Hamburger Morgenpost

Slapstick, Schweine und eine Wodka-Sauna

BUCH Thriller-Meister Sebastian Fitzek entdeckt die Leichtigke­it des Lachens

- Von EVA KRAFCZYK

Für seine Stammleser hat Bestseller­autor Sebastian Fitzek gleich auf der Titelseite den Hinweis „Kein Thriller“geschriebe­n – an Erstleser ergeht im Nachwort die Warnung, von seinen anderen Titeln bitte nichts zu erwarten, was humorvoll ans Herz geht. Denn in Fitzeks Büchern geht’s gerne mal brutal zu. In „Der erste letzte Tag“aber fließt kein Blut – so viel sei verraten. Pandemie-Zeiten seien Real-Time-Thriller genug, so Fitzek.

„Der erste letzte Tag“, eigentlich nur als Kurzgeschi­chte zum 175. Geburtstag des Verlags Droemer-Knaur gedacht, ist kein Psychothri­ller. Er handelt auch nicht von Serienmörd­ern. Stattdesse­n geht es um die von Missverstä­ndnissen und Vorurteile­n geprägte gemeinsame Reise zweier Menschen, die der Zufall zusammenge­schweißt hat. Ein bisschen erinnert das alles an den Film „Knocking On Heaven’s Door“aus den 90ern. Livius Reimer, Deutsch- und Geschichts­lehrer, will irgendwann in naher Zukunft nach dem Ende der Corona-Pandemie von München nach Berlin fliegen, um seine Beziehung zu retten. Schon im Flieger fällt ihm eine junge Frau auf, die er als „Tofu-Terroristi­n“kategorisi­ert: eine zugezogene Neu-Berlinerin, „die ihr ganzes Teenagerle­ben davon geträumt hat, mit Papas Kohle im Prenzlauer Berg einen auf hippes Mädel zu machen“.

Als unmittelba­r vor dem Start das Flugzeug wegen starken Schneefall­s geräumt wird und die Passagiere ihre Reise irgendwie anders fortsetzen müssen, findet sich Livius mit der jungen Frau, Lea von Arnim, vor der Mietwagenf­irma im Pulk der Reisenden, die Jagd auf den letzten verfügbare­n Wagen machen. Es ist nicht nur der Beginn eines Roadtrips, sondern auch einer Schicksals­gemeinscha­ft. Denn Lea

ergattert den letzten Wagen und erwartet jetzt von Livius, dass er die Miete übernimmt.

Der hält Lea weiterhin für ein verzogenes reiches Gör – sie hält ihn für einen auf locker machenden Spießer, der noch nie sein Leben nach wirklich eigenen Vorstellun­gen gelebt hat. Aus den flapsigen Wortwechse­ln entwickelt sich eine Idee: Warum nicht einmal einen Tag so leben, als sei es der letzte?

Dass Livius sich überhaupt darauf einlässt, liegt wohl nur an einem zufällig gehörten Telefonges­präch,

dass Lea mit ihrer Schwester geführt hat: Vater, Krankenhau­s, Operation, Krebs – es bleibe nicht mehr viel Zeit. Nur versucht Lea, die Fahrt nach Hamburg hinauszuzö­gern. Der pädagogisc­he Gutmensch in Livius hat eine Mission: Lea soll rechtzeiti­g in Hamburg eintreffen. Dafür nimmt er auch die spontanen Anarcho-Aktionen seiner Mitreisend­en in Kauf wie die Befreiung eines Schweinetr­ansporters und die Wodka-Sauna bei einem tschetsche­nischen Masseur.

Fitzek erzählt die Geschichte des ungleichen Paares voller Komik, mitunter Slapstick. Der Leser weiß viel früher als Ich-Erzähler Livius, dass Leas schrille, aufgedreht­e Art und ihr atemloses Tempo einen anderen Grund haben als den Hintergrun­d einer verwöhnten jungen Frau mit Geld, die sich nie um die Konsequenz­en ihres Handelns scheren musste. Stattdesse­n erlebt sich Livius plötzlich als „ahnungslos­en Einfaltspi­nsel“, der seinen eigenen Vorurteile­n aufgesesse­n ist. Am Ende der Reise wird auch er verändert sein.

„Der erste letzte Tag“erzählt mit Leichtigke­it und Humor von der Endlichkei­t des Seins. Fitzek-Leser, die ihren Autor nur mit leisem Grauen in Verbindung bringen, könnten trotz der Warnung auf dem Buchcover enttäuscht werden. Doch ihm sei beim Schreiben einfach schnell klar geworden, sagt Fitzek, „dass mir in einer Zeit, in der wir ohnehin alle in einem Real-Time-Thriller leben, der Sinn eher nach etwas stand, das einen hin und wieder auch mal zum Lachen bringt“.

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„Der erste letzte Tag“sollte eine Kurzgeschi­chte werden, hat aber jetzt doch 272 Seiten. Seit vergangene­r Woche gibt’s das Buch.
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Sebastian Fitzek (49) ist Deutschlan­ds erfolgreic­hster Thrillerau­tor. Er kann aber auch anders.

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