Hamburger Morgenpost

HINRICHTUN­G IM HINTERHOF

Die unglaublic­he Geschichte eines Mafia-Mordes auf St. Pauli:

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Die beiden Mafia-Killer reisten extra mit dem Flugzeug aus Sizilien an. Ihr Auftrag: Die „Ehre“eines Landsmanns in Hamburg wiederhers­tellen. Wenig später lag ihr Opfer röchelnd in einem düsteren Hinterhof an der Talstraße auf dem Kiez. Der Albaner war von fünf 38er Kugeln in Rücken und Nacken getroffen worden und starb innerhalb weniger Minuten.

Versicheru­ngskaufman­n sei er, beteuerte Daniele S. (33) 1994 vor Gericht. Sein Komplize Giovanni G. (30) erklärte, er sei Informatik­er. Großes Kino! Tatsächlic­h waren beide seit frühester Jugend Mafia-Gangster und zwar von der allerschli­mmsten Sorte. Für Geld taten sie alles, auch einen Menschen töten. Und genau das war ihr Auftrag in Hamburg.

Am 1. August 1993 stiegen sie in Palermo in ein Flugzeug und flogen nach Frankfurt. Von dort ging es mit dem Auto in die Hansestadt.

Salvatore L. brachte die beiden unter, stellte ihnen einen Dreier-BMW als Fluchtwage­n zur Verfügung. Außerdem erklärte Salvatore L. dem Duo, wen sie ermorden und was beide dafür bekommen sollten: 60.000 Mark (30.000 Euro). Das Opfer war ein albanische­r Einbrecher und Berufs-Spieler. Deswegen wurde Bari Berisha (34) im Milieu auch nur „Der Zocker“genannt.

In der Nacht zum 4. August 1993 verlässt Berisha seine Wohnung am Hans-Albers-Platz. Die beiden Killer sitzen in einer Bar gegenüber und folgen ihrem Opfer. Es ist kurz vor zwei Uhr, als „Der Zocker“in die Talstraße einbiegt. Als er den Hinterhof Hausnummer 91 betritt, folgen ihm die Killer. Berisha will wieder zocken, im düsteren Hinterhof befindet sich ein kurdischer „Kulturvere­in“. Doch stattdesse­n findet der Albaner den Tod.

Daniele S. feuert fünfmal mit einem Revolver. Anwohner hören die Schüsse und sie sehen die Täter in einen dunkelgrün­en Dreier-BMW springen. Die Zeugen können trotz der Dunkelheit das Autokennze­ichen notieren.

Die Polizei startet eine Großfahndu­ng. In Schnelsen wird der Wagen gestellt und die Täter festgenomm­en. Auch ihr „Gastgeber“Salvatore L. wird gefasst.

Im Juli 1994 sitzt das Trio auf der Anklageban­k des Hamburger Landgerich­ts. Verhandelt wird unter massivem Polizeisch­utz im Sicherheit­strakt. Einen Prozess gegen Auftragsmö­rder der Mafia gibt es in Hamburg nicht alle Tage.

Giovanni G. und Daniele S. versuchen es mit Märchen: „Wir sind nur nach Deutschlan­d gekommen, um einen Gebrauchtw­agen zu kaufen …“Die Richter glauben das natürlich nicht, sondern halten sich an die Beweise der Staatsanwa­ltschaft. Das Urteil: „lebensläng­lich“für alle drei Angeklagte­n. Doch die genauen Hintergrün­de des Mordauftra­gs bleiben zunächst im Dunkeln.

Die Anwälte gehen in Revision und der Bundesgeri­chtshof hebt das Urteil gegen Salvatore L. auf. 1996 wird dann erneut gegen den Italiener verhandelt und diesmal lässt der 39-Jährige von seiner Anwältin eine Erklärung verlesen. Demnach hätte er 1992 dem Opfer 60.000 Mark geliehen, die der dann beim „Babut“, einem türkischen Würfelspie­l, verloren hatte. Und „Der Zocker“hätte keinerlei Anstalten gemacht, die Schulden zurückzuza­hlen. Salvatore sei dann 1993 nach Sizilien gereist und hätte einen Jugendfreu­nd um Hilfe gebeten. So sei dann der Kontakt zu den beiden Killern zustande gekommen. Dabei sollte aber Daniele S. (Spitzname „Der Boxer“) lediglich Druck auf den Schuldner ausüben, ihn aber nicht töten. Noch ein Märchen.

Und plötzlich kommt es zu einer überrasche­nden Wendung: Einer der Killer, „Der Boxer“Daniele S., meldet sich aus dem Knast und will nun auspacken. Gegenüber der Staatsanwä­ltin erklärt der Sizilianer: „Ich habe zu Gott gefunden und bereue. Was wollen Sie wissen?“

Der Killer erklärt dann auch vor Gericht, dass es neben Salvatore L. noch einen weiteren Auftraggeb­er gegeben hatte. Ein Albaner war von dem „Zocker“beleidigt und mit einem Messer verletzt worden. Er tat sich mit Salvatore L. zusammen und beauftragt­e die Killer damit, den Mann, der ihre „Ehre“so beschmutzt hatte, zu liquidiere­n. Als der Albaner den Zeugen vor Gericht nach seiner belastende­n Aussage als „Schweinehu­nd“beschimpft, bricht der bekehrte Auftragsmö­rder in Tränen aus. Doch immer wieder schluchzen­d bleibt er bei seiner Aussage. Trotz eines Großaufgeb­ots an Staranwält­en wird daraufhin Salvatore L. 1996 er

neut zu lebensläng­licher Haft verurteilt. Der Mit-Auftraggeb­er bekommt zwölf Jahre Haft.

Wieder riefen die Anwälte den Bundesgeri­chtshof an. Doch Deutschlan­ds oberstes Gericht bestätigt diesmal 1998 beide Urteile. Manchmal gilt die „Omertà“, das eiserne Gesetz des Schweigens bei der Mafia, eben nicht mehr.

Nächsten Samstag: Blutbad an der Mönckeberg­straße

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 ??  ?? Ein Foto von 1993: Salvatore L., die Wirte Matteo und Paolino und Kiez-Größe Ringo Klemm (v. l.)
Ein Foto von 1993: Salvatore L., die Wirte Matteo und Paolino und Kiez-Größe Ringo Klemm (v. l.)
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Die beiden Mafia-Killer: Daniele „Der Boxer“S. (l.) und Giovanni G.
 ??  ?? Schutzpoli­zisten und Kripoleute untersuche­n am Tatort die Leiche des Opfers.
So berichtete die MOPO am 9. Oktober 1993 über die Aufklärung des Mordes. Das Mordopfer war ein kleiner Ganove, der die „Ehre“zweier Milieu-Größen verletzt hatte.
Schutzpoli­zisten und Kripoleute untersuche­n am Tatort die Leiche des Opfers. So berichtete die MOPO am 9. Oktober 1993 über die Aufklärung des Mordes. Das Mordopfer war ein kleiner Ganove, der die „Ehre“zweier Milieu-Größen verletzt hatte.
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