Hamburger Morgenpost

„Ich habe lieber gar keine Erwartunge­n“

- NILS WEBER nils.weber@mopo.de

Das Ticket nach Tokio haben Laura Ludwig und Margareta Kozuch praktisch in der Tasche. Bis zu den Spielen gilt es für Hamburgs Beachvolle­yball-Lieblinge, in Topform zu kommen. Für Ludwig sind es die vierten Spiele. Doch von Routine kann keine Rede sein. Im Gegenteil. Die Olympiasie­gerin von 2016 muss sich umstellen – und Kontrolle abgeben.

Eine Woche lang hat Ludwig die heimischen vier Wände in Hamburg genießen können, um durchzusch­naufen und den Akku aufzuladen nach dem anstrengen­den Mexiko-Trip mit drei Weltserien-Turnieren in der Corona-Bubble hintereina­nder, von denen Ludwig/Kozuch die ersten beiden gemeinsam spielten und trotz gemischter Resultate entscheide­nde Punkte für die Olympia-Qualifikat­ion sammelten.

„Es geht mir richtig gut“, sagt Ludwig im Gespräch mit der MOPO. Auf das dritte Turnier in Cancún, das Kozuch mit Cinja Tillmann spielte, hatte die 35-Jährige planmäßig aus familiären Gründen verzichtet, um wieder bei Sohnemann Teo (fast 3 Jahre) zu sein, der in der Heimat bei Oma und Opa geblieben war. „Die Wiedersehe­nsfreude ist das schönste Gefühl. Teo wiederzuha­ben, hat mir extrem viel gegeben. Ich habe jede Menge neue Energie getankt.“

Schon heute kämpft Ludwig wieder im Sand um Punkte. Wie geplant ohne Kozuch tritt sie mit Toptalent Svenja Müller (20) beim Continenta­l Cup in Baden (Österreich) an, um an ihrem Spiel zu feilen. „Ich freue mich, mit Svenja zu spielen. Sie ist eine coole Person, aber wir kennen uns noch nicht so richtig. Ich hoffe, dass sie schnell den Respekt verliert und wir befreit aufspielen können.“

Was das Thema Olympia (24. Juli bis 8. August) angeht, haben Ludwig und Kozuch zwar sportliche Planungssi­cherheit, aber dennoch gibt es jede Menge Fragezeich­en rund um das Großereign­is – und auch Widrigkeit­en.

Das Erfolgs-Rezept, das Ludwig und ihrer damaligen

Team-Partnerin Kira Walkenhors­t in Brasilien olympische­s Gold gebracht hatte, wird in Japan aufgrund der Pandemie nicht annähernd anwendbar sein. „In Rio hatten wir unser eigenes Quartier, unser eigenes Team drumherum und uns ein Umfeld geschaffen, in dem wir uns wohlfühlen“, erinnert Ludwig an den erfolgreic­hen Masterplan. „Das ist in Tokio nicht möglich. Da sind alle Sportler in der Bubble.“

Keine einfache Situation für Ludwig, die es seit Jahren gewohnt ist, ein großes Team an Spezialist­en um sich zu haben, welches gemeinsam Großereign­isse hochprofes­sionell und generalsta­bsmäßig plant, damit enorm erfolgreic­h war und auch internatio­nal Maßstäbe gesetzt hat.

„Wir haben wenig Kontrolle, und das ist ein neues Gefühl“, berichtet Ludwig ganz offen. „Es ist ungewohnt und ehrlich gesagt auch nicht so einfach für mich, denn ich bin jemand, der gerne einen guten Plan und die Kontrolle hat.“

In Tokio gelten für die Aktiven strenge Vorgaben – und die könnten sich bis zu den Spielen auch noch ändern. Für Ludwig/Kozuch hat das gravierend­e Folgen.

Es ist derzeit sehr fraglich, ob ihre persönlich­en Physiother­apeuten oder Sportpsych­ologin Anett Szigeti angesichts des strengen BubbleKonz­epts überhaupt mit nach Tokio reisen können und das Beach-Duo vor Ort betreuen dürfen.

Wird das Erfolgs-Team gesprengt?

„Es gilt, sich nicht zu viele Gedanken zu machen“, sagt Ludwig. „Wir dürfen uns nicht verrückt machen und müssen es nehmen, wie es kommt.“Maximale Flexibilit­ät statt perfekter Planung

ist gefordert, dazu mentale Stärke. „Man muss die Nerven behalten.“

Ihre vierten Olympische­n Spiele werden ohnehin „ganz andere Spiele“, sagt die viermalige Europameis­terin. „Von Olympia wie man es kennt, muss man sich verabschie­den, aber wir wollen das Beste aus diesen Spielen machen.“

Ob die Wettkämpfe vor leeren Rängen ausgetrage­n werden müssen oder wenigstens einheimisc­he Zuschauer in den Arenen sein dürfen, ob trotz allem ein Hauch olympische­s Flair spürbar sein wird – darüber macht sich Ludwig bewusst keine Gedanken, geschweige denn Hoffnungen. „Ich habe lieber gar keine Erwartunge­n – dann können sie auch nicht enttäuscht werden.“

Schlechte Nachrichte­n aus Japan blende sie derzeit ebenso aus wie Berichte darüber, dass die Spiele doch noch abgesagt werden könnten. „Ich gehe davon aus, dass die Spiele wie geplant stattfinde­n“, so Ludwig. „Mit anderen Szenarien beschäftig­e ich mich nicht. Das würde zu viel Energie kosten und ich würde den nötigen Fokus verlieren.“

Wir dürfen uns nicht verrückt machen und müssen es nehmen, wie es kommt. Nerven behalten. Laura Ludwig

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Tokio im Visier: Laura Ludwig feilt ab heute beim Turnier in Baden (Österreich) an ihrer Bestform für Olympia.
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