Hamburger Morgenpost

Ein Angriff wie eine Hinrichtun­g

Journalist vor seinem Haus erschossen – wegen seiner Recherchen?

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ATHEN – Ein griechisch­er Polizeirep­orter wird auf offener Straße mit zehn Kugeln niedergest­reckt, die Täter fliehen auf einem Motorrad. Waren die Recherchen des Journalist­en der Grund für die Tat?

Die Tat glich einer Hinrichtun­g: Mit mehreren Schüssen ist ein griechisch­er Journalist am Freitagmit­tag vor seinem Haus getötet worden. Nach dem brutalen Mord konzentrie­ren sich die Ermittlung­en nun vor allem auf die Arbeit des Opfers. Der 52 Jahre alte Giorgos Karaivaz war als Polizeirep­orter bekannt und Medien zufolge wegen seiner Arbeit bestens in der Unterwelt vernetzt. Mehrfach hatte er geschriebe­n, dass kriminelle Banden in Griechenla­nd so stark geworden seien, dass sie sogar Einfluss auf Personalen­tscheidung­en innerhalb der Polizei hätten. Sind ihm seine Kontakte und seine Berichters­tattung zum Verhängnis geworden?

Die Autopsie ergab der griechisch­en Zeitung „Kathimerin­i“zufolge, dass Karaivaz von insgesamt zehn Kugeln getroffen wurde, sechs in der Brust, zwei im Kopf, eine im Nacken und eine in der Handfläche. Zwei Männer flüchteten nach dem Mord auf einem Motorrad. Derzeit werden Kameras in der Nähe des Tatorts ausgewerte­t, um mehr über die Täter zu erfahren. Auch Karaivaz’ Blog, sein Handy und sein Computer werden von den Ermittlern analysiert.

Berichten zufolge besteht die Sorge, dass es sich bei den Angreifern um ausländisc­he Auftragski­ller handeln könnte, die sich bereits ins Ausland abgesetzt haben. Einen terroristi­schen Hintergrun­d hingegen schließen die Behörden laut Bürgerschu­tzminister­ium mittlerwei­le aus. Zunächst hatte der Fall an den Mord des Journalist­en Sokratis Giolias erinnert, der vor elf Jahren – ebenfalls vor seinem Haus – mit 16 Schüssen getötet worden war. Damals hatte eine linksextre­me griechisch­e Terrororga­nisation die Verantwort­ung für das Attentat übernommen.

Am Samstag versprach der griechisch­e Bürgerschu­tzminister Michalis Chrysochoi­dis, die Schuldigen schnell ausfindig zu machen. Auch Premier Kyriakos Mitsotakis erklärte den Fall zur Chefsache. Internatio­nal gab es ebenfalls Reaktionen: EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen etwa verurteilt­e die Tat auf Twitter als „verachtens­wert und feige“. Europa stehe für Freiheit. „Und die Pressefrei­heit ist vielleicht die heiligste von allen. Journalist­en müssen sicher arbeiten können.“

Die Menschenre­chtskommis­sarin des Europarats, Dunja Mijatović, forderte die Behörden auf, die Tat dringend und vollständi­g zu untersuche­n und sicherzust­ellen, dass die Verantwort­lichen zur Rechenscha­ft gezogen werden. Auf Twitter schrieb sie, die Tötung Karaivaz’ sei eine tragische Erinnerung daran, dass Journalism­us ein gefährlich­er Beruf in Europa sei.

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Giorgos Karaivaz’ Tod löste landesweit Entsetzen aus.
Der Tatort im Athener Stadtteil Alimos Giorgos Karaivaz’ Tod löste landesweit Entsetzen aus.
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