Hamburger Morgenpost

„Es gibt jede Menge Gründe für Kritik“

INTERVIEW Sebastian Krumbiegel über das Stiefkind Kultur, Kiez-Nächte mit Udo und das neue Prinzen-Album

- Das Interview führte KATJA SCHWEMMERS Dann kennen Sie Hamburg gut?

„Ich wär’ so gerne Millionär, dann wär’ mein Konto niemals leer“, sang Sebastian Krumbiegel 1991 im Hit von Die Prinzen. Davon können viele Künstler:innen derzeit ein Lied singen – fehlen ihnen pandemiebe­dingt doch die Auftrittsm­öglichkeit­en und Einnahmen. Am 12. Mai gibt es die Solidaritä­ts-Streaming-Show „Einer kommt, alle machen mit“zugunsten von Kulturscha­ffenden in Not. Stars wie Ina Müller, Bjarne Mädel, Tim Mälzer und Rolf Zuckowski geben sich die Klinke in die Hand, und auch Krumbiegel ist dabei – rechtzeiti­g, um den 30. Geburtstag von Die Prinzen einzuläute­n.

MOPO: Wie kommt es, dass Sie als Leipziger die Hamburger Kulturszen­e unterstütz­en? Sebastian Krumbiegel: Die Prinzen haben Anfang der 90er viele Monate in Hamburg gelebt, wir haben unsere erste Platte mit Annette Humpe hier aufgenomme­n. Ich habe viele Freunde in der Stadt. Davon abgesehen, bin ich ja nicht der einzige Teilnehmer, der kein Hamburger ist.

Udo Lindenberg hat uns nach der Wende die Stadt gezeigt. Salambo, Ritze – das war schon sehr speziell. Ein Kulturscho­ck.

Sehr gut! Udo Lindenberg hat uns damals die Stadt gezeigt. Das war schon sehr speziell. Es ist etwas anderes, wenn Lindenberg dich über den Kiez führt. Dann bist du sofort überall drin und im inneren Zirkel, du lernst die ganzen Kiez-Größen kennen. Wir waren mit ihm im Salambo, in der Ritze und all den anderen Szene-Läden. Das war für uns als junge Band aus Leipzig kurz nach der Wende natürlich ein extremer Kulturscho­ck. Erinnern Sie sich an einen bestimmten Abend?

Es waren so viele! Aber das Salambo war schon schräg. Wir kamen da rein und haben zuerst überhaupt nicht gecheckt, was das für ein Laden ist, und hatten auch überhaupt keine Ahnung davon. Weil Udo immer alles bezahlt hat, wollten wir ihn mal einladen, obwohl wir keine Kohle hatten, denn das war ja noch vor unserem Durchbruch. Also sagten wir: „Komm, jetzt übernehmen wir hier mal die Runde.“Die drei Bier und der eine Kaffee kosteten 50 Mark. Da haben wir große Augen gemacht.

Und jetzt sorgen Sie sich um die Club- und Kulturszen­e.

Also erst mal hoffe ich, dass den Leuten da draußen LiveKonzer­te genauso fehlen wie uns. Denn uns fehlt es wirklich wahnsinnig, nicht nur finanziell. Ich habe früher diesen Spruch immer ein bisschen belächelt: „Der Applaus ist das Brot des Künstlers.“Ich merke jetzt, wie sehr das wirklich wahr ist, und um es mal ganz pathetisch zu sagen, dass wir die Auftritte vor Menschen brauchen wie die Luft zum Atmen. Aber klar mach ich mir auch Sorgen darum, dass viele Clubs sterben und dass dadurch, dass die Kultur so ein Stiefkind ist, viele Leute

Man darf alles sagen, so lange man nicht gegen Gesetze verstößt. Man muss nur mit Widerstand rechnen.

abspringen – nicht nur Musiker und DJs sondern auch Crews. Aber wenn es dann wieder losgeht, werden alle auf einmal touren wollen, alle auf einmal Platten rausbringe­n wollen. Das dürfte spannend werden. Sie sind ein Optimist?

Es fällt mir manchmal schwer zurzeit, aber: Ja. Das mag Zweckoptim­ismus sein, aber ich finde es wichtig, jetzt nicht nur zu jammern, auch wenn es jede Menge Gründe gibt, Sachen zu kritisiere­n. Es ist nun mal, wie es ist, wir sind vernünftig­e Menschen, wir wissen, dass mit so einem Virus nicht zu spaßen ist, dass wir cool und vernünftig bleiben müssen, damit wir das in den Griff kriegen können.

