+++ Das Geschäft der Geldwäsche-Gangster +++ Das Geschäft der Geldwäsche-Gangster +++ „Deutschland ist ein Geldwäsche-Paradies“
INTERVIEW Fabio De Masi erklärt, warum die organisierte Kriminalität leichtes Spiel hat
Er beschreibt sich auf seiner Webseite als „Finanzdetektiv“: Fabio De Masi, stellv. Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Bundestag, hat die Wirtschafts- und Finanzpolitik als Schwerpunkt. Der Hamburger Politiker erklärt im Interview mit der MOPO, warum in Deutschland Geldwäsche und Steuerbetrug an der Tagesordnung sind.
MOPO: Herr De Masi, woran liegt es, dass Politik und Behörden bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität hinterherhinken und die dahinterliegenden Strukturen kaum zu durchschauen sind? Fabio De Masi: Deutschland ist nach wie vor ein Geldwäsche-Paradies – insbesondere im Immobiliensektor. Es fehlt an Transparenz der Eigentümer von Briefkastenfirmen und an kriminalistisch geschultem Personal bei der Anti-GeldwäscheEinheit des Zolls sowie in den Bundesländern. Dort sind teilweise Standesbeamte für Geldwäschebekämpfung zuständig. Wir brauchen eine Art GeldwäscheFBI.
Die Financial Intelligence Unit (FIU) ist für die Auswertung von Verdachtsmeldungen zuständig. Seit 2017 ist die FIU beim Zoll angesiedelt. Wie erfolgreich ist die Abteilung? Die Ansiedlung der FIU beim Zoll war ein Flop. Die FIU soll für die Landeskriminalämter
Verdachtsmeldungen filtern. Die müssen aber häufig alles neu machen, weil die Analysen schlecht sind. Zeitweise wurden Meldungen händisch durch Arbeitslose von Fax-Geräten übertragen. Meldungen zum Verdacht auf Terrorfinanzierung blieben liegen, bis das Geld nicht mehr eingefroren werden konnte.
Die Digitalisierung muss also auch noch in der Geldwäsche-Abteilung ankommen?
Ja, bei dem Geldwäscheprozess in Hamburg, der gestern losging, geht es um Geldwäsche in Millionenhöhe – mit Bargeld. Das ist nur aufgeflogen, weil die französische Polizei das „GangsterWhatsApp“EncroChat geknackt hat.
Dort fehlt es an hinreichendem und qualifiziertem Personal. Bis heute fühlt sich keiner in Deutschland für die Geldwäscheaufsicht über die mittlerweile insolvente Wirecard AG zuständig. Die Finanzaufsicht BaFin sagt, wir sind nicht zuständig, da Wirecard ein Technikkonzern und keine Finanzholding sei. Bayern fiel nach der Pleite ein, sie seien auch nicht zuständig. Dieses BehördenTennis ist ein Fiasko.
Sollte dann nicht auch im Nicht-Finanzsektor die Geldwäschebekämpfung durch eine Bundesbehörde geregelt werden?
Es müsste eigentlich so etwas wie eine Finanzpolizei geben, wie in Italien. Natürlich muss nicht der Bund jedes Autohaus überwachen. Aber ab einer bestimmten Größe sollte es eine einheitliche Aufsicht geben. Und umgekehrt sollten auch die Landeskriminalämter bei der Erstbewertung von Verdachtsmeldungen mit einbezogen werden. Denn sie verfügen über polizeiliche Erkenntnisse. Es kann bei der Bekämpfung einer Bande zum Beispiel relevant sein, wer Beifahrer bei einem Verkehrsunfall war.
Also sind die Hauptprobleme bei der FIU Struktur und Personal?
Ja, die Kriminalpolizei hat attraktivere Pensionsregelungen als die FIU. Die FIU gilt bei Kriminalisten als die Höchststrafe. Das muss sich ändern.
Bislang war es so, dass, um jemanden wegen Geldwäsche anzuklagen, der Staatsanwaltschaft eine rechtswidrige Vortat bekannt sein musste. Dabei musste es sich um eine Tat aus dem Vortatenkatalog des § 261 StGB handeln. Nun wird der Katalog abgeschafft – wie viel bringt das?
Die Abschaffung des Vortatenkatalogs war notwendig. Der All-Crimes-Ansatz ist in anderen europäischen Ländern bereits Normalität. Das Problem ist, dass die Ermittler zwar sehen, dass Geld von A nach B fließt, aber oft gar nicht wissen, aus welcher Straftat das Geld stammt. Daher brauchen wir mehr Transparenz bei den Eigentümern von Briefkastenfirmen. Dort wird der wahre Eigentümer nur eingetragen, wenn die Person mindestens 25 Prozent an einer Firma hält. Das heißt Rocco und vier Brüder reichen, um diese Schwelle zu umgehen.
Wenn man sich mit der Geldwäschebekämpfung in Deutschland auseinandersetzt, bekommt man den Eindruck, dass sich Hamburg gar nicht groß darum bemüht. Trügt der Schein?
Ja, auch Hamburg braucht eine bessere Geldwäscheaufsicht im Immobiliensektor. Beim Steuervollzug bringt ein Steuerprüfer im Jahr circa eine Million Euro mehr in die Staatskasse. Zwar argumentieren die Länder häufig, dass höhere Einnahmen durch mehr Personal in den Länderfinanzausgleich fließen und dann nicht genug in
Hamburg bleibt. Wenn es aber um Strafverfahren geht, fließt das in den Justizetat und Hamburg kann die Einnahmen behalten. Auch so lohnt sich die Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug. Das sehen wir ja am Fall der Warburg-Bank und den Cum-Ex Geschäften. Warum fehlt der politische Wille, Gesetze zu verabschieden und Strukturen zu schaffen, die die Bekämpfung der Geldwäsche effektiver machen würden? Geldwäsche ist die Kriminalität der Reichen und Mächtigen. Die sind froh, wenn das weiterläuft. Es gibt keine Bilder von Opfern von Geldwäsche. Die Menschen spüren das nicht im Portemonnaie und daher macht sich auch kein Politiker beliebt, die oder der sich dieser Mega-Baustelle widmet. Olaf Scholz hat sich zum Beispiel nicht wirklich für das Chaos bei der FIU interessiert, bis ich ihn mit meinen Anfragen dazu extrem genervt habe.
Geldwäsche ist die Kriminalität der Reichen und Mächtigen. Die sind froh, wenn das so weiterläuft. Fabio De Masi, Linke