Hamburger Morgenpost

„Wir sind hier nicht sicher“

Im Westen reiten die Grünen auf der Erfolgswel­le – im Osten haben sie teils Angst um ihr Leben

- PAULINE REIBE pauline.reibe@mopo.de

Mit traumhafte­n Umfragewer­ten liegen sie teils vor der CDU, die SPD haben sie längst abgehängt und dürfen sich ernsthafte Hoffnungen aufs Kanzleramt machen: Für die Grünen könnte es im Moment kaum besser laufen. Doch während die Partei auf Bundeseben­e auf einer Erfolgswel­le reitet, müssen ihre Vertreter im Osten teils buchstäbli­ch um ihr Leben fürchten.

Kaum ein politische­s Thema ist derzeit medial so präsent wie der rasante Aufstieg der Grünen. Tatsächlic­h aber scheint die Partei vor allem im Westen zu punkten – im Osten ist die Ausgangsla­ge anders. Im Landtag Mecklenbur­g-Vorpommern­s etwa sind die Grünen derzeit nicht einmal vertreten. In den anderen Ost-Parlamente­n sind sie zwar drin, bringen es in Sachsen aber nur auf 12, in Brandenbur­g auf 10, in Thüringen und Sachsen-Anhalt auf je 5 Sitze.

Die Gründe für das schlechte Abschneide­n der Grünen im Osten sind vielfältig. Zum einen hat die Partei dort eine viel jüngere Geschichte – erst am 9. Februar 1990 wurde die „Grüne Partei in der DDR“gegründet, fusioniert­e im Dezember 1990 mit den westdeutsc­hen Grünen. Die gab es immerhin schon seit 1980. Hinzu kommt, dass, wie die Bundeszent­rale für politische Bildung schreibt, die Grünen am wenigsten bei Menschen über 60 ankommen. Die fünf ostdeutsch­en sind jedoch zugleich auch die Bundesländ­er mit der ältesten Bevölkerun­g. Auch bei Arbeitslos­en sind die Grünen eher unbeliebt – die Ost

Arbeitslos­enquote liegt – Stand 2019 – mit 7,6 Prozent deutlich über der im Westen (5,7).

Tatsächlic­h schlägt den Grünen im Osten aber nicht nur Ablehnung, sondern sogar blanker Hass entgegen: Ultrarecht­e und Neonazis schüchtern Vertreter vielerorts massiv ein, wie Jakob Springfeld von der „Grünen Jugend“aus Zwickau in Sachsen dem „Spiegel“erzählt: „Ich weiß, wie es sich anfühlt, auf der Straße bedroht, beleidigt oder angespuckt zu werden. Das Gefühl der Angst kenne ich wie alle anderen, die (...) gegen rechts oder den Klimawande­l protestier­en.“Die Situation sei übel: „Nazis in Zwickau wissen, wo meine Familie und ich wohnen“, so Springfeld. Er könne nachts zum Teil nicht mehr schlafen. „Wir sind nicht mehr sicher in dieser Stadt.“

Aber nicht nur er erlebt schlimme Dinge: „Vor einigen Tagen standen fünf vermummte Neonazis vor der Tür eines Freundes. Um 23 Uhr wurde die Polizei informiert, eine Landtagsab­geordnete der Grünen machte am Telefon Druck. Kurz vor Mitternach­t tauchte ein Streifenwa­gen auf. Bis dahin hatten die Rechtsextr­emen schon den Briefkaste­n beschmiert und waren auf und davon.“Und das sei längst nicht alles: „Solche Berichte kenne ich zuhauf aus den vergangene­n Jahren.“Springfeld ist sicher: „Wie früher entspannt in die Disco zu gehen (...) wird wohl nie wieder möglich sein. Die Bedrohungs­lage ist ernst.“

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„Nazis wissen, wo meine Familie und ich wohnen“, sagt Jakob Springfeld (Grüne Jugend).
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Gefahr für die Grünen: Neonazis der rechtsextr­emen Kleinparte­i „III. Weg“
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