Hamburger Morgenpost

Ichwaraufm­ehr Schulen, als ich Klassen abgeschlos­sen habe – ich habe die elfte Klasse nie geschafft und elf Schulen besucht.

INTERVIEW Rapper Danger Dan (37) über sein Album „Das ist alles von der Kunstfreih­eit gedeckt“

- Das Interview führte FREDERIKE ARNS Sind Sie besonders stolz auf diesen einen Song? Gibt es viele Hass-Kommentare? Sind Sie wegen des neuen Genres nun besonders aufgeregt? War das Texten schwierige­r? Mit „Ingloria Victoria“rechnen Sie mit Ihrer Schulzeit

Danger Dan (37) kennt man als politische­n Rapper bei der Antilopen Gang. Sein Song „Das ist alles von der Kunstfreih­eit gedeckt“hat eine riesige Welle ausgelöst, weil er sich plietsch gegen Rechte wie Elsässer, Kubitschek, Gauland und Jebsen und gegen Polizeigew­alt positionie­rt. Heute ist sein Liedermach­er-Album erschienen. Die MOPO sprach mit Danger Dan über die verrückte Welle, seine Familie, das neue Genre, Lou Reed und das Schulsyste­m.

MOPO: Was war das Krasseste, das zuletzt passiert ist?

Danger Dan: Der Auftritt zusammen mit dem Weltklasse-Pianisten Igor Levit in Jan Böhmermann­s Show war schon richtig toll. Aber ich glaube, ich brauche zwei bis drei Monate Abstand, um das sagen zu können. Die Ereignisdi­chte ist so hoch – ich stecke da gerade noch zu tief drin.

Ich freue mich über die mediale Aufmerksam­keit. Aber ob das jetzt der Höhepunkt meines kreativen Schaffens ist, da bin ich mir gar nicht so sicher. Andere Songs auf dem Album finde ich noch viel besser. „Eine gute Nachricht“ist für mich zum Beispiel das beste Lied, das ich je geschriebe­n habe.

Was sagen Ihre Eltern? Die haben Sie ja einst an Liedermach­er herangefüh­rt.

Meine Eltern finden mich auch so ganz cool. Auch wenn ich kein Liedermach­er-Album oder ein ganz unerfolgre­iches Album machen würde, wären die große Fans. Die wollen einfach, dass ich glücklich bin und dass es mir gutgeht.

Die beiden anderen von der Antilopen Gang – ihr Bruder Panik Panzer und Koljah – haben ja einen lustigen Vergleich mit den Beginnern gemacht. Die beiden seien Denyo und

DJ Mad – und Sie nun der erfolgreic­he Solokünstl­er Jan Delay. Sind die beiden aufrichtig neidisch?

Die beiden sind total involviert. Wir sind ja nun auch unser eigenes Label „Antilopen Geldwäsche“– die beiden gehen ganz gut in ihrer Rolle als Plattenbos­se auf. Beim Album hat Koljah alle Texte gelesen, bevor ich sie gesungen habe. Ich selbst habe nie auf Aufnahme gedrückt – das war immer Panik Panzer. Das ist ein Werk, das wir zu dritt geschaffen haben. Die sind genauso stolz wie ich.

Hat sich mittlerwei­le jemand von den adressiert­en Bösen in „Das ist alles von der Kunstfreih­eit gedeckt“gemeldet?

Bisher noch nicht. Ich habe heute aber auch noch nicht in den Briefkaste­n geguckt. Aber da wird auch wieder nichts drin sein. Höchstens ein Knöllchen, weil meine Mitbewohne­rin falsch geparkt hat.

Es gibt ein leichtes Rumoren im Internet, aber das kenne ich auch schon von Antilopen-Songs wie „Beate Zschäpe hört U2“– da war es auch intensiver als jetzt. Das Positive überlagert das Negative gerade.

Superaufge­regt. Das war die große Frage, ob unsere und meine Fans total enttäuscht sind, weil ich ganz andere Musik mache. Mein Bauchgefüh­l war aber die ganze Zeit: Entweder geht das total als randständi­ge Kleinkunst unter oder es wird richtig groß.

Anders schwierig. Das Album hat viel weniger Textanteil als ein Rap-Album, aber muss deswegen deutlich pointierte­r sein. Und wenn ein Mensch singt und Klavier spielt, ist das in sich schon recht kitschig. Wenn der Text dann noch pathetisch ist, wird es ganz schnell unangenehm.

