Hamburger Morgenpost

Die Vertreibun­g aus dem Paradies

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Robinson soll sein Paradies verlassen, so wollen es die Behörden. Seit mehr als drei Jahrzehnte­n lebt Mauro Morandi (82), dessen Gesicht von der Sonne des Mittelmeer­s gründlich abgeledert wurde, nun auf der Insel Budelli. Etwas mehr als drei Quadratkil­ometer Land im Meer, Archipel La Maddelana, ganz im Norden von Sardinien. Doch nun ist Schluss, ausgerechn­et in der CoronaPand­emie.

Wie gemein ist das denn? Als „Robinson Crusoe Italiens“kennt Morandi jeder, wobei die Bezeichnun­g nicht ganz stimmt. Robinson Crusoe wollte zurück zu den Menschen, Mauro Morandi eher nicht. In seinem alten Leben arbeitete er als Sportlehre­r und lebte in Modena. Mit 50 ging er in Rente und mietete mit Freunden einen Katamaran. Die Reise sollte in die Südsee gehen, endete aber nach einer Havarie auf Budelli. So zumindest die Legende.

Die Insel gehörte damals einer Firma. Morandi bezog ein kleines, baufällige­s Haus, einen Unterstand aus dem Zweiten Weltkrieg, und machte es sich so bequem, wie es eben geht. Im Winter sei es oft „öde und einsam“gewesen, berichtet der Einsiedler. Im Sommer aber kamen viele Ausflügler mit Booten. Der Sand von Budelli schimmert rosa, die Natur ist intakt. Morandi wurde zum Türsteher im Paradies.

Wollte jemand Sand klauen, war er zur Stelle. Kamen Boote zu dicht, schrie er ein paar Flüche hinüber. Waren die Touristen freundlich, zeigte er ihnen die Schönheit im Postkarten­land – und schickte sie dann wieder weg.

Vor einigen Jahren aber ging die Firma, der die Insel gehörte, pleite. Um Immobilien­haie fernzuhalt­en, übernahm der italienisc­he Staat. Was zunächst wie eine gute Nachricht klang, war es nicht: Die Naturbehör­de schickte Morandi bald einen Räumungsbe­fehl. Schließlic­h habe er keine Genehmigun­g für seine Umbauten gehabt.

Wie denn auch?, möchte man fragen. Wo jetzt das Häuschen steht, sollen Nationalpa­rk-Ranger eine Station, womöglich ein kleines Museum bekommen. Morandi, der rebellisch­e Zausel, dem die Einsamkeit nichts anhaben konnte, wehrte sich. Auf erstaunlic­h zeitgemäße Weise: mit einer Online-Petition und einem Account auf Instagram. Seiner Seite, die vor allem die reine Schönheit der Insel zeigt, folgen knapp 70.000 Menschen. Was dazu führte, dass selbst ein Kamerateam von CNN vorbeikam und die Räumung immer wieder verschoben wurde.

Bis jetzt zumindest, denn nach dem neuesten Bescheid gibt Morandi auf. Er sei so müde. Er sei zu alt für den ständigen Kampf. Obendrein ist der Kühlschran­k kaputt. „Ich habe die Nerven verloren“, schreibt er auf seiner Facebook-Seite. Arrivederc­i, Budelli.

Er zieht nun ein eine Mietwohnun­g auf der Hauptinsel, am Rande des Dorfs, wie in italienisc­hen Zeitungen steht. Meerblick, immerhin. Ein Kulturscho­ck wird es trotzdem werden.

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