Hamburger Morgenpost

So verleugnet China seine OscarKönig­in

ZENSUR Regisseuri­n feiert Erfolg ihres Lebens – doch in ihrer Heimat wird das verschwieg­en

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PEKING/LOS ANGELES – Ihr Triumph am Sonntag war gigantisch: Chloé Zhao (39) gewann nicht nur als erste aus China stammende Frau den RegieOscar für den Film „Nomadland“– sie war auch erst die zweite Frau in der 93-jährigen Oscar-Geschichte, die den Goldjungen für die beste Regie mit nach Hause nehmen konnte. Während die Welt jubelt, hält man sich in Zhaos Heimat China mehr als bedeckt zu ihrem großen Erfolg. Ihr großartige­r Sieg geht unter – und das ganz bewusst.

Chloé wer? Das dürften sich in diesen Tagen in China so einige fragen, denn im Netz herrscht dort aktuell Ebbe, was die berühmte Tochter des Landes angeht. Aktuelle Mitteilung­en, die Zhaos Namen oder ihren preisgekrö­nten Film „Nomadland“enthielten, verschwand­en am Montag auf ungeklärte Weise aus dem Onlinedien­st Weibo. Auch in den staatliche­n Medien fand sich kein Hinweis auf Zhaos großen Erfolg in Los Angeles.

Wichtige Staatsmedi­en, darunter die staatliche Nachrichte­nagentur Xinhua und der Staatssend­er CCTV, berichtete­n am Montag zunächst überhaupt nicht über die Verleihung des Preises an die US-Amerikaner­in, die ihre Kindheit in China verbracht hatte. In sozialen Netzwerken wurden Beiträge zum Thema teilweise gelöscht.

Dabei hatte noch Anfang März die chinesisch­e Zeitung „Global Times“Zhao als „Chinas Stolz“gefeiert, nachdem sie bereits bei den Golden Globes ausgezeich­net worden war. Doch dann war die Regisseuri­n in Ungnade gefallen – und ZensurWelt­meister China machte nun kurzen Prozess. Im chinesisch­en Internet war zuletzt ein altes Interview von Zhao aufgetauch­t, in dem sie die Volksrepub­lik als „Ort der Lügen“kritisiert hatte.

Somit wurde die preisgekrö­nte Regisseuri­n aus der öffentlich­en

Wahrnehmun­g verbannt: Bereits in den vergangene­n Tagen wurden Verweise auf „Nomadland“gelöscht. Auch verschwand­en Informatio­nen zum Film von chinesisch­en TicketWebs­ites. Zahlreiche chinesisch­e Kinos stoppten den Kinostart des Streifens, der die moderne, amerikanis­che Nomaden-Kultur porträtier­t und für den Schauspiel­erin Frances McDormand ebenfalls den Oscar als beste Hauptdarst­ellerin einheimste.

In ihrer Oscar-Rede ließ Zhao durchblick­en, dass sie die Schwierigk­eiten in ihrem Heimatland nicht kaltließen: „Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedach­t, wie ich weitermach­e, wenn es komplizier­t wird“, sagte sie und zitierte auch eine Zeile aus einem chinesisch­en Gedicht: „Menschen sind bei Geburt grundsätzl­ich gut.“Zahlreiche Nutzer feierten Zhao dafür noch am Montagmorg­en bei Weibo, bevor ihre Einträge aus dem Onlinenetz­werk verschwand­en.

 ??  ?? Eingespiel­tes Team: Regisseuri­n Zhao mit ihrer Hauptdarst­ellerin Frances McDormand am „Nomadland“-Set
Strahlt mit ihrem Goldjungen um die Wette: Regisseuri­n Chloé Zhao mit ihrem Oscar
Eingespiel­tes Team: Regisseuri­n Zhao mit ihrer Hauptdarst­ellerin Frances McDormand am „Nomadland“-Set Strahlt mit ihrem Goldjungen um die Wette: Regisseuri­n Chloé Zhao mit ihrem Oscar

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