Frühling im Alten Land
Das macht so Spaß, dass Leute, die seit Jahren nach Mallorca geflogen sind, nun die Heide entdecken.
Gerhard Bosselmann
Seit Corona entdecken Tagesausflügler – viele aus Hamburg – die Reize der Lüneburger Heide. Die ansässigen Handwerker und Händler wie der Bäcker, der Bierbrauer oder der Dorfladen-Besitzer profitieren davon – und verstehen sich dabei nicht als Konkurrenz. Denn mit der Nachfrage kommen sie kaum hinterher.
Kai Beitzer braut Bier in einem alten Schlachtraum, Marcus Leben veredelt Rindfleisch in einer ehemaligen Hotelküche und Gerhard Bosselmann brennt HeideGin im Kupferkessel auf seinem Grundstück. „Sogar Bill Gates hat in einer Garage angefangen“, erzählt der 65-jährige Bosselmann in seiner fast klinisch sauberen Mini-Destillerie in Egestorf mitten in der Lüneburger Heide.
Alle drei haben eins gemeinsam: Sie können von ihrem Hobby (noch) nicht leben, betreiben es aber mit Leidenschaft. Und ganz wichtig ist ihnen, dass die Produkte sich langsam entwickeln. Bosselmann ist dabei in der komfortabelsten Position, wird er doch Ende des Jahres seine 21 Bäckereien in Hannover verkaufen.
Bis dahin pendelt der studierte Landwirt und steht früh auf, wenn es ans Mörsern von selbst gesammelten Wacholderbeeren, Schlehen und Hagebutten geht. „Mein Gin geht so durch die Decke, ich brenne schon nachts“, sagt der Sohn einer Apothekerfamilie. Die Weihnachtsedition lagert bereits in besonderen kleinen Fässern.
An der Wand der kleinen Manufaktur hängt die Urkunde von einer internationalen Meisterschaft der Ginbrenner in England, die er vor einem Monat als stolzer Zweiter abschloss.
Er verwirklicht seinen Kindheitstraum, findet in der Natur den Abstand und die Ruhe, die er nach dem Tod seiner Frau vor acht Jahren gesucht hat. Dreieinhalb Stunden dauert der Brennprozess für seinen Slow und Bitter Gin. Wenn andere abends fernsehen, liest er ein Buch über Wasserphysik.
Seit eineinhalb Jahren betreibt