„Corona? Kennen wir nur aus dem Fernsehen!“
Wie ein Dorf zur Oase wurde:
CAMPOFELICE DI FITALIA – Nimmt man es wortwörtlich, müssten die rund 500 Einwohner von Campofelice di Fitalia recht gut gelaunt sein. Denn „campo felice“heißt auf Deutsch „glückliches Feld“. Tatsächlich dürften die Bürger des kleinen Örtchens auf der italienischen Insel Sizilien vor allem beim Blick auf die Zahl der lokalen CoronaInfektionen gute Laune bekommen. Denn diese liegt bei null – und zwar seit Beginn der Pandemie!
Der Bürgermeister spricht selbst von einem „Geheimnis“: Warum sich keiner in seinem Dorf mit Corona angesteckt hat, ist auch Pietro Aldegheri ein Rätsel. Doch die Zahlen lügen nicht – zumindest die offiziellen: Weder in der ersten Welle im vergangenen Frühjahr noch während der zweiten Welle im Herbst und aktuell in der dritten Welle hat sich jemand aus Campofelice di Fitalia infiziert. Das bestätigt Aldegheri gegenüber mehreren italienischen Medien, darunter das Regionalportal „Palermo Today“und die Zeitung „La Repubblica“.
Aber kann das wirklich sein? Im Gespräch mit „La Repubblica“gibt Aldegheri zu: „Wir hatten im Oktober mal einen Fall. Es war ein 45-Jähriger, der nach einem Krankenhausbesuch positiv, nach einer Woche jedoch negativ getestet wurde. Vielleicht also falsch positiv.“Der Bürgermeister versteht sein Dorf in jedem Fall als komplett corona-frei. „Bisher hatten wir großes Glück“, sagt Aldegheri zu „Palermo Today“. „Wir haben Covid nur von Weitem gesehen, im Fernsehen und in Zeitungen.“
Aber wie hat Campofelice das geschafft? Ein Grund könnte die recht isolierte Lage des Dorfs sein. „La Repubblica“schreibt: „Der Ort besteht aus einer Handvoll Häuser, die in den Hügeln nahe Palermo verloren gegangen sind. So verloren, dass nicht einmal Covid es finden konnte.“Die meisten Bürger leben von der Landwirtschaft, kaum einer arbeitet außerhalb. „Wir haben wenig Kontakt zur Außenwelt“, sagte Aldegheri zu „Palermo Today“.
Zudem sind die Infrastruktur und somit auch die Gefahr größerer Menschenansammlungen in Campofelice überschaubar: Der Ort hat einen kleinen Kindergarten und eine Grundschule mit zwei Klassen – beide zusammen betreuen um die 30 Kinder. Es gibt eine Bäckerei, eine Metzgerei, eine Bar und eine Pizzeria, die aber meist aber nur am Wochenende aufhat, berichtet „La Repubblica“. Kürzlich wurde ein Geldautomat aufgestellt – es ist die Top-Nachricht, wenn man online nach News aus Campofelice sucht.
Ein weiterer Grund könnte aber auch die Einstellung der Menschen sein: „Wir sind hier sehr vorsichtig, wir respektieren die Regeln, wir meiden Zusammenkünfte“, erklärt Aldegheri gegenüber „Palermo Today“. Selbst Weihnachten habe es keine größeren Treffen gegeben. Und überhaupt bleibt der Campofelicese an sich gern zu Hause: „Ausgangssperre um 22 Uhr? Hier im Ort kannst du schon um 19 Uhr im Schlafanzug rausgehen, wenn du willst. Da ist keiner mehr unterwegs“, so der Bürgermeister.
Seine Mitbürger seien einfach sehr folgsam gewesen – vermutlich aus Angst, schließlich seien die meisten älter als 65 Jahre. Aber auch die Jugend habe mitgezogen: „Früher fuhren sie in nahegelegene Städte, um dort die Abende oder ein paar Stunden Freizeit zu verbringen, aber jetzt nicht, die Sicherheit aller steht auf dem Spiel.“Angst sei eben eine gute Präventionsstrategie, so Aldegheri.
Apropos Angst: Die wächst beim Bürgermeister nun zunehmend. Denn die
meisten Regionen rund um Campofelice verzeichnen derzeit stark steigende Infektionszahlen. Die Inselhauptstadt Palermo etwa, die nur rund 50 Kilometer entfernt liegt, hat sich zum Hotspot entwickelt. 349 Neuinfektionen in 24 Stunden meldete die Region am Dienstag. Seit Wochen ist ganz Sizilien im italienischen Corona-Ampelsystem als „orange“oder „rot“eingestuft. Heißt: Ausgangssperre, Einzelhandel und Restaurants dicht, Kontaktbeschränkungen, kaum Präsenzunterricht in Schulen.
Das Problem: Weil Campofelice verwaltungstechnisch zu Palermo gehört, wurde auch das coronafreie Dorf „rot“eingestuft. Und der Lockdown gibt der lokalen Wirtschaft nun den „Todesstoß“, wie Aldegheri erzählte: „Drei unserer fünf Milchbetriebe haben zugemacht, ebenso die Bar und die Metzgerei. Schon vor Corona litten sie unter unserer isolierten Lage, die auch durch die katastrophalen Provinzstraßen bedingt ist. Jetzt können sie gar nichts mehr verkaufen, auch nicht an Einheimische.“
Aber: Etwas Hoffnung gibt es. Denn sein Ruf eilt Campofelice mittlerweile voraus, auch im Ausland hat man schon vom Corona-Geheimnis gehört. Eine Bewohnerin erzählt „La Repubblica“: „Ich habe eins meiner Häuser zur Auktion ins Internet gestellt und in nicht einmal 24 Stunden hatte ich zahlreiche Anfragen – sogar aus Texas!“Damit etwaige Neuankömmlinge auch weiter ein Covid-freies Dorf vorfinden, setzt der Bürgermeister auf zügige Impfungen. Denn auch wenn das Geheimnis, warum Campofelice bislang von der Pandemie verschont blieb, bislang ungeklärt ist – in Zukunft gebe es laut Aldegheri einen eindeutigen Weg, um coronafrei zu bleiben: Impfen!