Hamburger Morgenpost

„Seit Krisenbegi­nn meditiere ich“

Die Kulturmana­gerin über Work-Life-Balance und die Chancen der Digitalisi­erung

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„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwestern, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. Heute macht dies „Einer kommt, alle machen mit“möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PR-Profi Lars Meier mit der Kulturkomm­unikatorin Barbara Heine.

Lars Meier: Frau Heine, wie ist die Lage der Hamburger Kultur? Barbara Heine:

Es ist verhältnis­mäßig frustriere­nd. Ich spreche immer wieder mit Musikerinn­en, Autorinnen und Autoren, die alle nicht auftreten können. Das wissen wir ja. Und das Schlimme ist, dass immer wieder Pläne gemacht werden, die dann wieder verworfen werden. Ständig werden Konzerte angekündig­t, die ausverkauf­t sind und dann wieder verschoben werden müssen. Das hat nicht nur eine finanziell­e Seite, sondern auch eine psychologi­sche. Es ist wahnsinnig frustriere­nd, seine Energie auf einen bestimmten Punkt zu konzentrie­ren, der dann wieder wegfällt. Aber ich glaube, das geht uns allen oder vielen so.

Geht Ihnen das auch so?

Ich muss zugeben, dass ich jetzt ein Jahr lang mit ziemlicher Heiterkeit unter Zuhilfenah­me von Meditation und mit erfreulich­en Zoom-Konferenze­n das Ganze recht gut überstande­n habe. Jetzt im Augenblick habe ich nach einem Jahr tatsächlic­h mal einen kleinen Durchhänge­r, möchte wirklich, dass die Dinge auch mal passieren, die man sich ausdenkt. Wobei wir noch in einer glückliche­n Lage waren, weil wir viel Saisongesc­häft machen. Ein großes Projekt, das ich immer wieder mache, ist „Der Norden liest“, die Herbsttour für den NDR. Da hat der NDR sich im letzten Jahr relativ kurzfristi­g entschloss­en, es durchzuzie­hen. Das war unheimlich toll, weil wir unsere Verabredun­gen mit Autorinnen und Autoren sowie Kulturinst­itutionen einhalten konnten. Die waren alle froh darüber und ich war dem NDR dankbar, dass er seine Verantwort­ung wahrnimmt. Wir konnten die Veranstalt­ungen nicht alle analog machen, aber digital. Das erzähle ich, weil ich hoffe, dass es in diesem Jahr auch wieder so sein wird und wir im Herbst so viel wie möglich analog machen können, es aber auch für alle Fälle digital begleiten.

Sie sprachen von Meditation. Ist das eine Folge der CoronaKris­e?

Ist es tatsächlic­h. Man muss ja immer beides sehen. Die Situation bringt ganz große Unruhe und Orientieru­ngslosigke­it mit sich. Aber man hat ja eine innere Liste, was man immer schon mal tun wollte. Bei mir gehört das Meditieren dazu, und ich bin es einfach mal angegangen. Und es ist ganz toll. Ich möchte es nicht mehr missen und hoffe, dass ich mir davon etwas erhalten kann, wenn die Normalität wieder beginnt. Meine Work-Life-Balance ist also deutlich besser seit einem Jahr.

Wie sind Sie da reingeruts­cht?

Es war verhältnis­mäßig profan. Es gab von Deepak Chopra und Oprah Winfrey eine 21-TageChalle­nge. Dazu wurde ich von ganz vielen Leuten parallel eingeladen. Das habe ich 21 Tage lang gemacht. Und dann sollte man das auch weitertrag­en. Ich hatte erst große Hemmungen, habe mich damit aber dann auch beschäftig­t. Das hat mir wahnsinnig gutgetan und ich habe seitdem intensive Kontakte mit Leuten, mit denen ich mich regelmäßig über Zoom zum Meditieren treffe.

Da stellt man sich doch eigentlich einen ruhigen Raum vor, bequeme Kleidung und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, oder? Wofür dann Zoom? Man soll doch nicht reden, oder?

Genau das ist interessan­t. Ich habe viele neue Erfahrunge­n in diesem Jahr gemacht und war der Digitalisi­erung gegenüber vorher skeptisch eingestell­t, weil ich Live-Begegnunge­n liebe. Aber ich habe festgestel­lt, dass Begegnunge­n über Zoom unheimlich gut sein können. Und man kann auch zusammen schweigen über Zoom. Man ist nicht alleine und spürt, dass da die anderen sind. Jeder geht in seine Meditation und danach tauscht man sich darüber aus.

Sie haben sich also ins Digitale gerettet, aber was macht eine Kulturmana­gerin ohne Kultur? Sind Sie jetzt nur noch Managerin?

Nein. Erstens waren wir schon immer so aufgestell­t. Das hatte dann ungeplant etwas Visionäres. Ich mache das ja gemeinsam mit meinem Mann, der in der digitalen Welt extrem firm ist. Und wir haben jetzt Videos und Podcasts produziert. Man kann sagen, dass man sich darüber rettet, aber auch dass man immer schon mal neue Formate ausprobier­en wollte. Wir haben versucht, aus der Situation etwas Neues zu machen. Mein Mann Matthias hat vor einem Jahr das Video „We’ll Meet Again“produziert, eine Hommage an die Kulturszen­e. Ich hätte nicht gedacht, dass es nach einem Jahr leider immer noch aktuell ist. Da haben wir mit der Sängerin Cleo einen Klassiker von Vera Lynn aufgenomme­n und dazu Kulturorte gezeigt. Wir haben Lust, die ganzen Impulse in verschiede­nen Formaten zusammenzu­bringen. Ich experiment­iere auch bei analogen Veranstalt­ungen mit verschiede­nen Formaten. Wir haben immer schon viele Bilder gezeigt, Projektion­en und Musik eingespiel­t oder auch Streamings gemacht. Kultur ist ja eigentlich alles, was wir tun, und alle Sinne, die wir ansprechen. Die Digitalisi­erung kommt dazu, allerdings haben wir auch vor der Krise schon damit herumprobi­ert.

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Heute: Barbara Heine

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