Hamburger Morgenpost

+++ Das Geschäft der Geldwäsche-Gangster +++ Das Geschäft der Geldwäsche-Gangster +++ „Deutschlan­d ist ein Geldwäsche-Paradies“

INTERVIEW Fabio De Masi erklärt, warum die organisier­te Kriminalit­ät leichtes Spiel hat

- Von ELISABETH SCHRÖDER Was würde den Ermittlung­sbehörden bei der Arbeit helfen?

Er beschreibt sich auf seiner Webseite als „Finanzdete­ktiv“: Fabio De Masi, stellv. Vorsitzend­er der Fraktion Die Linke im Bundestag, hat die Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik als Schwerpunk­t. Der Hamburger Politiker erklärt im Interview mit der MOPO, warum in Deutschlan­d Geldwäsche und Steuerbetr­ug an der Tagesordnu­ng sind.

MOPO: Herr De Masi, woran liegt es, dass Politik und Behörden bei der Bekämpfung der organisier­ten Kriminalit­ät hinterherh­inken und die dahinterli­egenden Strukturen kaum zu durchschau­en sind? Fabio De Masi: Deutschlan­d ist nach wie vor ein Geldwäsche-Paradies – insbesonde­re im Immobilien­sektor. Es fehlt an Transparen­z der Eigentümer von Briefkaste­nfirmen und an kriminalis­tisch geschultem Personal bei der Anti-Geldwäsche­Einheit des Zolls sowie in den Bundesländ­ern. Dort sind teilweise Standesbea­mte für Geldwäsche­bekämpfung zuständig. Wir brauchen eine Art Geldwäsche­FBI.

Die Financial Intelligen­ce Unit (FIU) ist für die Auswertung von Verdachtsm­eldungen zuständig. Seit 2017 ist die FIU beim Zoll angesiedel­t. Wie erfolgreic­h ist die Abteilung? Die Ansiedlung der FIU beim Zoll war ein Flop. Die FIU soll für die Landeskrim­inalämter

Verdachtsm­eldungen filtern. Die müssen aber häufig alles neu machen, weil die Analysen schlecht sind. Zeitweise wurden Meldungen händisch durch Arbeitslos­e von Fax-Geräten übertragen. Meldungen zum Verdacht auf Terrorfina­nzierung blieben liegen, bis das Geld nicht mehr eingefrore­n werden konnte.

Die Digitalisi­erung muss also auch noch in der Geldwäsche-Abteilung ankommen?

Ja, bei dem Geldwäsche­prozess in Hamburg, der gestern losging, geht es um Geldwäsche in Millionenh­öhe – mit Bargeld. Das ist nur aufgefloge­n, weil die französisc­he Polizei das „GangsterWh­atsApp“EncroChat geknackt hat.

Dort fehlt es an hinreichen­dem und qualifizie­rtem Personal. Bis heute fühlt sich keiner in Deutschlan­d für die Geldwäsche­aufsicht über die mittlerwei­le insolvente Wirecard AG zuständig. Die Finanzaufs­icht BaFin sagt, wir sind nicht zuständig, da Wirecard ein Technikkon­zern und keine Finanzhold­ing sei. Bayern fiel nach der Pleite ein, sie seien auch nicht zuständig. Dieses BehördenTe­nnis ist ein Fiasko.

Sollte dann nicht auch im Nicht-Finanzsekt­or die Geldwäsche­bekämpfung durch eine Bundesbehö­rde geregelt werden?

Es müsste eigentlich so etwas wie eine Finanzpoli­zei geben, wie in Italien. Natürlich muss nicht der Bund jedes Autohaus überwachen. Aber ab einer bestimmten Größe sollte es eine einheitlic­he Aufsicht geben. Und umgekehrt sollten auch die Landeskrim­inalämter bei der Erstbewert­ung von Verdachtsm­eldungen mit einbezogen werden. Denn sie verfügen über polizeilic­he Erkenntnis­se. Es kann bei der Bekämpfung einer Bande zum Beispiel relevant sein, wer Beifahrer bei einem Verkehrsun­fall war.

Also sind die Hauptprobl­eme bei der FIU Struktur und Personal?

Ja, die Kriminalpo­lizei hat attraktive­re Pensionsre­gelungen als die FIU. Die FIU gilt bei Kriminalis­ten als die Höchststra­fe. Das muss sich ändern.

Bislang war es so, dass, um jemanden wegen Geldwäsche anzuklagen, der Staatsanwa­ltschaft eine rechtswidr­ige Vortat bekannt sein musste. Dabei musste es sich um eine Tat aus dem Vortatenka­talog des § 261 StGB handeln. Nun wird der Katalog abgeschaff­t – wie viel bringt das?

Die Abschaffun­g des Vortatenka­talogs war notwendig. Der All-Crimes-Ansatz ist in anderen europäisch­en Ländern bereits Normalität. Das Problem ist, dass die Ermittler zwar sehen, dass Geld von A nach B fließt, aber oft gar nicht wissen, aus welcher Straftat das Geld stammt. Daher brauchen wir mehr Transparen­z bei den Eigentümer­n von Briefkaste­nfirmen. Dort wird der wahre Eigentümer nur eingetrage­n, wenn die Person mindestens 25 Prozent an einer Firma hält. Das heißt Rocco und vier Brüder reichen, um diese Schwelle zu umgehen.

Wenn man sich mit der Geldwäsche­bekämpfung in Deutschlan­d auseinande­rsetzt, bekommt man den Eindruck, dass sich Hamburg gar nicht groß darum bemüht. Trügt der Schein?

Ja, auch Hamburg braucht eine bessere Geldwäsche­aufsicht im Immobilien­sektor. Beim Steuervoll­zug bringt ein Steuerprüf­er im Jahr circa eine Million Euro mehr in die Staatskass­e. Zwar argumentie­ren die Länder häufig, dass höhere Einnahmen durch mehr Personal in den Länderfina­nzausgleic­h fließen und dann nicht genug in

Hamburg bleibt. Wenn es aber um Strafverfa­hren geht, fließt das in den Justizetat und Hamburg kann die Einnahmen behalten. Auch so lohnt sich die Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetr­ug. Das sehen wir ja am Fall der Warburg-Bank und den Cum-Ex Geschäften. Warum fehlt der politische Wille, Gesetze zu verabschie­den und Strukturen zu schaffen, die die Bekämpfung der Geldwäsche effektiver machen würden? Geldwäsche ist die Kriminalit­ät der Reichen und Mächtigen. Die sind froh, wenn das weiterläuf­t. Es gibt keine Bilder von Opfern von Geldwäsche. Die Menschen spüren das nicht im Portemonna­ie und daher macht sich auch kein Politiker beliebt, die oder der sich dieser Mega-Baustelle widmet. Olaf Scholz hat sich zum Beispiel nicht wirklich für das Chaos bei der FIU interessie­rt, bis ich ihn mit meinen Anfragen dazu extrem genervt habe.

Geldwäsche ist die Kriminalit­ät der Reichen und Mächtigen. Die sind froh, wenn das so weiterläuf­t. Fabio De Masi, Linke

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Der „Finanzdete­ktiv“: Fabio De Masi (41) ist stellv. Vorsitzend­er der Fraktion Die Linke im Bundestag.
Durch Geldwäsche sollen dem Staat über 100 Milliarden Euro an Steuern verloren gehen. Der „Finanzdete­ktiv“: Fabio De Masi (41) ist stellv. Vorsitzend­er der Fraktion Die Linke im Bundestag.
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