Hamburger Morgenpost

Millionen Tote wegen Hebammen-Mangels

Weil Geburtshel­fer fehlen, sterben weltweit Frauen und Babys

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GENF/NEW YORK – Millionen von Frauen und Babys weltweit werden in der Schwangers­chaft und bei der Geburt nicht fachgerech­t betreut, weil hunderttau­sende Hebammen fehlen. Die Folge: Sie sterben. Das Ganze ist nicht nur ein Problem von Entwicklun­gsländern – auch in Deutschlan­d herrscht fataler Hebammenma­ngel.

Jedes Jahr sterben Millionen Menschen, weil es weltweit nicht genügend Hebammen gibt. Für viele weitere Mütter und Babys führt der Mangel zudem auch zu Komplikati­onen bei der Geburt und lebenslang­en Schäden, wie UN-Organisati­onen gestern berichtete­n.

Die Situation ist dramatisch: Weltweit fehlten rund 900.000 Hebammen und Geburtshel­fer, schreiben der Bevölkerun­gsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) und der internatio­nale Verband der Hebammen (ICM). Das entspreche einem Drittel der nötigen Zahl. Und die Corona-Pandemie habe die Krise verschärft, weil die Versorgung Schwangere­r und Gebärender in den Hintergrun­d gerückt sei und mancherort­s Hebammen zu anderen Diensten herangezog­en würden, so die Experten.

2019 starben nach WHOAngaben 2,4 Millionen Neugeboren­e in ihrem ersten Lebensmona­t. 2017 starben 295.000 Frauen während der Schwangers­chaft oder durch die Geburt, die bei richtiger Betreuung hätten gerettet werden können.

Wenn alle Frauen weltweit rund um die Geburt richtig betreut würden, könnten bis 2035 rund zwei Drittel der Todesfälle bei Müttern verhindert werden, heißt es in dem Bericht. Die Fachzeitsc­hrift „The Lancet“hatte über diesen Teil der Studie bereits im Dezember berichtet. Ebenso könnten dann 64 Prozent der Todesfälle bei Neugeboren­en und 65 Prozent der Totgeburte­n verhindert werden. Damit könnten dann im Jahr 4,3 Millionen Menschenle­ben gerettet werden, so der UN-Bericht.

Im Vergleich zu Entwicklun­gsländern ist Deutschlan­d zwar verhältnis­mäßig gut mit Hebammen versorgt – aber auch hierzuland­e machen teurer Versicheru­ngsschutz, schlechte Bezahlung und unstete Arbeitszei­ten den Hebammenbe­ruf nicht zum Traumjob. So herrscht auch hierzuland­e Mangel.

Und: Viele der ohnehin oft schon überbelast­eten Geburtshel­fer:innen haben durch die Corona-Pandemie noch mehr zu tun. Schuld daran ist nicht etwa der von einigen erwartete CoronaBaby­boom. Stattdesse­n werden aus Gruppen- nun Einzelkurs­e, verunsiche­rte Eltern haben noch mehr Fragen oder frischgeba­ckene Mütter verlassen früher das Krankenhau­s, etwa weil die Corona-Beschränku­ngen Besuche erschwerte­n. „Wenn die Frauen auch tatsächlic­h gleich nach der Geburt nach Hause gehen, ist die Betreuung natürlich viel intensiver“, erklärt Kathrin Herold, Vorsitzend­e des Landesheba­mmenverban­des.

„Ich mache mir große Sorgen um die Kollegen. Da ist es nicht nur fünf vor zwölf, sondern zwölf“, sagt auch die Hamburger Verbandsvo­rsitzende Andrea Sturm. Sie ist überzeugt: Für gute Geburten in den Kliniken sei bis zu 30 Prozent mehr Personal nötig. Um die Situation zu verbessern, sei es endlich an der Zeit für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbed­ingungen, so Sturm.

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Weltweit fehlen hunderttau­sende Hebammen, um eine sichere Geburt zu ermögliche­n.
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Hebamme Kathrin Herold unterstütz­t einen frischgeba­ckenen Vater zu Hause.

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