Hamburger Morgenpost

„Sie sind eine Mimose, Herr Merz“

BUNDESTAG In der Generaldeb­atte teilt ein kampfeslus­tiger Kanzler Scholz gut gegen den Opposition­sführer aus

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BERLIN – Generaldeb­atte im Bundestag. Und die erste des Jahres noch dazu! Das ist für die Spitzen der Fraktionen stets eine willkommen­e Gelegenhei­t, die Gegner mal so richtig rundzumach­en. Es sei denn, Olaf Scholz (SPD) spricht. Dann wird’s auch mal dröge. Könnte man meinen. Aber: Gestern war der Kanzler gut in Form. Nach dem auch schon angriffslu­stigen Auftritt von Opposition­sführer Friedrich Merz (CDU) keilte er massiv zurück. Als er den Sauerlände­r als „Mimose“bezeichnet­e und über sein „Glaskinn“spottete, wurde der Angesproch­ene richtiggeh­end rot.

Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz hatte zunächst einem möglichen gemeinsame­n Vorgehen mit der Ampel-Koalition eine prinzipiel­le Absage erteilt. „Bitte ersparen Sie sich und uns in Zukunft Ihre Aufrufe zur Zusammenar­beit“,

sagte der CDU-Chef in der Generaldeb­atte zum Haushalt 2024 im Bundestag. „Diese Aufrufe sind nichts anderes als reine politische Rhetorik.“

Die Erfahrunge­n der vergangene­n zwei Jahre hätten gezeigt, dass die Koalition an einer wirklichen Zusammenar­beit nicht ernsthaft interessie­rt sei, kritisiert­e Merz. Wo die Union wie beim Sonderverm­ögen für die Bundeswehr zugestimmt habe, halte sich die Regierung nicht an Vereinbaru­ngen. Der CDU-Chef betonte, man sei daher auch sehr zurückhalt­end, wenn es um weitere Grundgeset­zänderunge­n gehe. Eine Zustimmung zu einer Aufweichun­g der Schuldenbr­emse schließe er erneut aus. „Damit können Sie nicht rechnen.“

Den Ball griff Scholz direkt freudig auf. Er hielt Merz vor, Gespräche über eine Zusammenar­beit zur Eindämmung der irreguläre­n Migration selbst beendet zu haben. „So eine Hasenfüßig­keit, vor der eigenen Verantwort­ung davonlaufe­n, das habe ich noch nicht erlebt, Herr Merz. So viel Feigheit vor der eigenen Courage habe ich noch nie gesehen.“Der Kanzler fügte hinzu, er glaube, der Grund dafür sei, dass der CDU-Chef „das schöne Thema“habe behalten wollen – nämlich die Migration. Wenn man es gemeinsam in den Griff bekommen hätte, hätte Merz ja nichts mehr zu meckern gehabt. Außerdem warf er Merz eine ziemliche Empfindlic­hkeit vor. Der CDUChef teile jeden

Tag gegen die Bundesregi­erung aus, was natürlich sein gutes Recht sei. „Aber wenn

Sie dann mal kritisiert werden,

So eine Hasenfüßig­keit habe ich noch nicht erlebt, Herr Merz! Olaf Scholz (SPD)

dann sind Sie eine Mimose. Ich finde, wer boxt, der soll kein Glaskinn haben. Aber Sie haben ein ganz schönes Glaskinn, Herr Merz.“Die Kameras der Öffentlich-Rechtliche­n schwenkten auf Merz. Der wurde fast schon rot vor Wut, so schien es.

Und der polternde Scholz legte noch nach: „Was hat eigentlich Ihr politische­s Programm mit der Zukunft Deutschlan­ds zu tun? Nichts, das ist die Antwort“, rief er unter Jubel der eigenen Reihen. „Wie kann man so die Zukunft Deutschlan­ds verspielen wollen? Ökonomisch­er Sachversta­nd: null. Das ist die Wahrheit. Keine Perspektiv­e für Deutschlan­d. Keine industriel­le Perspektiv­e. Keine Perspektiv­e für die Arbeitsplä­tze!“

Merz hatte zuvor eine ganz andere Analyse: Er begrüßte die großen Demonstrat­ionen gegen Rechtsradi­kalismus in vielen Städten. Betonte aber:

„Die Wählerinne­n und Wähler der AfD sind nicht alle rechtsradi­kal, aber sie sind alle ziemlich frustriert.“Die

Lösung des Problems bestehe offensicht­lich darin, dass die Koalition die Probleme des Landes lösen müsse. Und dafür bräuchte es doch wenigstens „mittelmäßi­ges Regieren“– seine Ansprüche seien ja nicht so hoch.

Bundeswehr fehlt Geld

BERLIN – Der Bundeswehr droht laut einem Bericht des „Spiegel“nach Auslaufen des Sonderverm­ögens (100 Milliarden Euro) im Jahr 2028 ein Haushaltsl­och in Höhe von rund 56 Milliarden Euro. Das berichtet das Magazin unter Berufung auf eine ihm vorliegend­e interne Finanzbeda­rfsanalyse des Verteidigu­ngsministe­riums. In vier Jahren benötige die Truppe rund 108 Milliarden Euro, habe aber wohl nur 52 Milliarden zur Verfügung.

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Angriffslu­stig wie selten: Kanzler Olaf Scholz (SPD)
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Auch Friedrich Merz (CDU) hatte zuvor über Scholz gespottet.
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