„Wir sind hier nicht sicher“
Im Westen reiten die Grünen auf der Erfolgswelle – im Osten haben sie teils Angst um ihr Leben
Mit traumhaften Umfragewerten liegen sie teils vor der CDU, die SPD haben sie längst abgehängt und dürfen sich ernsthafte Hoffnungen aufs Kanzleramt machen: Für die Grünen könnte es im Moment kaum besser laufen. Doch während die Partei auf Bundesebene auf einer Erfolgswelle reitet, müssen ihre Vertreter im Osten teils buchstäblich um ihr Leben fürchten.
Kaum ein politisches Thema ist derzeit medial so präsent wie der rasante Aufstieg der Grünen. Tatsächlich aber scheint die Partei vor allem im Westen zu punkten – im Osten ist die Ausgangslage anders. Im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns etwa sind die Grünen derzeit nicht einmal vertreten. In den anderen Ost-Parlamenten sind sie zwar drin, bringen es in Sachsen aber nur auf 12, in Brandenburg auf 10, in Thüringen und Sachsen-Anhalt auf je 5 Sitze.
Die Gründe für das schlechte Abschneiden der Grünen im Osten sind vielfältig. Zum einen hat die Partei dort eine viel jüngere Geschichte – erst am 9. Februar 1990 wurde die „Grüne Partei in der DDR“gegründet, fusionierte im Dezember 1990 mit den westdeutschen Grünen. Die gab es immerhin schon seit 1980. Hinzu kommt, dass, wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt, die Grünen am wenigsten bei Menschen über 60 ankommen. Die fünf ostdeutschen sind jedoch zugleich auch die Bundesländer mit der ältesten Bevölkerung. Auch bei Arbeitslosen sind die Grünen eher unbeliebt – die Ost
Arbeitslosenquote liegt – Stand 2019 – mit 7,6 Prozent deutlich über der im Westen (5,7).
Tatsächlich schlägt den Grünen im Osten aber nicht nur Ablehnung, sondern sogar blanker Hass entgegen: Ultrarechte und Neonazis schüchtern Vertreter vielerorts massiv ein, wie Jakob Springfeld von der „Grünen Jugend“aus Zwickau in Sachsen dem „Spiegel“erzählt: „Ich weiß, wie es sich anfühlt, auf der Straße bedroht, beleidigt oder angespuckt zu werden. Das Gefühl der Angst kenne ich wie alle anderen, die (...) gegen rechts oder den Klimawandel protestieren.“Die Situation sei übel: „Nazis in Zwickau wissen, wo meine Familie und ich wohnen“, so Springfeld. Er könne nachts zum Teil nicht mehr schlafen. „Wir sind nicht mehr sicher in dieser Stadt.“
Aber nicht nur er erlebt schlimme Dinge: „Vor einigen Tagen standen fünf vermummte Neonazis vor der Tür eines Freundes. Um 23 Uhr wurde die Polizei informiert, eine Landtagsabgeordnete der Grünen machte am Telefon Druck. Kurz vor Mitternacht tauchte ein Streifenwagen auf. Bis dahin hatten die Rechtsextremen schon den Briefkasten beschmiert und waren auf und davon.“Und das sei längst nicht alles: „Solche Berichte kenne ich zuhauf aus den vergangenen Jahren.“Springfeld ist sicher: „Wie früher entspannt in die Disco zu gehen (...) wird wohl nie wieder möglich sein. Die Bedrohungslage ist ernst.“