Hamburger Morgenpost

„Ich mache einfach, worauf ich Lust habe“

ALBUM Fette Beats, emotionale Songs – und eine Abrechnung: Mines lässt’s auf „Baum“krachen

- Von WERONIKA PENESHKO

Schnelle Synthiesou­nds und elektronis­che Orgel in einem Track, Klavier und Streicher im nächsten. Auch ein Männerchor erklingt zwischendu­rch. Mines neues Album „Baum“, das morgen (2.2.) rauskommt, ist wie eine schöne Collage. Der Kleber, der alles zusammenhä­lt? Ihr Herzblut. Bald ist sie damit auch in Hamburg auf der Bühne.

Mine hat ihren 38. Geburtstag kürzlich mit einer Aioli-Party gefeiert. Von einer Knoblauchc­reme-Party mit viel Knoblauch-Deko hatte die Wahl-Berlinerin Jasmin Stocker schon seit vielen Jahren geträumt. „Alle haben gestunken, es war super!“, sagte sie danach der dpa. Ein bisschen unkonventi­onell ist Mine auch in ihrer Musik – aber anders als beim Partymotto kann und will sie sich nicht auf die eine Stilrichtu­ng festlegen. „Das Schöne ist, dass ich gar nicht das Gefühl habe, auf irgendetwa­s achten zu müssen, sondern ich mache einfach, worauf ich Lust habe“, erklärt sie.

Und so kommt es, dass der erste Song „Baum“eine atmosphäri­sche Melange von Schlagzeug, Gitarre und Synthesize­r ist und in einem epischen Bläser-Outro mündet – und der nächste Song fast demütig mit Klavier und Streichern auskommt. Direkt im Anschluss im Song Nummer drei: hektische E-Orgel-Sechzehnte­l.

„Baum“ist der Nachfolger von „Hinüber“. Mit der Platte ist Mine 2021 auf Platz 13 der Albumchart­s eingestieg­en. Für die gleichnami­ge Single kooperiert­e sie mit der Schweizer Musikerin Sophie Hunger. „Für mich geht es in Musik um Emotionen, dass es was mit mir macht“, so Mine. Ob die Klänge und Texte Wut, Feierlaune oder Traurigkei­t auslösen – „egal“: Hauptsache, Fühlen. „So möchte ich gerne wahrgenomm­en werden.“

Gerade textlich hat sich Mine auf diesem Album etwas weiter aus dem Fenster gelehnt. Den Song „Staub“nutzt sie, um ihre Trauer über den Tod ihrer Mutter zu verarbeite­n. „Mama, jetzt bist du Staub“, stellt sie fest – und drückt ihre Sehnsucht aus: „Ich würd dir so gern erzähl’n / Wie die Welt sich weiter dreht / Und, dass ich jetzt selber Mama bin.“Bislang habe sie – inzwischen Mutter von zweijährig­en Zwillingen – kryptische­r über ihre Gefühle gesprochen, da sei mehr Raum für Interpreta­tionen gewesen, sagt sie. „Früher war es mir total peinlich, über so private Dinge zu sprechen.“

Auch in ihren anderen Liedern äußert sie Zweifel, sie singt von Selbsthass, aber auch vom Über-sich-Hinauswach­sen und Grenzenset­zen – Themen, die vermutlich viele junge Frauen beim Erwachsenw­erden verfolgen.

Ein Song tanzt aber thematisch aus der Reihe – in „Copycat“befasst sich Mine mit dem Diebstahl musikalisc­her Ideen. „Es gibt einige Künstler und Künstlerin­nen, die sich gerne an wirtschaft­lich unerfolgre­icheren Leuten bedienen und das aber auch nicht crediten“, so Mine. In ihrem Umfeld sei das schon mehrfach passiert.

„Das finde ich ganz schön schäbig, das macht mich übelst sauer.“Konkrete Namen wolle sie nicht nennen – das werde meist eher den kleineren Künstlerin­nen und Künstlern zum Verhängnis. In dem Lied, das einen Hauch von modernem Rap auf die Platte bringt, rechnet sie ab: „Du bist ein Dieb, kein Artist.“Die Musikerin ist vor einiger Zeit aus der Nähe von Stuttgart nach Berlin gezogen – studiert hat sie unter anderem an der Popakademi­e in Mannheim. In Berlin fühlt sich die 38-Jährige, die in knatschora­ngefarbene­m Hosenanzug und dicker Sonnenbril­le zum Interview mit der dpa kam, ziemlich wohl. „Ich war schon immer ein Vogel in anderen Städten und hab mich da nicht so frei gefühlt – hier tue ich das aber.“Einen anderen, fast wichtigere­n Grund für das Leben in der Hauptstadt hat sie aber auch: „Ich liebe das kulinarisc­he Angebot. Ich liebe Essen so sehr. Das ist für mich Lebensqual­ität.“

Album: „Baum“erscheint morgen (2.2.) bei Virgin Music Konzert: 18.4., 20 Uhr, Große Freiheit 36, ausverkauf­t

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