Jetzt müssen mal die Bosse liefern!
TESTPFLICHT UND HOMEOFFICE: Warum es zwingend ist, dass Merkels NotbremsenGesetz nicht wieder nur das Privatleben einschränkt.
BERLIN – Schluss mit „Jeder macht, was er will“: Da die Länder vereinbarte Maßnahmen gegen die dritte Corona-Welle bislang oft recht frei interpretierten, soll die „Notbremse“nun gesetzlich verankert werden. Allerdings: Nicht überall kommt Merkels Vorschlag gut an.
Die Kanzlerin will Verbindlichkeit: Sobald ein Landkreis mehr als 100 wöchentliche Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner notiert, soll die neue Notbremse greifen. Derzeit würde das mehr als die Hälfte der Landkreise in Deutschland betreffen!
Zu den dann geltenden Maßnahmen gehört eine Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr, die nur in Notfällen und für Arbeitswege gebrochen werden darf. Abendliche Solo-Spaziergänge sollen im neuen Gesetzentwurf nicht mehr erlaubt sein – das wäre eine Verschärfung der Regelung, wie sie etwa Hamburg bisher hat. Auf Nachfrage wollte die Stadt das bislang nicht kommentieren.
Kommen soll nach Merkels Willen auch eine Testpflicht an Schulen. Ab einer Inzidenz von 200 an drei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Landkreis sollen die Schulen ganz schließen. Besuch darf man nur noch von einer Person erhalten. Sport soll maximal zu zweit möglich sein, alle Geschäfte außer Lebensmittelläden, Apotheken, Drogerien und Tankstellen müssen schließen.
SPD, Grüne und Linke setzten sich zudem für eine Testpflicht für Unternehmen ein. Firmen müssten Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten könnten, demnach unabhängig von den Infektionszahlen mindestens einmal die Woche einen Test anbieten. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, er wolle das bereits am Dienstag im Kabinett durchsetzen. „Alle müssen jetzt ihren Beitrag im Kampf gegen Corona leisten, auch die Arbeitswelt“, so Heil. Die Union und auch die Arbeitgeber lehnen eine Testpflicht bislang ab. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte, er setze auf Freiwilligkeit. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hielt dagegen: Viele Unternehmer seien von selbst darauf gekommen, mehr Home-Office anzubieten und umfangreich zu testen, schrieb er auf Twitter – „erstaunlicherweise aber nicht alle“. Die Zeit der Appelle sei deshalb vorüber, so Scholz. „Es gibt Dinge, die man einfach tut, weil es sich gehört.“
Doch die Umsetzung dürfte nicht leicht werden: Bundestag und Bundesrat müssen den Änderungen zustimmen. Der erste parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, kritisiert in einem Brief an das Gesundheitsund das Innenministerium insbesondere die Ausgangssperren als tiefen „Eingriff in die Bewegungsfreiheit“, FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete sie als unverhältnismäßig. Besonders scharf verurteilte der Landkreistag die Pläne: „Der vorliegende Entwurf ist ein in Gesetz gegossenes Misstrauensvotum gegenüber Ländern
Alle müssen jetzt ihren Beitrag im Kampf gegen Corona leisten, auch die Arbeitswelt! Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
und Kommunen“, sagte Präsident Reinhard Sager zur Funke-Mediengruppe.
Doch Merkels Vorschlag hat auch Unterstützer: Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern (SPD), stellte sich hinter die Pläne des Bundes: „Wir sind offen für die Gesetzesänderung, wir finden schon lange, dass bestimmte Beschränkungen und auch Instrumente in ein Bundesgesetz gehören. Zum Beispiel die Ausgangsbeschränkungen.“