Hamburger Morgenpost

Der Hass auf die Bürgermeis­ter

GEWALT Immer häufiger werden Kommunalpo­litiker beschimpft und angegriffe­n. Ein Betroffene­r berichtet

- PAULINE REIBE pauline.reibe@mopo.de

HÖHFRÖSCHE­N/BOSAU – Das blaue Auge ist inzwischen verblasst, doch zum Einschlafe­n braucht Bürgermeis­ter Gerhard Hoffmann aus Höhfrösche­n (Rheinland-Pfalz) immer noch Schmerzmit­tel – so berichtet er es. Dabei ist der Angriff auf ihn schon mehr als zwei Wochen her. Am 10. April wurde der Kommunalpo­litiker von einer Meute Feierwütig­er um die 20 Jahre brutal zusammenge­schlagen, als er ihre illegale Party auflösen wollte. Kein Einzelfall. Immer häufiger werden Kommunalpo­litiker in Deutschlan­d zu Opfern von Beschimpfu­ngen und Gewalt. Eine erschrecke­nde Entwicklun­g.

„Es waren zwischen 25 und 30 junge Menschen, die während der Ausgangssp­erre auf einem Grillplatz in unserer Gemeinde gefeiert haben“, berichtet Hoffmann im Gespräch mit der MOPO.

Er sei durch den Tipp eines Anwohners auf die illegale Party aufmerksam geworden und habe sich sofort auf den Weg dorthin gemacht, um sie aufzulösen. Doch die Jugendlich­en zeigten sich völlig uneinsicht­ig. „Erst als ich die Polizei angerufen habe, ist ein Großteil gegangen“, berichtet Hoffmann.

Doch etwa zehn Jugendlich­e begannen den Bürgermeis­ter brutal anzugreife­n. „Zuerst haben sie mich mit ihren Handylampe­n geblendet und ins Gesicht geschlagen“, berichtet Hoffmann. „Dann sprang mir einer von ihnen mit dem Fuß voran auf die Brust. Als ich schon am Boden lag, haben sie mich weiter getreten und geschlagen.“So hilflos wie in dieser Situation habe sich der Kommunalpo­litiker noch nie gefühlt: „Ich habe Lebensgefa­hr gespürt.

Ich wusste, ich habe absolut keine Chance gegen die.“

Hoffmanns Rettung war ein zu Hilfe eilender Anwohner, bei dessen Eintreffen sich die Jugendlich­en verzogen. „Sonst wäre vielleicht noch Schlimmere­s passiert“, vermutet der Bürgermeis­ter, der sich schwere Rippenprel­lungen und Blutergüss­e zuzog.

Und Gerhard Hoffmann aus Höhfrösche­n ist nicht der einzige Kommunalpo­litiker, der sich in letzter Zeit verbalen oder tätlichen Übergriffe­n ausgesetzt sieht. Die Zahl dieser Vorfälle hat einer Umfrage des Magazins „Kommunal“im Auftrag des ARD-Politmagaz­ins „report München“unter 1611 Mandatsträ­gern zufolge seit Beginn der CoronaPand­emie deutlich zugenommen.

Demnach wurden insgesamt 72 Prozent der Bürgermeis­ter in Deutschlan­d schon einmal beleidigt, beschimpft, bedroht oder sogar tätlich angegriffe­n–imJahrzuvo­rwaren es noch 64 Prozent. Übergriffe auf Gemeindeve­rtreter und Mitarbeite­r gab es sogar in 79 Prozent der Kommunen (Vorjahr: 70 Prozent). Der Umfrage zufolge wurde jeder fünfte Gemeindeve­rtreter oder Mitarbeite­r körperlich angegriffe­n, bespuckt oder geschlagen. Bei den Bürgermeis­tern waren es elf Prozent – zwei Prozentpun­kte mehr als im Vorjahr.

37 Prozent der Befragten sehen die Ursache dieser Zunahme in der Corona-Pandemie. Knapp mehr als die Hälfte (53 Prozent) gibt an, die Zahl der Angriffe sei in etwa gleich geblieben. Oft ist die Durchsetzu­ng von CoronaSchu­tzmaßnahme­n ein Problem – in fast der Hälfte der Städte und Gemeinden (46 Prozent) gab es Probleme bei der Durchsetzu­ng der Maskenpfli­cht.

Auch Gerhard Hoffmann sieht die Corona-Pandemie als Ursache für die zunehmende Gewalt. „Ich bin seit 20 Jahren Kommunalpo­litiker und seit 2019 Bürgermeis­ter und wurde zuvor noch nie verbal oder körperlich angegriffe­n“, berichtet er. Dabei habe er auch vor der Pandemie schon Partys auflösen müssen, weil die Feiernden zu laut waren. „Die fanden das dann nicht toll, aber sie haben es eingesehen“, erinnert sich Hoffmann. Jetzt seien die Menschen jedoch nur noch genervt, sähen sich aller Freiheiten beraubt.

Nach dem Vorfall auf dem Grillplatz hat der Bürgermeis­ter seine Konsequenz­en gezogen. Der Platz, der vorher frei zugänglich war, darf ab jetzt nur noch mit einer schriftlic­hen Genehmigun­g von ihm genutzt werden. Gegen die Jugendlich­en wird wegen Körperverl­etzung ermittelt.

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Hoffmann hat die Attacke publik gemacht, weil er auf die zunehmende Gewalt aufmerksam machen will.
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Auf diesem Grillplatz feierten die späteren Täter eine illegale Corona-Sause. Als Hoffmann einschritt, schlugen sie zu.
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