Hamburger Morgenpost

„Im Labor bin ich nicht brauchbar“

Der Uni-Vizepräsid­ent über Theorie, Praxis und den Status der Wissenscha­ft in Deutschlan­d

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„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwestern, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. Heute macht dies „Einer kommt, alle machen mit“möglich. Die Gespräche finden per Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PR-Profi Lars Meier mit Prof. Dr. Jan Louis, dem Vizepräsid­enten der Uni Hamburg.

Lars Meier: Herr Louis, Ihre Fachgebiet­e würden den Platz für diese Frage sprengen. Kurz gesagt, sind Sie Physiker. Sind Sie dieser Tage froh, nicht Virologe zu sein? Prof. Dr. Jan Louis:

Es ist im Augenblick ganz sicher eine spannende Zeit und es ist auch die Notwendigk­eit da, wissenscha­ftlichen Input in die Situation zu geben. Aber ich bin ja theoretisc­her Physiker, arbeite nicht im Labor. Ich bin also nicht ganz so geschickt mit meinen Händen. Bei manchen meiner Kollegen habe ich Laborverbo­t, weil die Gefahr zu groß ist dass ich etwa kaputtmach­e. Ich könnte also gar nich mit den Virologen tauschen, weil ich im Labor nicht brauchbar bin.

Neiden Sie anderen Wissenscha­ftlern die Popularitä­t gerade?

Nein, ich beneide die überhaupt nicht. Ich bewundere sie und unterstütz­e sie auch, wo ich kann, weil ich glaube, dass es ganz wichtige Themen sind, die wir über die Wissenscha­ft beleuchten müssen. Ich denke, dass gerade in Deutschlan­d die Wissenscha­ft in der Gesellscha­ft nicht präsent genug ist. Wenn wir von kulturelle­n Errungensc­haften reden, denken wir immer an Goethe, Schiller und Kant. Dann hört es auf. In anderen europäisch­en Ländern kommen die großen Naturwisse­nschaftler­innen oder die großen Mathematik­er dazu. Das fehlt mir in Deutschlan­d. Deswegen bin ich auch ein bisschen stolz, dass jetzt über die Wissenscha­ft hinaus eine Diskussion im Gang ist.

arum sind Sie den Verlokunge­n nicht erlegen, ach Amerika zu gehen, o die Wissenscha­ft icht nur hofiert wird, ondern wo auch die meisten Nobelpreis­e hingehen?

Ich habe sechs Jahre in den USA gelebt und dort promoviert. Ich hatte die Möglichkei­t, dort zu bleiben. Als ich darüber nachgedach­t habe, fiel die Mauer in Berlin. Diese Entwicklun­g in den 90er Jahren in Europa war einfach zu spannend.

Was macht für Sie den Wissenscha­ftsstandor­t Hamburg so attraktiv?

Als Physiker natürlich das DESY. Das ist ein Weltklasse­Labor, das in meinem Arbeitsgeb­iet herausrage­nd ist.

Wie lebenswert ist Hamburg für Sie? Bekommen Sie das überhaupt mit? Man vermutet Sie ja die ganze Zeit in den DESY-Tunneln.

Hamburg ist für mich die schönste deutsche Stadt, das sage ich jetzt nicht nur so. Es ist die internatio­nalste, die multinatio­nalste deutsche Stadt. Ich lebe wahnsinnig gerne hier.

Was kann die String-Theorie oder die Extradimen­sionen des Niedrigene­rgiesektor­s populärer machen?

Wir haben die Formate „Wissen vom Fass“und „Wissen macht Schule“entwickelt. Das ist eine Idee, die ich vom Weizmann-Institut in Israel mitgebrach­t habe und die wir mit dem DESY hier in Hamburg durchführe­n. Dabei gehen etwa 50 Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler einmal im Jahr an einem Abend zeitgleich in Bars und Kneipen und sprechen eine halbe Stunde über unsere aktuelle Forschung. Das geht über alle Felder hinweg. Das ist sehr interaktiv, es gibt also keine Folien oder Ähnliches. Bei „Wissen macht Schule“versuchen wir, Schülerinn­en und Schüler für Wissenscha­ft zu begeistern. Das hat bisher eine enorme Resonanz.

Glauben Sie, dass die Entwicklun­gen, die gerade stattfinde­n, Wissenscha­ften insgesamt populärer machen und Sie mehr Studierend­e in diesen Fächern bekommen?

Ich hoffe. Es wäre schön.

Geht es bei den Diskussion­en in der Quantenphy­sik auch so hoch her wie bei den Virologen? Wenn, dann eher in den Fachzeitsc­hriften, oder?

Ich glaube, dass in der theoretisc­hen Physik noch einmal alle enger beieinande­r sind. Es gibt natürlich immer wieder Dissens und wir streiten uns auch heftig. Aber dadurch, dass für uns die Mathematik so eine Rolle spielt, sind die Interpreta­tionsmögli­chkeiten lange nicht so groß wie in anderen Wissenscha­ften. Das liegt in der Natur der Sache.

Gibt es bei Ihnen als Theoretike­r überhaupt Einschränk­ungen wegen Corona? Machen Sie Homeoffice oder gehen Sie noch in die Bibliothek?

Ich bin im Homeoffice. Wir müssen ja auch nicht mehr in die Bibliothek gehen. Es ist alles digitalisi­ert, das können wir auch zu Hause am Computer abrufen. Es ist als Theoretike­r natürlich nicht das Problem, nicht arbeiten zu können, es ist die Kommunikat­ion, also zusammen irgendwo an einer Tafel oder einem Whiteboard zu stehen und Ideen zu besprechen. Das ist, was uns fehlt. Aber wir lernen ja immer besser, das über den Computer zu machen. Schwierige­r ist es bei meinen Kolleginne­n und Kollegen, die im Labor ein Experiment machen müssen. Das kann man eben nicht zu Hause. Das ist schon schwierig, gerade für die jungen Leute, die einen Abschluss machen müssen und nicht einfach mal ein Jahr pausieren können.

Was fehlt Ihnen privat am meisten?

Der Kontakt mit Freunden und Kollegen. Und ich freue mich auch mal wieder auf ein frisch gezapftes Bier.

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Heute: Prof. Dr. Jan Louis
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