„Mega!“Die Hoffnung der SPD ist 19 „Zu Hause interessiert es niemanden, wenn ich nachts angeheitert durch die leeren Dorfstraßen laufe.“
POLITIK Zwischen Morddrohungen und Insta-Posts: Wie Lilly Blaudszun mit Druck aus Partei und Medien umgeht
Mit nur 19 Jahren gilt Lilly Blaudszun aus MecklenburgVorpommern als Hoffnungsträgerin der SPD – dabei tritt sie „krass anders“auf als ihre Parteikollegen. Wie geht die junge Frau mit dem Druck aus Partei und Medien um? Und wie ist es, wenn man Morddrohungen auf Social Media bekommt?
Sich persönlich mit SPDHoffnungsträgerin Lilly Blaudszun für ein Interview zu treffen, war nicht möglich – die 19-Jährige ist froh, das Gespräch auf dem Weg von der Parteiarbeit zur Uni-Bibliothek in ihrem Studienort Frankfurt (Oder) telefonisch einbauen zu können. Sie klingt gut gelaunt und ihre Schritte beschwingt, sie benutzt Wörter wie „krass“, „cool“und „mega“. Ganz anders als ihre älteren Parteikollegen.
Genau deshalb wird Lilly Blaudszun als SPD-Hoffnungsträgerin gehandelt, die ihrer Partei aus dem historischen Tief helfen soll. Auf der Plattform Twitter hat die 19-Jährige mehr als 34 000 Follower, auf Instagram sind es mehr als 18000. Kein Wunder, dass gestandene Parteikollegen sie um Hilfe baten, die jungen Wähler anzusprechen. Nun jongliert die junge Frau neben ihrem Jurastudium zwei Jobs – berät die SPD sowohl in ihrem Heimatbundesland Mecklenburg-Vorpommern als auch auf Bundesebene im Wahlkampf in Social-Media-Fragen, erklärt lokalen SPD-Verbänden und -Politikern, wie Instagram und Co. funktionieren.
„Ich freue mich über freie Zeit, Abschalten ist auch mal wichtig“, sagt Lilly Blaudszun, wenn man sie nach ihrem Terminkalender fragt, in dem sie „schon manchmal Tetris spielen muss“. 2017 trat sie in die SPD ein – mit 16 Jahren. Zuvor hatte sie sich im lokalen Jugendrat engagiert und großen Spaß am Organisieren von Veranstaltungen und Partys für die Jugendlichen im Ort.
Den „Schubs“zum SPDBeitritt gab Lilly dann der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, den sie im Rahmen eines Praktikums kennenlernte. „Ich fand es total cool, dass er mich so ernst genommen hat.“Mittlerweile ist manch jungem SocialMedia-Nutzer der Name Blaudszun eher ein Begriff als der Name Steinmeier. Denn während ebendieser seinen Instagram-Account durch ein Team mit Hochglanzfotos bespielen lässt, postet Lilly mit Vorliebe Hund Henry und die leeren Straßen ihres ostdeutschen Heimatdorfes Techentin und teilt Fotos von Party-Abenden mit Freunden.
Doch die große Aufmerksamkeit hat auch Schattenseiten. Im Interview berichIm
tet Blaudszun von all dem Hass, der ihr auf Twitter und Co. entgegenschlägt. „Meist geht es darum, dass ich eine junge Frau bin“, sagt sie. Oft werde sie mit Sätzen wie „du musst mal wieder ein bisschen abnehmen“auf ihr Äußeres reduziert oder aufgrund ihrer ostdeutschen Herkunft angegangen.
Und es gab auch schon „krassere“Nachrichten. Während im Hintergrund der Wind pfeift, berichtet Lilly Blaudszun von Morddrohungen auf Social Media
– vor allem durch Rechte. Ihr Gefühl für Sicherheit habe sich verändert, sagt die junge Frau, gleichzeitig wolle sie das aber auch nicht „überdramatisieren“. Doch da sind nicht nur Hass und Kritik, sondern auch Erwartungshaltungen – aus der Partei, von den Medien und von Fans.
Blaudszun aber sieht „das mit dem Druck gar nicht so krass“, berichtet sie. Für sie zählten nur ihre eigenen Erwartungen. Und die sind ganz einfach formuliert: „Das, was ich mache, möchte ich gut machen.“
Die Hintergrundgeräusche am Telefon werden weniger, die 19-Jährige ist an der Bibliothek angekommen. Welchen Ausgleich hat sie zu all der Arbeit, all dem Stress und dem „Tetris“in ihrem Terminkalender?
Die Antwort überrascht: „Wenn mir alles zu viel wird, ist das ganz ‚weird‘: Dann male ich einfach drauflos, ganz abstrakt“, sagt Lilly Blaudszun und schränkt gleich ein: „Ich bin überhaupt kein Profi.“Ansonsten lese sie viel, das habe sie schon als Kind gern getan. „Und wenn es geht, dann fahre ich nach Hause. Das ist für mich wie Urlaub“, sagt die 19-Jährige. Denn dort, in „ihrer Hood“, kann sie einfach nur Lilly sein, Zeit mit ihren alten „Friends“genießen oder einfach nur über die Felder und durch den Wald spazieren gehen. „Zu Hause interessiert es niemanden, wenn ich nachts angeheitert durch die leeren Dorfstraßen laufe“, sagt Blaudszun und lacht.
Sie klingt fast wehmütig, als sie von dem Partyraum bei ihrem Kumpel erzählt. Dort habe sie vor der Pandemie gerne „Sterni“-Bier mit ihren Freunden getrunken – für die 19-Jährige ein Stück ostdeutsches Kulturgut, ebenso wie das SimsonFahren – ein Moped aus der Zeit der DDR. Die junge Nachwuchspolitikerin möchte auch Sichtbarkeit für die Probleme der Menschen in Ostdeutschland schaffen.
Und sie möchte noch viel mehr sein: eine Art Motivation für junge Frauen, gerade aus ländlicheren Regionen. „Ich weiß noch, wie krass ich es damals immer fand, Manuela Schwesig als Schwerinerin im Fernsehen zu sehen“, erinnert sie sich. „Ich möchte junge Menschen aus ländlichen Regionen dazu ermutigen, an ihre Ziele zu glauben und sich davon auch nicht abbringen zu lassen.“
Als Leiterin des SocialMedia-Wahlkampfes wird die junge Frau im Sommer aber erst einmal viel mit ihrem Vorbild, MecklenburgVorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, unterwegs sein. „Und nach diesem Wahljahr muss ich dann erst mal zwei Wochen schlafen“, so Lilly Blaudszun lachend, SPD-Nachwuchshoffnung, Jurastudentin, Tochter, Freundin und Wahlkampfmanagerin. Aber nach dem Telefonat schreibt sie erst einmal an ihrer Hausarbeit weiter.
Lilly Blaudszun (SPD)