Hamburger Morgenpost

„Das Verhältnis der Klubs ist komplizier­t”

RIVALITÄT HSV und KSC – da geht es immer hoch her. Oliver Kreuzer arbeitete für beide und kennt die Gründe

- SIMON BRAASCH simon.braasch@mopo.de

Der Platz auf der Couch ist natürlich längst reserviert. Oliver Kreuzer wird am Sonntag genau hinsehen, wenn der HSV den Karlsruher SC empfängt. Das Duell seiner beiden früheren Vereine elektrisie­rt den 58-Jährigen, der in der Saison 2013/14 Sportvorst­and des HSV und zuletzt fast sieben Jahre lang beim KSC war. Kreuzer weiß nur zu gut, was auf dem Spiel steht – und warum es zwischen den beiden Klubs regelmäßig hoch her geht.

Er kann deutlich gelassener auf die Partie schauen, als es in den vergangene­n Jahren der Fall war. Im Frühjahr 2023 wurde Kreuzer beim KSC als Geschäftsf­ührer Sport freigestel­lt, die Art und Weise aber sorgt noch immer für Nachwehen. Beide Parteien befinden sich im Rechtsstre­it. Daran, dass Kreuzer dem KSC eng verbunden ist, ändert das freilich nichts. „Ich war so lange beim KSC, es ist doch klar, dass ich den Verein weiterhin mit Interesse verfolge“, sagt Kreuzer, der nach wie vor in der 300.000-Einwohner-Stadt lebt. Sechs Jahre lang kickte er selbst für Karlsruhe, fast neun Jahre lang (2011 bis 2013 und 2016 bis 2023) war er dann für die sportliche­n Geschicke der Badener verantwort­lich. „Aber auch zum HSV spüre ich noch eine Bindung. Auch wenn es nun ja schon fast zehn Jahre lang her ist. Man schaut immer besonders hin, was die ExVereine so machen.“Für den Sonntag erwartet Kreuzer einen heißen Tanz.

„Beide Vereine sind mit Siegen aus der

Winterpaus­e gestartet“, stellt er fest. „Es dürfte wieder ein enges Spiel werden. Zumal ich ja aus eigener Erfahrung weiß, dass der HSV nie gern gegen den KSC spielt. Da hat sich in den vergangene­n Jahren etwas entwickelt, das ist eine spezielle Geschichte.“Vermutlich sogar eine der ungewöhnli­chsten Rivalitäte­n, die es im deutschen Fußball gibt. Mehr als 600 AutobahnKi­lometer trennen beide Vereine,

nie kämpften sie gegeneinan­der um einen Titel. Und dennoch: Für die KSC-Fans ist der HSV ein rotes Tuch. Das ging im vergangene­n Mai sogar so weit, dass der Großteil des Karlsruher Anhangs dem ebenfalls verhassten VfB Stuttgart in der Relegation gegen den HSV die Daumen drückte. Das wäre in etwa so, als würden HSV-Fans aus voller Überzeugun­g zu Werder Bremen halten.

Wie aber kam es dazu? Hängt das alles nur mit der Relegation 2015 zusammen, als der HSV den KSC durch Marcelo Díaz‘ Last-MinuteFrei­stoß den Aufstieg raubte? „Es ist nicht nur das“, weiß Kreuzer. „Es ist soviel passiert, ständig gab es Berührungs­punkte. Das fing schon 2013 an, als nicht nur ich, sondern auch Hakan Calhanoglu vom KSC zum HSV wechselte. Auch auf dem Platz gab es

oft Theater, es war immer hitzig. Aber die Relegation war natürlich das i-Tüpfelchen.“Umgekehrt haben es die Hamburger Fans dem KSCAnhang nicht verziehen, dass Bakery Jatta 2019 (mitten in der Identitäts­debatte um den HSV-Angreifer) gnadenlos ausgebuht wurde. Kreuzer weiß: „Das Verhältnis der Klubs zueinander ist komplizier­t, das hat sich so hochgescha­ukelt.“Und es wird gelebt, nicht zuletzt durch Tim Walter. Der 48- Jährige startete seine Trainer-Karriere 2006 in Karlsruhe, trainierte den KSC-Nachwuchs insgesamt neun Jahre lang. Seit Sommer 2021 ist Walter HSV-Trainer, verpasste nur ein Spiel – weil er im März 2023 beim 2:4 in Karlsruhe den vierten Offizielle­n derart heftig anging, dass der DFB ihn daraufhin für ein Spiel aus dem Verkehr zog. Immer wieder Karlsruhe, immer wieder Ärger.

Auch diesmal dürfte es hoch hergehen. Wie im Hinspiel, als der HSV in der Nachspielz­eit noch das 2:2 kassierte. „Hamburg will aufsteigen, der KSC den Abstand nach unten weiter vergrößern“, weiß Kreuzer, der besonders ein Auge auf Stephan Ambrosius werfen wird. Den HSV-Abwehrmann lotste er in der Vorsaison auf Leihbasis zum KSC, wo er ein Jahr lang reifte. Nun ist er beim HSV Stammspiel­er. „Es freut mich sehr für Stephan, dass er sich auch in Hamburg durchsetzt“, sagt Kreuzer. „Wir haben ihn in Karlsruhe sehr geschätzt. Er war sehr demütig und hat niemals raushängen lassen, dass er vom großen HSV kommt.“Auch Ambrosius steht nun vor einem speziellen Wiedersehe­n. Reichlich Zutaten für eine leidenscha­ftliche Partie. Kreuzer wird sie diesmal in aller Ruhe verfolgen können, bis irgendwann der nächste Job ruft.

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Umkämpfte Nummer: Im Hinspiel trennten sich Immanuel Pherai (r.) und Karlsruhes Jerome Gondorf 2:2.
HSV — Karlsruhe (Sonntag, 13.30 Uhr, live bei Sky) Umkämpfte Nummer: Im Hinspiel trennten sich Immanuel Pherai (r.) und Karlsruhes Jerome Gondorf 2:2.
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Immer wieder Hektik: Oliver Kreuzer (r.) und HSV-Trainer Tim Walter kennen sich schon lange.
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Foto: Witters

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