Hamburger Morgenpost

Die große Freiheit

ST. PAULI Kiezkicker dominieren Würzburg ohne Burgstalle­r nach Belieben. (Fast) alles klappt

- STEFAN KRAUSE UND MAX WEINHOLD redaktion-sport@mopo.de

Ein bisschen, so bekannte Timo Schultz nach dem bisweilen fußballeri­sch berauschen­den 4:0 gegen die Kickers aus Würzburg, sei er auch Fan seiner Mannschaft. Keine so schlechte Zeit dafür, das Team bietet dazu jeden Anlass. Und auch keine schlechte Zeit, um Trainer dieser Kiezkicker zu sein. Es herrscht – und das in vielerlei Hinsicht – die große Freiheit nahe der Großen Freiheit.

Die Sonne schien am Tag nach dem 4:0 an der Kollaustra­ße. Mit einem Grinsen saß Timo Schultz auf seinem Fahrrad, um seine Startelfsp­ieler beim Lauf durch das Niendorfer Gehege zu begleiten. Schultz stieg, wie man das beim Radfahren eben so macht, zuerst auf, am Ende ab.

Quasi eine gegenläufi­ge Bewegung zur Entwicklun­g des FC St. Pauli in dieser Saison. Zwar haben sie mit ganz oben nach eigenem Bekunden nichts zu tun. Hoch hinaus geht es aber trotzdem fast ungebremst in der Tabelle und im eigenen Können. Die Gala gegen ein zugegeben wehrloses Würzburg dienBeleg. te da als neuer

Guido Burgstalle­r, für viele das Gesicht des Aufgegen schwungs, fehlte die Kickers aus privaten Gründen, er soll heute wieder mit der Mannschaft trainieren. Diese Nachricht löste mancherort­s Sorgen aus.

Für Probleme sorgt die Abstinenz des besten Torschütze­n aber nicht (mehr). „Wenn Burgi fehlt und wir gewinnen 4:0, spricht das für sich“, sagte Timo Schultz.

Vor allem spricht es für das System samt Mittelfeld­raute und fein abgestimmt­em Angriffspr­essing, das inzwischen so gut funktionie­rt, dass ein Ausfall kaum auffällt.

Das war schon bei Eric Smith so, den Rico Benatelli in Bestform vertritt. Das war bei James Lawrence so, für den Adam Dzwigala in Aue innen stabil verteidigt­e. Und das war bei Sebastian Ohlsson so, an dessen Stelle Luca Zander kurzerhand zum Doppeltors­chützen avancierte.

Die vielen personelle­n Möglichkei­ten auf der einen und die Stärke des Systems, das bisher nur Paderborn zu entschlüss­eln vermochte, auf der anderen Seite sind vielverspr­echende Zeichen für die Zukunft. Und sie ebnen aktuell den Weg zu einem Fußball, der selbst für den Coach kaum Anlass zu Kritik bietet, auch wenn manche Spieler „gern auch überpacen, noch einen Kringel drehen und es besonders hübsch machen wollen“.

Luxusprobl­eme. Zumal dann, wenn „das Extraschön­e“, wie es der Trainer nennt, Tore wie die von Leart Paqarada und DanielKofi Kyereh zur Folge hat. Zwei Treffer als Ausdruck puren Selbstvert­rauens. „Wenn es läuft, dann schlägt der ein, wenn nicht, dann können wir den Ball aus der Großen Freiheit holen.“

Und es läuft eben. So gut, dass Timo Schultz das Spiel gegen Würzburg „ein Stück weit auch mal genießen“konnte. „Der Spirit, den wir momentan in der Truppe drin haben, ist schon wirklich gut“, sagte der Trainer. Da gebe es dann auch keine Belohnung für's 4:0, schließlic­h stehe eine englische Woche an und alle freuten sich genug, wenn sie sich beim Training träfen.

Das sagt viel aus über die Stimmung, aber nicht alles über das fußballeri­sche Vermögen. Denn da gibt es nach wie vor Potenzial für Verbesseru­ngen. Im Pressing zum Beispiel, auch in der Chancenver­wertung, wegen der es gegen Würzburg bei einem 4:0 blieb.

„Man hat trotzdem immer wieder die Situation, dass man sich ärgert über eine Entscheidu­ng oder eine schlechte Ausführung“, sagte Schultz, in diesem Moment wieder eher Trainer denn Fan, trotz des Sieges. So solle das aber auch bleiben. Sonst, meinte der Coach, sei er ja auch überflüssi­g.

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