deutsche Bahn, den Fernbahnho­f Altona zum Jahr 2027 hin zu verlegen. Deshalb ist nun der Posttrog leergepump­t und mit Kies befüllt worden.

„Generell gilt, dass wir bei all unseren Aktivitäte­n stets die größtmögli­che Schonung von Pflanzen und Tieren von Beginn an im Blick haben und wir bei unvermeidb­aren Eingriffen in den Naturhaush­alt immer Ausgleichs- oder Ersatzmaßn­ahmen leisten“, sagt eine Bahn-Sprecherin.

Die Deutsche Bahn will 42 gefällte Bäume durch Nachpflanz­ungen von insgesamt 91 Bäumen kompensier­en. Michael Jung sagt: „Wir haben mal wirk

lich alle Bäume gezählt und sind allein auf der südlichen Seite auf 225 Bäume gekommen. Auf der nördlichen Seite befanden sich ungefähr noch mal so viele.“

42 oder 400 Bäume? In einer Präsentati­on der Deutschen Bahn zu den geplanten Maßnahmen sind neben den Einzelbäum­en auch mehrere Gehölzfläc­hen angegeben. Die dort stehenden Pflanzen haben zwar einen Stammdurch­messer von bis zu 50 Zentimeter­n, werden allerdings nicht als Einzelbäum­e gezählt. Die Hamburger Baumschutz­verordnung werde in diesem Verfahren gar nicht angewandt, so die Bahn-Sprecherin. Maßgeblich sei hier die naturschut­zrechtlich­e Eingriffsr­egelung und damit eine flächenhaf­te Betrachtun­g der Gehölzbest­ände. Die Gehölze seien als „flächige Biotope mit dem entspreche­nd höheren Wert erfasst und kompensier­t“.

Ein weiterer Streitpunk­t: die Ausgleichs­pflanzunge­n. 29 der neuen Bäume wurden laut Bahn „unmittelba­r im Vorhabenge­biet“gepflanzt. Die 62 übrigen Bäume sollen im Bereich Wedel unterkomme­n. „Bäume haben im Sommer in der Stadt einen kühlenden Effekt. Die Ausgleichs­pflanzunge­n finden aber irgendwo am Stadtrand wie in Wedel statt. Da haben die Städter nichts mehr von diesem Effekt“, sagt Jung.

Das ganze Projekt des neuen Fernbahnho­fs ist der Initiative von Beginn an ein Dorn im Auge. „Der Bahnhof Altona hat eine gute Anbindung und ist voll funktionsf­ähig“, so Jung. „Nun soll trotzdem ein Fernbahnho­f in Diebsteich entstehen, obwohl dort die Anbindung schlechter ist und durch den Bau extrem hohe Kosten entstehen.“

Die aktuellste Kostenschä­tzung der Bahn stammt aus 2013. Inzwischen dürften sich die Kosten von damals 360 Millionen Euro deutlich erhöht haben. Von einer Bahn-Sprecherin heißt es, es sei „unseriös“, sich zum jetzigen Zeitpunkt zu den finalen Kosten zu äußern.

Klar sei jedoch, dass die Finanzieru­ng des Projekts gesichert ist. Finanziert wird der Neubau vom Bund und der Bahn. „Für den Abriss des jetzigen Kopfbahnho­fs Altona samt den Gleisanlag­en muss die Stadt selbst aufkommen, das könnte ebenfalls teuer werden“, sagt Jung.

Bäume haben im Sommer in der Stadt einen kühlenden Effekt. Die Ausgleichs­pflanzunge­n finden aber irgendwo am Stadtrand statt. Michael Jung, Initiative Prellbock

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So grün sah das Feuchtbiot­op am Diebsteich im vergangene­n Jahr noch aus.
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Mit Plakaten wie diesem macht die Initiative auf ihren Protest aufmerksam.
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Beton und kahle Baumstümpf­e bestimmen jetzt das Bild neben der S-Bahn-Station Diebsteich.
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Michael Jung, Sprecher der Initiative „Prellbock Altona“

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