Fades Reihenhaus in Lokstedt: 4190 Euro kalt
Warum die Preise weiter steigen +++ Was Experten fordern:
Neubau alleine löst das Problem nicht.
Siegmund Chychla
4590 Euro Miete im Monat kostet es laut einer Anzeige beim Immobilienportal „Immobilienscout 24“, in ein graues Mittelreihenhaus in der Julius-Vosseler-Straße zu ziehen. Kein großes Grundstück, kein sonderlich hübscher Bau, trotzdem teuer – und Ausdruck des Hamburger Mietenwahnsinns. Wer kann sich so etwas leisten und vor allem: Was wird dagegen unternommen?
185 Quadratmeter NeubauWohnfläche mit sieben Zimmern inklusive zweier Stellplätze für Autos und eines kleinen Gartens: Das verspricht das Angebot bei dem Online-Immobilienportal für eine Kaltmiete von 4190 Euro. Warm kommen 400 Euro obendrauf.
Umgerechnet wäre das ein Preis von 22,65 Euro pro Quadratmeter. Ein Blick in den Hamburger Mietenspiegel von 2019 zeigt: Das liegt deutlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Quadratmeterpreis liegt dort bei einer normalen Wohnlage zwischen 10,64 und 15,29 Euro, bei einer guten Wohnlage zwischen 13,50 und 15,31 Euro.
Siegmund Chychla, Vorsitzender des „Mietervereins zu Hamburg“, zeigt sich nicht überrascht. „Gebäude oder Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 gebaut wurden, sind von der Mietpreisbremse ausgeschlossen“, erklärt er. Diese sieht vor, dass die Miethöhe bei neuen Mietverträgen auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete plus zehn Prozent begrenzt wird.
„An diesem Angebot sieht man, dass Neubau alleine das Wohnungsproblem nicht lösen kann“, ergänzt Chychla. „Solche Wohnungen können sich höchstens fünf Prozent der Hamburger Haushalte leisten.“
Dem stimmt Marc Meyer, Rechtsanwalt bei „Mieter helfen Mietern“, zu: „Hier handelt es sich bezogen auf die Größe um eine klassische Familienwohnung. Die meisten Mieter werden sich solche Wohnkosten aber nicht leisten können“, sagt er der MOPO.
Laut dem Wohnlagenverzeichnis der Stadt Hamburg handelt es sich bei der Julius-Vosseler-Straße bislang um eine unterdurchschnittliche „normale Wohnlage“. „Offenbar geht der Anbieter davon aus, auf dem beengten Wohnungsmarkt ungehindert beliebige Miethöhen aufrufen zu können“, sagt Meyer.
Wie kommen solche Preise wie hier in Lokstedt zustande? Die MOPO versuchte, den Anbieter zu kontaktieren, der meldete sich allerdings nicht zurück.
In Politik ist man angesichts des Angebots entsetzt. „Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass sich Teile der Wohnungswirtschaft im frei finanzierten Wohnungsbau trotz aller Versprechungen nicht verpflichtet fühlen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt Olaf Duge, Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion für Stadtentwicklung und Wohnen.
„Politisch zeigt es uns, dass bei der Grundstücksvergabe noch deutlichere Vorgaben im Hinblick auf Weiterverkäufe und Preisgestaltung vorgenommen werden müssen“, so der Grünen-Politiker. Diese müssten zum Beispiel an Bauträger vergeben werden, die nicht die Maximalrendite anstrebten wie Genossenschaften, Einzeleigentümer oder soziale Stiftungen.
„Die Ausnahme des Neubaus von der Mietpreisbremse soll dazu beitragen, den Neubau von bezahlbarem Wohnraum nicht abzubremsen“, argumentiert Martina Koeppen, Sprecherin für Stadtentwicklung der SPDBürgerschaftsfraktion. „Seit 2011 wurden über 70.000 Wohnungen fertiggestellt,
von denen rund 21.500 öffentlich gefördert sind.“Das sei der richtige Weg für eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt.
Koeppen beurteilt das Angebot in Lokstedt als unanständig. Dies sei ein Grund, sich weiter für bezahlbares Wohnen einzusetzen. „Mit der CDU ist im Bund kein schärferes Mietrecht zu machen. Dafür braucht es in Berlin ab Herbst 2021 progressive Mehrheiten jenseits von CDU“, so die SPD-Politikerin.
Auch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen sieht die Notwendigkeit von Neubauten für einen entspannteren Wohnungsmarkt. „Deshalb ist es wichtig, für den Wohnungsbau Anreize zu schaffen und Hürden abzubauen“, so eine Sprecherin. Das Ziel der jährlich 10.000 neuen Wohnungen sei mit Ausnahme einer leichten coronabedingten Einschränkung im Jahr 2020 seit 2016 immer erreicht worden.
Zusätzlich hat der Bundestag am Freitag das Baulandmobilisierungsgesetz beschlossen. Dieses sieht unter anderem vor, dass Baugrundstücke nicht zu Spekulationsobjekten werden, sondern dass Kommunen den Wohnungsbau auf solchen Grundstücken effektiver durchsetzen können.