Hamburger Morgenpost

Die Erfolgsquo­te ist zum Verzweifel­n

WOHNUNGSMA­RKT Hilfsangeb­ot für Mieter, die mehr oder weniger Platz benötigen – gute Idee ist gescheiter­t

- NICOLA DAUMANN nicola.daumann@mopo.de

Es ist ein Schlamasse­l auf dem Wohnungsma­rkt: Junge Familien brauchen mehr Platz, zugleich wohnen Senioren in großen Wohnungen, obwohl ihre Kinder längst ausgezogen oder sie alleinsteh­end sind. Sollen sie doch ihre Wohnungen tauschen – so die Idee. Die Stadt will dabei helfen. Doch neue Zahlen zeigen: So einfach funktionie­rt das nicht.

Nur vier Wechsel in eine Wohnung mit passendere­r Größe wurden über die spezielle Koordinier­ungsstelle der Stadt für Wohnungswe­chsel vermittelt – und das seit 2019! Das geht aus der Senatsantw­ort auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor, die der MOPO vorliegt. 2019 wechselten drei Haushalte ihre Wohnungen, 2022 einer. Insgesamt wurden in den Jahren nur 31 Fälle von dieser Stelle in der Stadtentwi­cklungsbeh­örde bearbeitet.

Ein ernüchtern­des Ergebnis für ein Konzept mit viel Potenzial: Mehr als 54,5 Prozent der Haushalte sind Single-Haushalte. Weil es aber nur rund 17 Prozent Ein- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen im Mietwohnbe­stand gibt, leben viele von ihnen in großen Wohnungen. „Ich höre von den Mietervere­inen, dass sich die Anfragen von Menschen stapeln, die ihre Wohnfläche

verkleiner­n möchten, aber keine passende Wohnung finden“, sagte Stadtentwi­cklungssen­atorin Karen Pein (SPD) im Januar 2023. Auf der anderen Seite suchten viele Familien größere Wohnungen.

Was helfen kann: der Wohnungsta­usch, bei dem Mieter ihre Wohnungen tauschen, wenn sich ihr Platzbedar­f ändert. Oder ein Vermieter unterstütz­t beim Wechsel in eine passendere Wohnungsgr­öße.

„Wenn Menschen aus ihren zu großen Wohnungen in kleinere umziehen wollen, kann das gewinnbrin­gend für die Beteiligte­n werden“, sagt Heike Sudmann (Linke) der MOPO. Die einen sparten Miete, die anderen bekämen endlich eine größere Wohnung.

Und die Stadt müsse dafür keine neuen Wohnungen bauen. „Hier liegt ein Schatz vergraben, den die Stadt endlich heben muss. Und da gibt es noch viel Luft nach oben.“Dass die behördlich­e Wechselbör­se nur in vier Fällen erfolgreic­h war, findet sie lächerlich. Auch die SAGA hat eine Anlaufstel­le für ihre Mieter:innen. Gibt es eine passende Wohnung, können sie ohne Kündigungs­frist um

ziehen, sodass keine doppelte Miete fällig wird. Zudem gibt es seit 2019 ein Programm für Senioren, bei dem sie ihren aktuellen Mietpreis pro Quadratmet­er in eine kleinere Wohnung gleicher Art und Güte mitnehmen. „Jährlich werden Tausch- und Wechselwün­sche umgesetzt, die etwa zehn Prozent der Gesamtfluk­tuation des SAGA-Konzerns entspreche­n“, so der Senat. „Berauschen­d ist das nicht“, sagt Sudmann. Das entspreche jährlich nur zwischen 600 und knapp 800 Wechseln – bei einem Bestand von 137.000 SAGAWohnun­gen. Dazu, wie oft das Tauschprog­ramm für Senioren zum Zug kam, bei dem auch die Miete gleich blieb, macht der Senat keine Auskunft.

Warum läuft es so stockend? „Insbesonde­re wenn ein quartiersn­ahes Angebot mit bestimmter Größe und gegebenenf­alls weiteren Eigenschaf­ten gesucht wird, kann die kurzfristi­ge Verfügbark­eit

eingeschrä­nkt sein“, sagt der Senat.

Doch es hakt nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit. Ein Grund ist der Mangel an geeigneten kleinen

Wohnungen, zudem möchten sich Senioren häufig nicht von ihrem langjährig­en Zuhause trennen – und wenn, dann zumindest in der Nachbarsch­aft bleiben, wo es aber erst einmal ein passendes Angebot geben muss, berichtet „Mietraum2“, die Zeitung von „Mieter helfen Mietern“. Gerade bei Mietwohnun­gen stehen aber auch Vermieter im Weg, wenn sie bei einem Wechsel einen neuen Vertrag zu teureren Konditione­n fordern. Gerade für Menschen mit altem Mietvertra­g lohnt sich der Umzug so nicht. Braucht es also doch ein Recht auf Wohnungsta­usch, bei dem Mietverträ­ge ohne Erhöhung übernommen werden, wie es die Linke auf Bundeseben­e fordert? Ob sich der Senat dafür einsetzen wolle, will Sudmann wissen. Die Antwort macht wenig Hoffnung: Damit habe er sich bisher nicht befasst.

Hier liegt ein Schatz vergraben, den die Stadt heben muss. Und da gibt es noch viel Luft nach oben. Heike Sudmann (Linke)

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Junge Familien bekommen mehr Platz, Senioren geben ungenutzte­n Wohnraum ab – die Idee hinter der Wohnungsta­usch-Börse klingt gut, funktionie­rt bislang aber nicht.

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