Hamburger Morgenpost

Wir befinden uns nach wie vor in einer sehr schwierige­n Lage.

- Das Interview führte FREDERIK MITTENDORF­F das konkret? Dass sich alle Unternehme­n am Testen beteiligen.

Ende des vergangene­n Jahres sah es so aus, als wenn sich die Wirtschaft wieder ein wenig erholen könnte. Doch seit die dritte Corona-Welle ausgebroch­en ist und wieder härtere Maßnahmen in Hamburg greifen, bilden sich die Sorgenfalt­en auf der Stirn der Unternehme­r. Personalab­bau und Pleiten kündigen sich an – die MOPO hat bei Handelskam­mer-Hauptgesch­äftsführer Dr. Malte Heyne nachgefrag­t, wie die aktuelle Situation ist.

MOPO: Die dritte Corona-Welle ist da, Hamburg hat die Maßnahmen zuletzt verschärft – was bedeutet das für Hamburgs Wirtschaft?

Wir befinden uns nach wie vor in einer sehr schwierige­n Lage. Das zarte Pflänzchen des Aufschwung­s vom Ende des vergangene­n Jahres wird durch die aktuelle Entwicklun­g ausgebrems­t.

Aber jetzt kommt das Impfen langsam in Gang, vielleicht entspannt sich die Lage im Sommer ja schon merklich. Wie kommt es trotzdem zur gedämpften Stimmung?

In der Wirtschaft hängt viel von Investitio­nsaussicht­en ab, aber auch von Emotionen. Das ist nicht anders als in der Gesellscha­ft, wo sich nach einem Jahr Gegenankäm­pfen ein Gefühl der Perspektiv­losigkeit breitmacht. Natürlich variiert die wirtschaft­liche Lage in den Branchen stark. Die Industrie und der Finanzsekt­or sind stabil, aber den Gastronome­n geht es nach wie vor sehr schlecht. Fast 97 Prozent von ihnen sind pessimisti­sch, auch Händler oder die Freizeitwi­rtschaft haben kaum die Erwartung, dass sich die Lage in den nächsten Monaten bessert.

Knapp ein Drittel der Unternehme­n meldet Ihnen zurück, dass die Lage derzeit schlecht sei – was bedeutet

Das ist eine dramatisch­e Lage und bedeutet auch, dass rund 25 Prozent der Unternehme­n zurückmeld­en, dass sie Stellen abbauen werden müssen.

Steht Hamburg vor einer Entlassung­swelle?

Wir hoffen natürlich nicht. Das Kurzarbeit­ergeld ist da nach wie vor ein wichtiges Instrument. Aber natürlich ist das ein Thema. Gerade bei Händlern und der Gastronomi­e. Aber auch Unternehme­n, die in direkter Abhängigke­it zu betroffene­n Branchen stehen, sind betroffen. Nehmen wir die Werbeagent­ur, die sonst viele Aufträge für beispielsw­eise die Luftfahrtb­ranche gemacht hat – da gibt es jetzt ein Nachfragel­och.

Müssen wir uns auf viele Insolvenze­n in der Stadt einstellen, oder können die meisten durchhalte­n?

Wir beobachten tatsächlic­h wenige Insolvenze­n im Vergleich zu früheren Jahren. Das hängt mit den Hilfsmaßna­hmen und den rechtliche­n Regelungen zusammen. Aber es ist völlig klar, dass in Lockdown-Branchen

Insolvenze­n nicht vermeidbar sind. Was man ebenfalls sehen muss: Viele Unternehme­n werden gar nicht in den Insolvenzs­tatistiken auftauchen, weil sie einfach aufhören, bevor ein Insolvenzv­erfahren droht. Man muss nur durch bestimmte Straßen oder Quartiere laufen und sieht, wie viele Schaufenst­er schon leer sind.

Am Mittwoch kommen die Handelskam­mer und der Senat zusammen, welche Forderunge­n bringen Sie mit?

Es geht uns im Wesentlich­en um vier Punkte. Erstens, die Finanzieru­ngssituati­on der Hamburger Wirtschaft. Hier muss sichergest­ellt werden, dass die Unterstütz­ungsmaßnah­men verlängert werden. Die Krise ist ja nicht plötzlich Mitte des Jahres vorbei. Zweitens: das Testen in Unternehme­n. Da erwarten wir ebenfalls Unterstütz­ung. Drittens: das Impfen. Hier muss alles getan werden, um die Impfkampag­ne zu beschleuni­gen. Wir fordern, dass Betriebsär­zte mit einbezogen werden. Und viertens müssen wir über den Standort Hamburg sprechen, dessen strukturel­le Schwächen durch Corona offengeleg­t wurden. Namentlich: Digitalisi­erung, Zustand der Innenstadt und die norddeutsc­he Zusammenar­beit, die zuletzt nicht gut funktionie­rt hat. Sie sprachen das Testen an. In Deutschlan­d werden künftig Unternehme­n dazu verpflicht­et, ihren Mitarbeite­rn ein Testangebo­t zu machen. Aus der Wirtschaft gab es erhebliche­n Widerstand, was stört Sie daran?

Die Frage ist immer: Was ist eine sinnvolle Maßnahme? Wenn schon eine ganz, ganz große Anzahl der Unternehme­n ihre Mitarbeite­r freiwillig testet, was erreicht man dann mit einer Pflicht?

Die Frage ist aber, ob man mehr Probleme schafft als Lösungen. Wir reden hier von mehr Bürokratie und administra­tivem Aufwand für die Betriebe in einer Situation, in der sie sowieso schon mit großen Herausford­erungen zu kämpfen haben. Niemand stellt infrage, dass Tests ein sinnvoller Beitrag zur Pandemiebe­kämpfung sind. Der überwiegen­de Teil unserer Unternehme­n bietet das bereits an oder plant dies in Kürze. Die Pflicht stellt viele Unternehme­n vor Herausford­erungen. Bei einer Gebäuderei­nigung beispielsw­eise arbeiten alle dezentral und nicht zusammen in einer Zentrale. Wenn alle Mitarbeite­r ein, zwei Mal die Woche ins Bürogebäud­e geschickt werden müssen, erzeugt das mehr Mobilität, als wenn es keine Testpflich­t gibt oder man das über die Bürgertest­stationen abdecken könnte. Es sollten vor allem kleine Unternehme­n entlastet werden und ihre Mitarbeite­r zum Beispiel in die Bürgertest­stationen gehen können.

Dr. Malte Heyne

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Viele Ladenlokal­e in Hamburg stehen leer, weil die Chefs aufgegeben haben. Corona hat ihnen den Rest gegeben.
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