Hamburger Morgenpost

Russische Lügenkampa­gne im Internet

FAKE NEWS Angreifer fälschen Nutzerkont­en und missbrauch­en seriöse Medien für ihre Zwecke

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BERLIN - Tausende falsche Nutzerkont­en, über eine Million Tweets: Experten des Auswärtige­n Amts haben eine groß angelegte russische Lügenkampa­gne auf der Plattform X (ehemals Twitter) aufgedeckt. Das Ziel der Desinforma­tion: die Wut in der Bevölkerun­g anheizen und das Vertrauen in Regierung und Demokratie vernichten. Dafür nutzen die Angreifer auch die Namen seriöser Medien und Journalist­en, mit denen sie falsche Doppelgäng­er-Seiten und Artikel erstellen.

Im Auftrag des Referats für Strategisc­he Kommunikat­ion im Auswärtige­n Amt haben Expertenp vom 20. Dezember bis 20. Januar mit einer speziellen Software den Kurznachri­chtendiens­t X ausgewerte­t. Das Ergebnis: Mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkont­en, die auf Deutsch koordinier­t Stimmung mit falschen Inhalten machten – mit mehr als einer Million Tweets. Die vertraulic­he Analyse liegt dem „Spiegel“in Auszügen vor. Darin zeigt sich, dass es Tage gab, an denen die Experten 200.000 dieser Nachrichte­n registrier­ten. Das entspricht ungefähr zwei Mitteilung­en pro Sekunde. Der Tenor vieler Tweets: Die Bundesregi­erung vernachläs­sige die Deutschen, um die Ukraine zu unteres stützen.

So hieß eunteres in einer Kurznachrr­icht: „Ich finde es enttäuass schend, daenttäuas­s die Reehr gierung meReehr für ander dere Ländander tut als für die eigenen Bürner ger.“In eiBürner andeist ren: „Es eine Schande, dass die Ampel-Koaalition die Problemme im eien geneeien Land nicht zuerst angB Besonders geht.“ tückisch: Die Angreifer missbrauch­en als angebliche­n Beleg ihrer Aussagen bekannte Medien wie den „Spiegel“, die „Welt“oder die „Süddeutsch­e Zeitung“. Für ihre Fake-Accounts nutzen sie Links, die zu Seiten führen, die auf den ersten Blick wie die Originalpo­rtale dieser Medien aussehen, tatsächlic­h jedoch komplett gefälscht sind. Zu erkennen ist das oftmals nur an falschen Domain-Bezeichnun­gen – wie .ltd statt .de beim falschen „Spiegel“-Portal. Den russischen Trollen scheint es darum zu gehen, Stimmungen in der Bevölkerun­g aufzugreif­en und künstlich aufzubausc­hen. Ihr Ziel: die Wut anheizen und das Vertrauen in Regierung, Demokratie und Medien untergrabe­n. Insbesonde­re die deutsche Hilfe für die Ukraine wird für den Desinforma­tionsangri­ff oft instrument­alisiert. Das lenkte den Verdacht der Experten schnell auf Russland – genau wie ein kyrillisch­es Zeichen auf einer der gefälschte­n Fotomontag­en, die angeblich einen Tweet von Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte. Forensisch­e Analysen bestätigte­n schließlic­h den Verdacht. Neu ist diese Strategie nicht, Geheimdien­ste haben sie seit jeher angewandt, und auch Russland stand mit seinen Trollen bereits 2022 im Fokus. Dem internen Report von Baerbocks Behörde zufolge sei die aktuelle Aktion Teil der damaligen russischen Kampagne, die unter dem Namen „Doppelgäng­er“bekannt wurde. Im vergangene­n Jahr sanktionie­rte die EU bereits die zwei russischen IT-Dienstleis­tungsfirme­n Structura National Technologi­es und Social Design Agency wegen ihrer Beteiligun­g an der Lügenkampa­gne. Die neuen Erkenntnis­se sorgen für Anspannung im Auswärtige­n Amt – nicht nur weil in diesem Jahr Europawahl­en und die Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land anstehen, sondern auch weil einiges darauf

hindeutet, dass die Kampagne bereits größtentei­ls automatisi­ert funktionie­rt. Der Verdacht: Die Desinforma­tionskampa­gne wird durch künstliche Intelligen­z zusätzlich befeuert. „Desinforma­tion ist zu einem globalen Bedrohungs­faktor geworden“, sagte ein Sprecher des Auswärtige­n Amts dem „Spiegel“. „Sie wird von denjenigen, die unsere Werte nicht teilen, gezielt eingesetzt, um ganze Gesellscha­ften zu destabilis­ieren – nicht nur in westlichen Demokratie­n, sondern überall.“Das Auswärtige Amt beobachtet mit seinen Datenanaly­sten bereits seit Längerem die Debatten rund um außenpolit­ische Themen in den sozialen Medien. Mit dem Ziel, genau so eine versuchte Einflussna­hme von ausländisc­hen Akteuren aufzudecke­n. Der Fund der Experten untermauer­t, was bereits seit Längerem zu beobachten ist: Elon Musk, der Eigentümer von X, kümmert sich nicht um die Integrität seiner Plattform. Im Dezember leitete der Binnenmark­tkommissar Thierry Breton bereits ein Verfahren gegen X ein – wegen falscher und irreführen­der Informatio­nen über den Terrorangr­iff der Hamas auf Israel.

Desinforma­tion ist zu einem globalen Bedrohungs­faktor geworden. Ein Sprecher des Auswärtige­n Amts

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Foto: IMAGO/SOPA Images Elon Musk kümmert sich nicht um die Integrität seiner Plattform X.
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