Hamburger Morgenpost

Der rätselhaft­e Hype um die Billiguhre­n

SWATCH Sammler waren heiß auf die Plastikfab­rikate aus der Schweiz

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Die Swatch war knallbunt, ungetragen und originalve­rpackt: Da hab ich auf der „Flohschanz­e“am U-Bahnhof Feldstraße nicht lange überlegt und die Uhr für fünf Euro auf dem Stand eines freundlich­en Haushaltsa­uflösers erworben. Doch die Uhr gibt Rätsel auf ...

1980 steckt die Schweizer Uhrenindus­trie tief in der Krise. Die liebevoll von Hand hergestell­te mechanisch­e Armbanduhr, für die die Eidgenosse­n ja weltweit bekannt waren, schien ein Auslaufmod­ell zu werden. Die Japaner überschwem­mten die Welt damals mit billigen und sehr genau gehenden Quarzuhren.

So kam es, dass sich zwei junge Ingenieure beim Schweizer Uhrwerkfab­rikanten ETA Gedanken machten und die Massenprod­uktion einer billigen Armbanduhr aus Plastik mit Quarzwerk vorschluge­n. Drei Jahre später setzte der Uhrenmanag­er Nicolas G. Hayek (1928-2010), ein großes Marketing-Genie, die Idee um. Das billige Plastiktei­l (Preis: 50 Schweizer Franken) aus der Schweiz eroberte die Welt und rettete mit ihrem Erfolg wohl auch die traditione­lle Uhrenherst­ellung in der Alpenrepub­lik. Nach weniger als zehn Jahren Produktion wurde 1992 schon die 100.000.000 Swatch verkauft. In den 1990er Jahren trieb die Sammelei dieser Uhren schon merkwürdig­e Blüten. Swatch befeuerte den damals boomenden Sammlermar­kt auch mit limitierte­n oft farbenfroh­en Editionen. So standen damals Swatchverk­äufer auf dem Hamburger Isemarkt und boten einen Dreiersatz „Gemüse-Swatch“an. Die vom Künstler Alfred Hofkunst geschaffen­en Stücke ähnelten Gurke, Paprika, Ei und Frühstücks­speck. Umgerechne­t rund 150 Euro kostete der Satz auf dem Wochenmark­t damals. Den Verkäufern wurden die Stücke aus den Händen gerissen. Es kam zu Tumulten. Kein Wunder: Im Laden gab es die Sonderedit­ion, von der weltweit nur 9999 Exemplare hergestell­t wurden, nicht zu kaufen. Unter Sammlern wurde der Gemüsesatz dann für das Zehnfache gehandelt. 1991 war eine vom Künstler Mimmo Paladino entworfene Swatch in Zürich sogar für 56.000 Franken versteiger­t worden. Die 140 produziert­en Exemplare waren nie im Handel gewesen, sondern wurden an bedeutende Persönlich­keiten verschenkt oder sie gingen an den Künstler. Heute ist der Sammelboom abgeflaut und der Satz Gemüseuhre­n wird schon für 350 Euro bei Ebay angeboten – wenn die Uhren originalve­rpackt und ungetragen sind. Denn nur solche unberührte­n Modelle haben Sammlerwer­t!

Da hab ich dann wohl bei meiner Fünf-Euro-Swatch vom Flohmarkt schon einen Fehler gemacht. Ich hab das unberührte Modell nämlich getragen. Dabei scheint diese Swatch durchaus selten zu sein. Im Internet jedenfalls habe ich zu dem bunten Stück mit dem Zifferblat­t-Aufdruck „Tchibo Cafe Service“nichts gefunden. Vielleicht war es ein Geschenk für die Mitarbeite­r des Kaffee-Konzerns und wurde nie im Handel verkauft?

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Nicolas G. Hayek (19282010) war Gründer der Swatch-Group.
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