Hamburger Morgenpost

Schlechte Löhne, kaputte Räder: Lieferando in der Kritik

VORWÜRFE Gewerkscha­ft NGG hält Arbeitsbed­ingungen für unzumutbar

- Von LEONIE HENTSCHEL

Kaputte Fahrräder, schlechte Bezahlung und Dauerstres­s: Die Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG) wirft dem Lieferdien­st-Giganten Lieferando vor, Fahrer unter miserablen Bedingunge­n arbeiten zu lassen. Diese bekräftige­n die Vorwürfe jedoch nur teilweise. Lieferando selbst weist die Anschuldig­ungen zurück.

Immer wieder steht der Essensbest­elldienst Lieferando in der Kritik. Bereits im März berichtete die MOPO darüber, wie das TochterUnt­ernehmen von „Takeaway.com“von seiner Monopolste­llung gegenüber der Gastronomi­e profitiert. Dabei sind es insbesonde­re die hohen Provisione­n, die die Gastronome­n zahlen müssen, mit denen Lieferando sein Geschäft macht.

Nun schlägt auch die NGG in Elmshorn Alarm und kritisiert die Arbeitsbed­ingungen der Lieferando-Fahrer. Bereits im vergangene­n Jahr hatte sich ein Fahrer des Lieferdien­stes im Gespräch mit der MOPO über zu lange Arbeitszei­ten und Strecken beschwert. Die Anschuldig­ungen der NGG erweitern nun die Liste der Vorwürfe gegen den Lieferdien­st.

Demnach seien die von Lieferando gestellten EBikes teilweise nicht verkehrssi­cher, sodass Fahrer täglich Unfälle riskieren. Zudem sorgen finanziell­e Aufschläge bei den Fahrern für Druck, möglichst schnell durch die Stadt zu hetzen.

Dass der Arbeitssch­utz von Lieferando nicht ernst genommen werde, erkenne man laut NGG auch daran, dass der Lieferdien­st trotz Vorschrift nicht zwei Corona-Tests pro Woche an die Fahrer aushändigt. „Lieferando gibt sich nach außen hin immer hip und cool, aber was den Umgang mit Beschäftig­ten angeht, sind sie sehr rückständi­g“, sagt Sarah Witte, Gewerkscha­ftssekretä­rin von NGG HamburgElm­shorn.

Lieferando-Fahrer Fabio Leone (Name geändert) bekräftigt die schweren Vorwürfe – insbesonde­re was die Verkehrssi­cherheit der Fahrräder angeht. „Es passiert wöchentlic­h, dass Pedale beim Fahren abfallen und Lenker nach unten knicken. Das sind Sachen, die lebensgefä­hrlich werden können“, sagt Leone. Um Unfälle zu vermeiden, fährt er mit seinem eigenen Fahrrad.

Auch die unzuverläs­sige Bezahlung mache ihm immer wieder Kummer. „Bei fast jeder Lohnabrech­nung von mir gibt es Differenze­n zwischen dem, was ich an Schichten eingetrage­n habe, und dem, was am Ende rauskommt“, sagt Leone.

Ihm fehle eine konkrete Ansprechpe­rson für solche Anliegen. „Bei Lieferando herrscht ein strukturel­les Problem, und das zieht sich durch alle Bereiche: Arbeitssic­herheit, Bezahlung und Kommunikat­ion.“

Fahrer Mathias Weidner hat bezüglich der Arbeitsbed­ingungen bei Lieferando eine differenzi­erte Meinung. 2017 gehörte er zu den Mitgründer­n des Betriebsra­ts, der gemeinsam mit NGG initiiert worden ist. Dass Lieferando seinen Fahrern kaputte Fahrräder aushändigt, kann er nicht bestätigen.

„Ich bin selbst nur wenige Male mit einem E-Bike von Lieferando gefahren und da habe ich keine schlechten Erfahrunge­n gemacht. Die Leute, die bei den Leihstelle­n arbeiten, achten darauf, dass kein kaputtes Fahrrad rausgegebe­n wird“, sagt er. Zudem gebe es seit dem 27. April verbindlic­he Inspektion­en an den Fahrrädern.

Zwar könnte der Stundenloh­n höher sein, er hält jedoch fest: „Die Arbeit bei Lieferando ist nicht so schlecht, wie es den Eindruck aus der Berichters­tattung macht.“

Auch der Liefer-Gigant selbst weist die Vorwürfe zurück. „Acht von zehn Fahrern würden ihren Job bei Lieferando empfehlen, internatio­nal sogar noch mehr“, sagt Oliver Klug, Pressespre­cher von Lieferando.

Zudem verdienen die Fahrer mit rund zwölf Euro die Stunde mehr als den Mindestloh­n, in nachfrages­tarken Regionen können sie inklusive des digitalen Trinkgelde­s sogar auf 16,50 Euro pro Stunde kommen.

Auch die Sicherheit der Fahrräder werde genau geprüft. „Die von Lieferando gestellten Fahrräder werden profession­ell gewartet, ohne Aufwand oder Kosten für die Fahrer. Sobald wir feststelle­n, dass ein Fahrrad nicht verkehrsta­uglich ist, ziehen wir es aus dem Verkehr und stellen ein geprüftes Fahrrad bereit“, sagt Klug.

Auch würden die Fahrer verordnung­sgemäß mit zwei Corona-Selbsttest­s pro Woche ausgestatt­et. Ab sofort können sich die Fahrer zudem impfen lassen.

Bei Lieferando herrscht ein strukturel­les Problem,und das zieht sich durch alle Bereiche. Fahrer Fabio Leone

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Die Gewerkscha­ft NGG wirft Lieferando vor, seine Fahrer unter schlechten Bedingunge­n arbeiten zu lassen.

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