Schlechte Löhne, kaputte Räder: Lieferando in der Kritik
VORWÜRFE Gewerkschaft NGG hält Arbeitsbedingungen für unzumutbar
Kaputte Fahrräder, schlechte Bezahlung und Dauerstress: Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wirft dem Lieferdienst-Giganten Lieferando vor, Fahrer unter miserablen Bedingungen arbeiten zu lassen. Diese bekräftigen die Vorwürfe jedoch nur teilweise. Lieferando selbst weist die Anschuldigungen zurück.
Immer wieder steht der Essensbestelldienst Lieferando in der Kritik. Bereits im März berichtete die MOPO darüber, wie das TochterUnternehmen von „Takeaway.com“von seiner Monopolstellung gegenüber der Gastronomie profitiert. Dabei sind es insbesondere die hohen Provisionen, die die Gastronomen zahlen müssen, mit denen Lieferando sein Geschäft macht.
Nun schlägt auch die NGG in Elmshorn Alarm und kritisiert die Arbeitsbedingungen der Lieferando-Fahrer. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich ein Fahrer des Lieferdienstes im Gespräch mit der MOPO über zu lange Arbeitszeiten und Strecken beschwert. Die Anschuldigungen der NGG erweitern nun die Liste der Vorwürfe gegen den Lieferdienst.
Demnach seien die von Lieferando gestellten EBikes teilweise nicht verkehrssicher, sodass Fahrer täglich Unfälle riskieren. Zudem sorgen finanzielle Aufschläge bei den Fahrern für Druck, möglichst schnell durch die Stadt zu hetzen.
Dass der Arbeitsschutz von Lieferando nicht ernst genommen werde, erkenne man laut NGG auch daran, dass der Lieferdienst trotz Vorschrift nicht zwei Corona-Tests pro Woche an die Fahrer aushändigt. „Lieferando gibt sich nach außen hin immer hip und cool, aber was den Umgang mit Beschäftigten angeht, sind sie sehr rückständig“, sagt Sarah Witte, Gewerkschaftssekretärin von NGG HamburgElmshorn.
Lieferando-Fahrer Fabio Leone (Name geändert) bekräftigt die schweren Vorwürfe – insbesondere was die Verkehrssicherheit der Fahrräder angeht. „Es passiert wöchentlich, dass Pedale beim Fahren abfallen und Lenker nach unten knicken. Das sind Sachen, die lebensgefährlich werden können“, sagt Leone. Um Unfälle zu vermeiden, fährt er mit seinem eigenen Fahrrad.
Auch die unzuverlässige Bezahlung mache ihm immer wieder Kummer. „Bei fast jeder Lohnabrechnung von mir gibt es Differenzen zwischen dem, was ich an Schichten eingetragen habe, und dem, was am Ende rauskommt“, sagt Leone.
Ihm fehle eine konkrete Ansprechperson für solche Anliegen. „Bei Lieferando herrscht ein strukturelles Problem, und das zieht sich durch alle Bereiche: Arbeitssicherheit, Bezahlung und Kommunikation.“
Fahrer Mathias Weidner hat bezüglich der Arbeitsbedingungen bei Lieferando eine differenzierte Meinung. 2017 gehörte er zu den Mitgründern des Betriebsrats, der gemeinsam mit NGG initiiert worden ist. Dass Lieferando seinen Fahrern kaputte Fahrräder aushändigt, kann er nicht bestätigen.
„Ich bin selbst nur wenige Male mit einem E-Bike von Lieferando gefahren und da habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht. Die Leute, die bei den Leihstellen arbeiten, achten darauf, dass kein kaputtes Fahrrad rausgegeben wird“, sagt er. Zudem gebe es seit dem 27. April verbindliche Inspektionen an den Fahrrädern.
Zwar könnte der Stundenlohn höher sein, er hält jedoch fest: „Die Arbeit bei Lieferando ist nicht so schlecht, wie es den Eindruck aus der Berichterstattung macht.“
Auch der Liefer-Gigant selbst weist die Vorwürfe zurück. „Acht von zehn Fahrern würden ihren Job bei Lieferando empfehlen, international sogar noch mehr“, sagt Oliver Klug, Pressesprecher von Lieferando.
Zudem verdienen die Fahrer mit rund zwölf Euro die Stunde mehr als den Mindestlohn, in nachfragestarken Regionen können sie inklusive des digitalen Trinkgeldes sogar auf 16,50 Euro pro Stunde kommen.
Auch die Sicherheit der Fahrräder werde genau geprüft. „Die von Lieferando gestellten Fahrräder werden professionell gewartet, ohne Aufwand oder Kosten für die Fahrer. Sobald wir feststellen, dass ein Fahrrad nicht verkehrstauglich ist, ziehen wir es aus dem Verkehr und stellen ein geprüftes Fahrrad bereit“, sagt Klug.
Auch würden die Fahrer verordnungsgemäß mit zwei Corona-Selbsttests pro Woche ausgestattet. Ab sofort können sich die Fahrer zudem impfen lassen.
Bei Lieferando herrscht ein strukturelles Problem,und das zieht sich durch alle Bereiche. Fahrer Fabio Leone