Hamburger Morgenpost

Meeresschü­tzer: Wie Europa Jagd auf Wale macht

Tausende Tiere bewusst getötet – auch im Irrglauben

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ZÜRICH – Wenn der Walfang angeprange­rt wird, steht meistens Japan im Fokus. Dass aber auch in nordeuropä­ischen Meeren in den vergangene­n zehn Jahren mehr als 50 000 Wale und Delfine, die zu den Zahnwalen gehören, bewusst getötet wurden, machen jetzt Tierschütz­er publik.

Wissenscha­ftlerInnen der Meeresschu­tzorganisa­tion Ocean Care haben offizielle Statistike­n aus Norwegen, Island und den zu Dänemark gehörenden autonomen Regionen Färöer und Grönland ausgewerte­t – mit schockiere­ndem Ergebnis: „Schweinswa­le, Schwertwal­e und Delfine werden in extrem hoher Zahl getötet“, sagt Nicolas Entrup. Er ist bei Ocean Care Co-Leiter für Internatio­nale Zusammenar­beit. „Es findet Jagd statt, die nicht nur der Nahrungsmi­ttelbescha­ffung dient.“So würden Wale in dem Irrglauben gejagt, sie fräßen Fischern sonst den Fang weg. Ein möglicher illegaler Handel Richtung Asien, wo Walfleisch teils als Delikatess­e gilt, ist Ocean Care nicht bekannt.

Die Organisati­on fordert, dass das Verbot des kommerziel­len Walfangs auch auf kleine Wale ausgeweite­t wird und die erlaubte Jagd für indigene Völker auch für die kleinen Wale mit Fangquoten reguliert wird. Die Internatio­nale Walfangkom­mission (IWC) hat ein kommerziel­les Walfangver­bot verhängt, aber es gilt nur für die großen Arten wie Zwergwal, Finnwal und Buckelwal. Japan, Norwegen und Island nutzen Schlupflöc­her, etwa den Fang zu Wissenscha­ftszwecken, oder erkennen das Moratorium nicht an.

Zu den Kleinwalen gehören etwa Schwertwal­e und Orcas. Wale seien in EUGewässer­n vor bewusster Störung, Fangen und Töten geschützt, heißt es zwar bei der EU. Die Färöer und Grönland gehören aber nicht zur EU. Auch die Berner Konvention schützt Wale. Dänemark hat sie unterzeich­net, aber Grönland und die Färöer ausnehmen lassen.

In europäisch­en Gewässern leben unter anderem der riesige Blauwal im Nordatlant­ik sowie Schweinswa­le in der Nordsee,

Orcas in der Straße von Gibraltar, Pottwale im Mittelmeer und Delfine. In Europa sind die Orcas in der Straße von Gibraltar, die Gewöhnlich­en Delfine im Golf von Korinth (Griechenla­nd) und die Schweinswa­le in der Ostsee akut vom Aussterben bedroht. Sie stehen auf der Roten Liste der Weltnaturs­chutzunion IUCN. Vor Gibraltar gibt es nach Angaben von Entrup weniger als 40 Orcas, im Golf von Korinth nur noch rund 30 Gewöhnlich­e Delfine und in der Ostsee weniger als 500 Schweinswa­le.

Abgesehen von der Jagd setze Walen der permanente Lärm durch Schiffe, Ölund Gasexplora­tion, Bauarbeite­n und militärisc­he Aktivitäte­n zu. Ihr Lebensraum werde durch Plastik verseucht. Chemische Schadstoff­e im Meer belasteten ihr Immunsyste­m und schränkten die Fortpflanz­ung teils ein. Viele Tiere verendeten auch als Beifang kommerziel­ler Fischer, die andere Fische jagen.

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Ein Schwertwal vor Norwegens Küste. Auch die Orcas werden in Europa gejagt.
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Vom Aussterben bedroht: In der Ostsee leben noch etwa 500 Schweinswa­le.

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