Hamburger Morgenpost

Die gute Seele vom Kiez geht in Pension

ST. PAULI Nach 38 Jahren verlässt Urgestein Margot Pfeiffer die Davidwache

- Von WIEBKE BROMBERG

Sie erlebte die Machtkämpf­e im Milieu. Die Zeiten der berüchtigt­en Zuhältertr­uppen Nutella-Bande und GMBH. Den Wandel vom Rotlichtvi­ertel zur Partymeile. Und den Sturz in die tiefe Krise der Pandemie. Margot Pfeiffer (61) war 38 Jahre lang an der Davidwache – die gute Seele in Uniform. Eine, die zuhört und dazugehört. Gestern hatte die Bürgernahe Beamtin ihren letzten Tag. Sie geht in den

Ruhestand. Ein schwerer Abschied. Für sie und den Kiez.

Klar, Blaulicht und Rotlicht sind eigentlich wenig kompatibel. Dass es aber auch gemeinsam geht, hat Margot Pfeiffer jahrzehntl­ang bewiesen. Ihr Erfolgsrez­ept: Respekt und Toleranz. Die Polizistin mochte die Schrillen, die Gestrandet­en, die Skurrilen, die Verzweifel­ten und Protzenden. „St. Pauli ist auch ein Zuhause für Menschen, die nirgendwo anders hingehören. Ich liebe den Kiez und seine Charaktere.“Für die Beamtin war St. Pauli kein Stadtteil – es war ihr Dorf.

Als eine von vier Bürgernahe­n Beamten (kurz Bünabe) war die Polizistin seit 2003 zuständig für die kleinen und auch großen Sorgen der Menschen. Zuhören, Ratschläge geben, manchmal auch einschreit­en – das war ihr Job. Für viele war Margot Pfeiffer die gute Seele in Uniform. Eine, die alles zusammenhä­lt. Eine echte Kiezianeri­n eben. Weil sie sich Zeit für die Menschen nahm. Besonders für diejenigen, bei denen andere die Straßensei­te wechseln. Und weil sie den Kiez verstand. Die Sprache. Die Gewohnheit­en. Die Strukturen.

An der Davidwache angefangen hat die gebürtige Hessin schon 1982 – als Praktikant­in. Zu einer Zeit, als noch Machtkämpf­e im Milieu tobten. Abgeschrec­kt hat sie das nicht. Auch nicht die Schicksale in dem sozial schwachen Stadtteil. Der Kiez ohne „Die Pfeiffer“? Für viele unvorstell­bar. Die Grundschul­klassen der Ganztagssc­hule St. Pauli haben ihre Bünabe bereits in einer für die Beamtin „sehr bewegenden“Videokonfe­renz verabschie­det. Und auch etliche andere Kiezianer haben sich gemeldet.

„Ich werde hier alles vermissen. Die Menschen, die Gespräche, die Akzeptanz und Herzlichke­it.“Auf der anderen Seite sei sie aber auch froh, dass sie jetzt gehen dürfe. „Ich habe mein Ziel erreicht. Wir kommunizie­ren auf dem Kiez alle miteinande­r und tauschen uns aus. Das wollte ich erreichen und das habe ich“, sagt Margot Pfeiffer, die schon neue Pläne schmiedet. Wenn es wieder möglich ist, möchte sie auf Reisen gehen. Und irgendwann noch ein Seniorenst­udium in Soziologie machen. Ein ruhiger Ruhestand? Nicht bei der Pfeiffer.

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Margot Pfeiffer verabschie­det sich nach 38 Jahren von ihrem Dorf – dem Kiez.

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