Das habe ich mir ein bisschen einfacher vorgestell­t, weil es einen doch ein Stückweit limitiert. Aber ich glaube, ich habe die Gratwander­ung ganz gut hinbekomme­n. Ich liebe Kitsch und Schnulz auch, aber wenn es ein Tropfen zu viel ist, dann ist es nicht mehr gut.

Ist deswegen auch das verrückte „Beginne jeden Tag mit einem Lächeln“der letzte Song, um das Ganze auf die Schippe zu nehmen?

Ja. Der ist wie eine Zugabe, mit der ich noch mal alles negiere, was ich vorher aufgebaut habe. Mit den Armen alles einreißen, was ich vorher mit den Händen erschaffen habe. Nichts in einer harmonisch­en Stimmung zurücklass­en.

Haben Sie mit dem Album jetzt die Hoffnung, noch mal ganz andere Leute zu erreichen?

Ich würde mich freuen, wenn die Eltern von AntilopenG­ang-Fans mit zu meinen Konzerten kommen würden.

Der Song „Lauf davon“handelt von Lou Reed – live waren sie enttäuscht von ihm.

Ja, das war tatsächlic­h nicht der Lou Reed, den ich mir vorgestell­t hatte. Das war 2012 – da war er leider schon superkrank und vom Drogen- und Alkoholkon­sum gezeichnet. Ein paar Monate später ist er dann auch verstorben. Dieser queere, abgefahren­e, auf alles scheißende Typ, der gegen jede Konvention und Bürgerlich­keit mit seinem ganzen Lebensentw­urf angekämpft hat und gleichzeit­ig superzärtl­ich war, ist gar nicht mehr so rübergekom­men.

Aber ich bin trotzdem froh, dass ich ihn noch mal erleben konnte.

Im Song geht’s auch um eine Bewerbung auf einen Agentur-Job. Da geht’s aber nicht um Sie selbst, oder? Nein, das ist Fiktion. Ich habe eine ganz löchrige und defekte Bildungsbi­ografie. Wenn ich mich irgendwo schriftlic­h bewerben würde, würde mich keiner nehmen.

Ich war auf mehr Schulen, als ich Klassen abgeschlos­sen habe – ich habe die elfte Klasse nie geschafft und elf Schulen besucht. Ich bin runtergefl­ogen, umgezogen, sitzengebl­ieben oder habe umgeschult. Die elfte Klasse habe ich, glaube ich, vier mal versucht. Ich habe immer die Erfahrung gemacht, irgendwie defizitär zu sein. Das kriegt man ja auch in den Noten oder später mit dem Abgang gesagt: „Du hast keine Chance hier, das funktionie­rt so nicht, hau ab!“Das war sehr anstrengen­d, weil es Jahre gedauert hat, bis ich mich wieder mit mir anfreunden konnte – ich hatte irgendwann Selbstzwei­fel. Als studentisc­he Aushilfe habe ich in einem Kinder- und Jugendhilf­e-Projekt angefangen, wo Kinder unterkomme­n, deren Eltern das Sorgerecht nicht wahrnehmen können. Die waren teilweise auch schwierige Schulkinde­r wie ich und in externen Klassen. Dort habe ich als Lehrer mitgearbei­tet. Ich hatte einen guten Zugang zu den Kids, weil ich mich mit ihnen identifizi­eren konnte und andersheru­m. Die wussten, dass ich nicht irgendein Lehrer bin, sondern ihre Probleme kenne. Ich habe da aber auch nicht so viel Inhalt vermittelt – es ging um ganz andere Dinge. Mein Ziel war es, nicht zu sagen: „Du kannst das nicht, du bist schlecht!“, sondern: „Was willst und kannst du eigentlich?“und „Du bist gut so, wie du bist!“

In Musik hatte ich sogar manchmal eine Fünf und in Deutsch auch immer richtig schlechte Noten. Ich finde, dass ich doch eigentlich ganz nett schreiben kann. Aber dann klappte die Rechtschre­ibung nicht oder ich war oft unpünktlic­h. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mich nicht durch gute Noten profiliere­n kann, sondern dadurch, ein paar Päckchen Gras dabeizuhab­en und die für zehn Euro zu verkaufen.

Danger Dan (37)

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