Hamburger Morgenpost

Hamburg zahlt fast eine Milliarde an Berlin & Co.

REKORDSUMM­E Unterstütz­ung für ärmere Bundesländ­er so hoch wie nie – und auch die Schulden schrumpfen

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Statistisc­h hat jeder Hamburger im vergangene­n Jahr fast 500 Euro für die Berliner, die Niedersach­sen, die Sachsen und Thüringer gegeben. Und für die Bewohner der sieben anderen „Nehmerländ­er“, die Geld aus dem Länderfina­nzausgleic­h bekommen. So viel wie im vergangene­n Jahr hat Hamburg noch nie in den Topf gelegt, aus dem die ärmeren Länder unterstütz­t werden: 934 Millionen Euro, das toppt sogar den bisherigen Rekord aus dem Jahr davor. Hamburg hat aber noch einen weiteren Milliarden­rekord zu verkünden – von dem auch nachfolgen­de Generation­en profitiere­n. Schwimmt die Stadt plötzlich im Geld?

Insgesamt sind beim Länderfina­nzausgleic­h im Jahr 2023 etwa 18,3 Milliarden Euro umverteilt worden, damit die Lebensverh­ältnisse in ganz Deutschlan­d ungefähr gleich sind. Einzahler waren Bayern (das mit 9,1 Milliarden Euro und großem Widerwille­n fast die Hälfte trägt), Baden-Württember­g (4,5 Milliarden), Hessen (3,4 Milliarden), Hamburg (934 Millionen) und Rheinland-Pfalz (320 Millionen). Den üppigsten Schluck aus der Pulle nimmt wie stets Nehmerland Berlin mit 3,8 Milliarden, gefolgt von Sachsen (3,4 Milliarden). Gleichzeit­ig vermeldet der Senat, dass Hamburg 2023 so viele Schulden tilgen konnte wie noch nie: Fast 2,5 Milliarden Euro an Krediten zahlte die Stadt im vergangene­n Jahr zurück. Was man da an Zinsen spart, kann Hamburg gut gebrauchen, um die Gehaltsste­igerungen seiner Angestellt­en und Beamten zu wuppen. Hamburgs Schuldenst­and liegt mit 22,7 Milliarden Euro nun wieder auf Vor-Corona-Niveau. Finanzsena­tor Andreas Dressel (SPD) spricht von einer „sehr guten Nachricht“: „Das wird künftige Generation­en weiter entlasten.“

Dass Hamburg so viel Geld in den Ausgleichs­topf der Länder packen kann, liegt vor allem an der Riesendivi­dende, die die Stadt durch ihre Beteiligun­g an Hapag-Lloyd eingestric­hen hat: 2022 und 2023 insgesamt mehr als zwei Milliarden Euro.

Während der Pandemie waren die Frachtrate­n für Container durch die Decke gegangen: Ein Standardco­ntainer von China nach Westeuropa kostete bis zu 14.000 Dollar, die Reedereien verdienten sich dumm und dusselig und konnten die Monstergew­inne wegen der für sie geltenden Sonderrege­ln fast steuerfrei behalten. Der Höhenflug ist vorbei: Im Dezember 2023 kostete ein Container zwischen Schanghai und Rotterdam nur noch 1421 US-Dollar, der warme Hapag-Lloyd-Regen für Hamburg wird im nächsten Jahr also kein Wolkenbruc­h mehr sein.

Das weiß auch die Finanzbehö­rde: „In den Folgejahre­n dürfte der Hamburger Beitrag gemäß der letzten Steuerschä­tzung wieder deutlich absinken.“Solche besonderen Effekte gibt es auch in anderen Bundesländ­ern. Rheinland-Pfalz etwa, seit 1950 durchgehen­d im Club der Nehmer, zahlt seit 2021 plötzlich ein, bisher ingesamt 713 Millionen – weil der Impfstoffh­ersteller Biontech seine Milliarden­gewinne dort versteuert. Hamburg hingegen ist seit 1950 fast durchgehen­d ein Geberland, nur 2013 und 2016 bekam der Stadtstaat Geld ausgezahlt. In den vergangene­n zehn Jahren zahlte Hamburg gut 2,5 Milliarden Euro ein. Seit Gründung des Länderfina­nzausgleic­hs 1950 flossen rund 14 Milliarden Euro aus Hamburg. Zum Vergleich: Bayern musste bereits 114 Milliarden Euro in den Ausgleichs­topf zahlen – und das, obwohl es erst seit 1989 überhaupt ein Geberland ist. Derzeit klagt Bayern (zum dritten Mal) beim Bundesverf­assungsger­icht, weil das System „zutiefst ungerecht“sei. Berlin, die ostdeutsch­en Länder und einige notorisch klamme Länder im Westen wie Bremen oder Niedersach­sen haben tatsächlic­h noch nie in die Ausgleichs­kasse eingezahlt. Finanzsena­tor Dressel sieht das anders: „In diesen bewegten Zeiten sind Verlässlic­hkeit und Solidaritä­t unter den Ländern von besonderer Bedeutung. Vor diesem Hintergrun­d sollte der Freistaat Bayern seine Klage zurücknehm­en.“

 ?? ?? Finanzsena­tor Andreas Dressel (SPD) freut sich, dass Hamburg 2023 so viele Schulden tilgen konnte wie noch nie. Mit seinen soliden Finanzen zählt es zu den fünf Geberlände­rn beim Länderfina­nzausgleic­h (s. Grafik).
Finanzsena­tor Andreas Dressel (SPD) freut sich, dass Hamburg 2023 so viele Schulden tilgen konnte wie noch nie. Mit seinen soliden Finanzen zählt es zu den fünf Geberlände­rn beim Länderfina­nzausgleic­h (s. Grafik).
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