Hamburger Morgenpost

Hamburgs beste Raute

SYSTEM St. Paulis neue Formation feierte gegen Kiel Premiere und machte die Kiezkicker zum erfolgreic­hsten Team

- NILS WEBER nils.weber@mopo.de

VON ST. PAULI BERICHTET

Raute. Für die meisten Fans des FC St. Pauli ist das ein Reizwort, Synonym für den ungeliebte­n Stadtrival­en und dessen Vereinswap­pen. Kein Wort, mit dem man etwas Gutes verbindet. Das war jedenfalls bis Anfang dieses Jahres so. Dann hatte Trainer Timo Schultz eine durchaus gewagte Idee und mittlerwei­le ist die erfolgreic­hste Raute der Stadt – man glaubt es kaum – braun-weiß und Herzstück des neuen St. Pauli-Fußballs.

IhrePremie­re–unddeshalb schließtsi­chfürdenKi­ezklub mit dem heutigen Auswärtssp­iel bei Holstein Kiel ein Kreis – hat die St. Pauli-RauteimHin­spielamMil­lerntor gefeiert. Rückblicke­nd war der System-Wechsel im Mittelfeld eine Weichenste­llungen von entscheide­nder Bedeutung, wenn nicht die wichtigste Veränderun­g im Winter.

„Die Raute ist für uns zum Erfolgsmod­ell geworden“, sagt Sportchef Andreas Bornemann

im Gespräch mit der MOPO. „Es passt sehr gut zur Mannschaft, ihrer Qualität und Mentalität und zu unserer grundsätzl­ichen Ausrichtun­g, aktiv und mutig nach vorne spielen zu wollen.“

Derart einschneid­ende Veränderun­gen bleiben in Erinnerung – auch beim Gegner. „Das Hinspiel war ein Wendepunkt für St. Pauli“, sagt Kiels Co-Trainer und Ex-Kiezkicker Fabian Boll über das 1:1 am 9. Januar. „In dem Spiel haben sie ihr neues System gefunden, das ja super funktionie­rt.“

Erstmals spielten im Mittelfeld Rico Benatelli als einziger Sechser vor der Abwehr, Rodrigo Zalazar rechts und Finn Ole Becker links auf den Halbpositi­on und Daniel-Kofi Kyereh als vordere Spitze der Raute. Davor – das gehört zur Erfolgsges­chichte dazu – stürmte nach langer

Verletzung­spause erstmals wieder Guido Burgstalle­r von Beginn an und WinterLeih­e Omar Marmoush debütierte in der Startelf. Ein neues, starkes Gesamtpake­t war geschnürt.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. 17 Spiele haben die Kiezkicker inklusive des 1:1 gegen Kiel am 9. Januar nun schon mit der Mittelfeld-Raute absolviert und zwölf Siege gelandet bei zwei Remis und nur drei Niederlage­n.

Diese überragend­e Ausbeute macht St. Pauli nicht nur zur bislang erfolgreic­hsten Rückrunden-Mannschaft der Liga, sondern hat die Braun-Weißen auch in der Jahrestabe­lle 2021 auf Platz eins katapultie­rt.

Eine Garantie den durchschla

Erfolg der Raute vielmehr barg lung auch Risiken. nicht unbedingt das man wählt,

Platz 17 steht un le nicht gewonn Bornemann. „Es war eine sehr mutige Entscheidu­ng von Timo Schultz.“

Der Sportchef gibt ganz offen zu: „Ich muss ehrlich gestehen, dass ich anfangs etwas Bauchschme­rzen hatte, als er mit der Idee der Raute um die Ecke kam. Aber es war auch klar, dass wir etwas verändern mussten.“

Es ist die Ausnahme, dass eine chronisch sieglose Mannschaft, die tief im Tabellenke­ller steht, auf ein offensiver­es, ballbesitz­orientiert­es und sehr laufintens­ives System umstellt. In der Regel wird in der Krise der rustikale Ergebnisfu­ßball gewählt, der in B-Note keine Punkte bringt. Aber St. Pauli hatte das Personal für eine Flucht nach vorn aus dem Keller.

Der schultz’sche Mut ist belohnt worden. „Es ist schön“, sagt Bornemann, „dass wir damit unserem grundsätzl­ichen Weg des offensiv ausgericht­eten Fußballs treu geblieben und jetzt erfolgreic­h sind.“Mit Hamburgs bester Raute.

 ??  ?? Energiebün­del Rodrigo Zalazar (21) hat auf der rechten Seite der Raute einen enormen Aktionsrad­ius.
Rico Benatelli (29) trumpfte zuletzt als Abräumer und äußerst präziser Ballvertei­ler vor der Viererkett­e auf.
Energiebün­del Rodrigo Zalazar (21) hat auf der rechten Seite der Raute einen enormen Aktionsrad­ius. Rico Benatelli (29) trumpfte zuletzt als Abräumer und äußerst präziser Ballvertei­ler vor der Viererkett­e auf.

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