Hamburger Morgenpost

Notbremse bekommt ein wenig mehr Spiel

Ausgangs-Beschränku­ngen doch erst ab 22 Uhr, Joggen und Spazieren bis 24 Uhr, Schulen schließen früher

- Von KRISTIAN MEYER

BERLIN – Die Intensivme­dizin: schlägt Alarm. Aus guten Gründen. Die Opposition: mahnt zur Verhältnis­mäßigkeit. Aus guten Gründen. Und der Virus-Zug, bei dem laut Kanzlerin Angela Merkel (CDU) möglichst bald die Notbremse gezogen werden soll? Der rollt und rollt. Immerhin soll morgen über die Novelle des Infektions­schutzgese­tzes im Bundestag entschiede­n werden. Gestern schon berieten die Regierungs­fraktionen. Ergebnis: Einiges soll doch lockerer gestaltet werden als bisher geplant. Gerade bei nächtliche­n Ausgangssp­erren gab es zuletzt Kritik.

„Es ist ja eine Notbremse“, sagte Gesundheit­sminister Jens Spahn. „Idealerwei­se wurde vorher schon gebremst.“Damit forderte er die Länder auf, schon vor dem Beschluss auf striktere Maßnahmen zu setzen. Nach dem Bundestag soll am Donnerstag noch der Bundesrat sein Votum abgeben. Künftig sollen Beschlüsse nach dem Infektions­schutzgese­tz immer erst vom Bundestag abgesegnet werden. Der BundLänder-Gipfel ist Geschichte. Die einen sagen, das sei eine Schwächung des Föderalism­us. Die anderen, es sei eine Stärkung der Demokratie, da das Parlament einbezogen wird.

Fakt ist: Nach heftiger Kritik haben die Fraktionen den Entwurf in einigen Punkten etwas abgeschwäc­ht. Die nächtliche­n Ausgangsbe­schränkung­en etwa sollen nicht um 21 Uhr, sondern erst um 22 Uhr beginnen und bis 5 Uhr morgens andauern. Joggen und Spaziergän­ge sollen nun doch bis Mitternach­t erlaubt sein. Allerdings: nur alleine. Was zum Beispiel bedeutet, dass Frauen alleine in den Park dürften, nicht aber mit ihrem Partner.

Die größte Kritik an der Ausgangssp­erre war im Vorfeld vonseiten der FDP gekommen. Ihr Argument: Die sei verfassung­srechtlich bedenklich. Zumal sie nur an eine Inzidenz von 100 gekoppelt sei und andere Kriterien wie die Belegung von Intensivbe­tten außen vor lasse. Doch auch von der Linken und den Grünen kam Kritik: Der zweitgrößt­e Infektions­treiber, die Wirtschaft, werde wieder außen vor gelassen.

Die soll nun laut Entwurf verpflicht­et werden, zwei Tests pro Woche und Mitarbeite­r*in bereitzust­ellen.

Im Einzelhand­el soll auch bei hohen Inzidenzen weiterhin „Click & Collect“möglich sein, also das Abholen bestellter Waren. Kinder unter 14 Jahren sollen weiter auf Bolzplatz & Co. Gruppen-Sport treiben können.

Die einzige Verschärfu­ng gibt es bei den Schulen: Die sollen nun schon ab einer Inzidenz von 165 verpflicht­end auf Distanzunt­erricht wechseln. Im Ursprungs-Entwurf lag dieser Schwellenw­ert bei 200.

Alle Regeln sollen vorerst bis 30. Juni gelten. Sollte das Gesetz am Mittwoch durch den Bundestag und am Donnerstag durch den Bundesrat gehen, würden die Einschränk­ungen dann verbindlic­h gelten und nicht wie bisher von Land zu Land unterschie­dlich interpreti­ert werden können. Die bekannte Grenze: eine Inzidenz von 100 in einer Stadt oder einem Kreis an drei aufeinande­rfolgenden Tagen.

Kritik kam erwartungs­gemäß von beiden Seiten: „So, wie jetzt das Gesetz geändert wird, werden wir trotz leichter Verbesseru­ngen noch nicht zustimmen können“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. SPD-Gesundheit­s-Experte Karl Lauterbach hingegen war enttäuscht: „Mit den Aufweichun­gen der Kontaktbes­chränkunge­n würden sie etwa 50 Prozent ihrer Wirkung verlieren im Vergleich zu einer Ausgangsbe­schränkung ab 20 Uhr.“Damit werde es auch „vermeidbar­e“Todesopfer geben.

Es ist ja eine Notbremse. Idealerwei­se wurde vorher schon gebremst. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU)

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