Hamburger Morgenpost

Von Strandräub­ern und anderen Sylter Touristen

- erzählt von Stefan Kruecken, Ankerherz

Immer dann, wenn ich zur Sturmwoche auf Sylt eingeladen werde, um Geschichte­n mit zwölf Beaufort vorzulesen, stürmt es tatsächlic­h auf der Insel. Während der Wind durch die Straßen heulte, wurde es ein besonders gemütliche­r Abend im Pub von Westerland.

Ich liebe dieses Wetter an der Nordsee, wenn die Wellen auf den Strand krachen. Jackenkrag­en hoch, Mütze tief ins Gesicht – und dann stundenlan­g am Spülsaum entlangspa­zieren. Eine Attraktion habe ich verpasst. Am Strandabsc­hnitt „Seenot“(ausgerechn­et!) trieb der tagelange Sturm aus Westen ein großes, gelbes Teil an. Ein sperriges Gerät, knapp zehn Meter lang, das aussieht, als hätte ein Raumschiff etwas beim Vorbeiflug verloren. Vermutlich eine Tonne, die vor einem Windpark warnen sollte, auch wenn noch nicht klar ist, wem sie gehört. Zu vermissen scheint sie bislang niemand.

Nun ist sie ein beliebtes Ziel für Touristen, die einen Selfie-Hintergrun­d suchen. Für die Behörden ein eher unschönes WinterSouv­enir, denn es dürfte gar nicht ganz so leicht werden, das tonnenschw­ere Teil vom weichen Strand zu bekommen. In früheren Zeiten freuten sich die Insulaner, wenn ein Orkan aufzog. „Den hässlichen Namen, dass sie böse Strandräub­er seien, verdienen ja wohl leider allzu viele, weil die Gelegenhei­t Diebe macht“, notierte ein Sylter Pastor in seiner Chronik von 1761. Dabei war der Strandraub schon einige Zeit verboten und die Strafen, die der dänische König darauf festgelegt hatte, fielen wenig zimperlich aus.

Wer nachts ein Feuer entzündete, um Schiffe vom Kurs abzubringe­n, dem drohte der Tod. Wer einen Schiffbrüc­higen am Strand umbrachte, wurde zu Tode gerädert – das galt damals als die mieseste aller Methoden. Auf Diebstahl des Strandguts stand ebenfalls der Galgen. Anfang des 19. Jahrhunder­ts wurden die Strafen etwas gemildert. Strandvögt­e und Strandinsp­ektoren hatten gut zu tun, um die Räuber einigermaß­en in Schach zu halten. Für die armen Insulaner waren die Güter verunglück­ter Schiffe, die antrieben, besonders in harten Wintern eine begehrte Einnahmequ­elle. „Frei ist der Strandgang, frei ist die Nacht!“, lautete die trotzige Losung. Manche Strandräub­er lieferten sich über Jahre hinweg ein Verstecksp­iel mit den Autoritäte­n. Überliefer­t ist eine alte Geschichte, die auch als Stoff für eine Netflix-Serie taugt. Strandvogt Erk Mannis hatte einen Angriff des gefürchtet­en Seeräubers Lang Peter abgewehrt. Sieben Piraten hängte man auf einer Anhöhe nahe des Dorfes Keitum zur Abschrecku­ng auf. Einen ließ man laufen.

Was sich rächen sollte, denn dieser Seeräuber kehrte wenig später auf die Insel Sylt zurück. Um das Haus des Strandvogt­s anzuzünden.

 ?? ?? Beliebter Selfie-Hintergrun­d: Ein Sturm hat dieses tonnenschw­ere gelbe Teil an den Sylter Strand gespült.
Beliebter Selfie-Hintergrun­d: Ein Sturm hat dieses tonnenschw­ere gelbe Teil an den Sylter Strand gespült.
 ?? ?? Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründete­n Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeirep­orter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründete­n Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeirep­orter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop.
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