HINRICHTUNG IM HINTERHOF
Die unglaubliche Geschichte eines Mafia-Mordes auf St. Pauli:
Die beiden Mafia-Killer reisten extra mit dem Flugzeug aus Sizilien an. Ihr Auftrag: Die „Ehre“eines Landsmanns in Hamburg wiederherstellen. Wenig später lag ihr Opfer röchelnd in einem düsteren Hinterhof an der Talstraße auf dem Kiez. Der Albaner war von fünf 38er Kugeln in Rücken und Nacken getroffen worden und starb innerhalb weniger Minuten.
Versicherungskaufmann sei er, beteuerte Daniele S. (33) 1994 vor Gericht. Sein Komplize Giovanni G. (30) erklärte, er sei Informatiker. Großes Kino! Tatsächlich waren beide seit frühester Jugend Mafia-Gangster und zwar von der allerschlimmsten Sorte. Für Geld taten sie alles, auch einen Menschen töten. Und genau das war ihr Auftrag in Hamburg.
Am 1. August 1993 stiegen sie in Palermo in ein Flugzeug und flogen nach Frankfurt. Von dort ging es mit dem Auto in die Hansestadt.
Salvatore L. brachte die beiden unter, stellte ihnen einen Dreier-BMW als Fluchtwagen zur Verfügung. Außerdem erklärte Salvatore L. dem Duo, wen sie ermorden und was beide dafür bekommen sollten: 60.000 Mark (30.000 Euro). Das Opfer war ein albanischer Einbrecher und Berufs-Spieler. Deswegen wurde Bari Berisha (34) im Milieu auch nur „Der Zocker“genannt.
In der Nacht zum 4. August 1993 verlässt Berisha seine Wohnung am Hans-Albers-Platz. Die beiden Killer sitzen in einer Bar gegenüber und folgen ihrem Opfer. Es ist kurz vor zwei Uhr, als „Der Zocker“in die Talstraße einbiegt. Als er den Hinterhof Hausnummer 91 betritt, folgen ihm die Killer. Berisha will wieder zocken, im düsteren Hinterhof befindet sich ein kurdischer „Kulturverein“. Doch stattdessen findet der Albaner den Tod.
Daniele S. feuert fünfmal mit einem Revolver. Anwohner hören die Schüsse und sie sehen die Täter in einen dunkelgrünen Dreier-BMW springen. Die Zeugen können trotz der Dunkelheit das Autokennzeichen notieren.
Die Polizei startet eine Großfahndung. In Schnelsen wird der Wagen gestellt und die Täter festgenommen. Auch ihr „Gastgeber“Salvatore L. wird gefasst.
Im Juli 1994 sitzt das Trio auf der Anklagebank des Hamburger Landgerichts. Verhandelt wird unter massivem Polizeischutz im Sicherheitstrakt. Einen Prozess gegen Auftragsmörder der Mafia gibt es in Hamburg nicht alle Tage.
Giovanni G. und Daniele S. versuchen es mit Märchen: „Wir sind nur nach Deutschland gekommen, um einen Gebrauchtwagen zu kaufen …“Die Richter glauben das natürlich nicht, sondern halten sich an die Beweise der Staatsanwaltschaft. Das Urteil: „lebenslänglich“für alle drei Angeklagten. Doch die genauen Hintergründe des Mordauftrags bleiben zunächst im Dunkeln.
Die Anwälte gehen in Revision und der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen Salvatore L. auf. 1996 wird dann erneut gegen den Italiener verhandelt und diesmal lässt der 39-Jährige von seiner Anwältin eine Erklärung verlesen. Demnach hätte er 1992 dem Opfer 60.000 Mark geliehen, die der dann beim „Babut“, einem türkischen Würfelspiel, verloren hatte. Und „Der Zocker“hätte keinerlei Anstalten gemacht, die Schulden zurückzuzahlen. Salvatore sei dann 1993 nach Sizilien gereist und hätte einen Jugendfreund um Hilfe gebeten. So sei dann der Kontakt zu den beiden Killern zustande gekommen. Dabei sollte aber Daniele S. (Spitzname „Der Boxer“) lediglich Druck auf den Schuldner ausüben, ihn aber nicht töten. Noch ein Märchen.
Und plötzlich kommt es zu einer überraschenden Wendung: Einer der Killer, „Der Boxer“Daniele S., meldet sich aus dem Knast und will nun auspacken. Gegenüber der Staatsanwältin erklärt der Sizilianer: „Ich habe zu Gott gefunden und bereue. Was wollen Sie wissen?“
Der Killer erklärt dann auch vor Gericht, dass es neben Salvatore L. noch einen weiteren Auftraggeber gegeben hatte. Ein Albaner war von dem „Zocker“beleidigt und mit einem Messer verletzt worden. Er tat sich mit Salvatore L. zusammen und beauftragte die Killer damit, den Mann, der ihre „Ehre“so beschmutzt hatte, zu liquidieren. Als der Albaner den Zeugen vor Gericht nach seiner belastenden Aussage als „Schweinehund“beschimpft, bricht der bekehrte Auftragsmörder in Tränen aus. Doch immer wieder schluchzend bleibt er bei seiner Aussage. Trotz eines Großaufgebots an Staranwälten wird daraufhin Salvatore L. 1996 er
neut zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der Mit-Auftraggeber bekommt zwölf Jahre Haft.
Wieder riefen die Anwälte den Bundesgerichtshof an. Doch Deutschlands oberstes Gericht bestätigt diesmal 1998 beide Urteile. Manchmal gilt die „Omertà“, das eiserne Gesetz des Schweigens bei der Mafia, eben nicht mehr.
Nächsten Samstag: Blutbad an der Mönckebergstraße