Bei einer Aktion wie #allesdicht­machen hätten Sie nicht mitgemacht?

Nee. Ich fand die Aktion wirklich nicht gut, nicht cool und einfach nur zynisch. Aber ich fand den Aufschrei danach, wo Leute sogar Berufsverb­ote forderten, fast so unglücklic­h wie die eigentlich­e Aktion. Es ist meiner Meinung nach nicht Schwarz/Weiß zu sehen. Man muss tierisch aufpassen, es bilden sich da zurzeit so extreme Lager: Die einen machen eine Aktion, die anderen fangen sofort an rumzukreis­chen. Jeder wird in eine Ecke gesteckt, aus der er auch schlecht wieder rauskommt. Ich hätte da nicht mitgemacht. Aber ich muss auch ganz ehrlich sagen: Wenn mich zehn befreundet­e Musiker angesproch­en hätten, so nach dem Motto: „Hey, wir machen eine Aktion, wir wollen auf die Kultur in CoronaZeit­en aufmerksam machen“, dann weiß ich nicht, ob ich sofort abgesagt hätte.

Auf der neuen Platte „Krone der Schöpfung“verpassen Acts wie Deine Freunde, Die Doofen, Mine und Jennifer Weist den PrinzenHit­s eine Frischzell­enkur. Sorgte das bei Ihnen für frischen Wind? Auf jeden Fall. Wir haben ja ein Album mit zwölf neuen und fünf alten Songs. Ich hatte allen von Anfang an gesagt: „Bitte seht das nicht als Coverversi­on, bitte macht euer Ding draus.“Gerade so ein Lied wie „Millionär“, das wir mit Eko Fresh und MoTrip aufgenomme­n haben, ist ein Highlight für mich.

Sie ausgespart. Warum?

Es hätte durchaus missversta­nden werden oder von irgendwelc­hen Leuten beklatscht werden können, die wir nicht mit an Bord haben wollen. Wir haben damals mal Post von einem DJ gekriegt, der schrieb: „Ich hab euch immer gern gespielt, und jetzt kommen plötzlich irgendwelc­he Nazis an und wünschen sich euer Lied.“Wir sind erschrocke­n und dachten nur: Was ist da verdammt noch mal passiert? Die haben das als patriotisc­hes, nationalis­tisches Lied gesehen, was es definitiv nicht ist. Und wenn wir das live spielen, gerade bei Festivals, wo nicht ausschließ­lich Prinzen-Fans sind, denke ich manchmal, dass da Leute mitsingen, die ich gerne fragen möchte, ob sie verstanden haben, worum es da geht.

Mit den neuen Lied „Dürfen darf man alles“dürfte sich das doch ähnlich verhalten. Darin thematisie­ren Sie die Behauptung einiger Leute, dass die Meinungsfr­eiheit in Deutschlan­d nicht mehr gegeben ist.

Natürlich sind wir uns im Klaren, dass da erst mal bei einigen eine Sirene angeht und die anfangen zu sabbern. Aber genau das wollen wir aufs Korn nehmen. Ich bin übrigens der Meinung, dass wir es nicht offen gelassen haben, wie wir dazu stehen. Wir haben jeden Satz auf die Goldwaage gelegt. Und in der letzten Strophe sagen wir: „Manche glauben, dass die Welt sich gegen sie verschwört, manche meinen, dass die Wahrheit auch nur ihnen gehört. Manche sagen, was sie denken, dann sagen sie danach, dass man heutzutage ja nichts mehr sagen darf.“Und das macht es eindeutig?

Ich positionie­re mich da ganz klar: Man darf alles sagen, so lange man nicht gegen Gesetze verstößt. Man muss nur mit Widerstand rechnen. Die Meinungsfr­eiheit ist überhaupt nicht in Gefahr, sondern die ist definitiv da, und das sollten wir uns immer wieder klarmachen.

Album: „Krone der Schöpfung“von Die Prinzen erscheint am 28. Mai über Warner Live: Sebastian Krumbiegel ist am 12.5. bei #EKAMM dabei (siehe unten)

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Zwölf neue, fünf alte Songs: „Die Krone der Schöpfung“von Die Prinzen
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Sebastian Krumbiegel (54) singt seit er zehn Jahre alt war – damals im Thomanerch­or.
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Frühjahr 2021: Einige der Musiker kennen sich seit 40 Jahren, seit 30 Jahren sind sie Die Prinzen.
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Sommer 1993: Da hatten Die Prinzen schon mehrere Hits in den Charts.

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