Hamburger Morgenpost

Die AfD verhunzt die Farbe des Meeres

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Zur langen Liste der Dinge, die ich der AfD übelnehme, gehört der Missbrauch meiner liebsten Farbe. Blau ist für mich für die Nordsee an einem warmen Sommertag. Das ist der Himmel über Helgoland. Klarheit, Weite und Meer.

Nun nutzt die AfD Blau als Anstrich einer Bewegung, die für engstirnig­es Vorgestern steht, für völkischen Stechschri­tt, aggressive Beschränkt­heit und hochgezoge­ne Socke in Altherrens­andale. Wenn die AfD eine Farbe ist, dann doch ein leeres Grau. Ein Nichtsgrau, wie eine Pfütze auf einer Hamburger Hafenkai an einem

Nachmittag im Februar, öde und zum Dranvorbei­gehen.

Blau hingegen sind der Ozean und der Himmel, die Farbe der Grenzenlos­igkeit, als Pigment vor Jahrtausen­den erfunden von den Ägyptern, die gemahlenen Kalkstein, Sand und Mineral wie Azurit mixten und erhitzten. Blau war immer kostbar. Einer Legende nach lag es am fehlenden Ultramarin­blau,

dass Michelange­lo sein Meisterwer­k „Die Grablegung Christi“nie vollendete. Die ultramarin­en Pigmente waren für den Künstler zu teuer, aber kein anderer Farbton erschien ihm gut genug. Wieso zum Lucke kam ausgerechn­et die AfD zur Farbe der See? Mein Verdacht ist, dass Parteigrün­der Bernd Lucke, Pullunderu­nd Kinderruck­sackträger, in maximal kartoffeli­ger

Effizienz nachschaut­e, was die „Tories“in Großbritan­nien und der „Front National“in Frankreich so verwenden. Unsympathi­sche Parteien mit Ideen aus Beton benutzen konsequent Blau, das ist hier die Klammer. Wie widersinni­g eigentlich, denn die Farbe kommt sonst so frisch rüber, dass sie in der Reklame bevorzugt für Deodorants und Putzmittel verwendet wird. Der Farbforsch­er Axel Venn erklärte im Deutschlan­dfunk, dass Blau von Wählern verbunden werde mit „kognitiven Fähigkeite­n“und einem „hohen Maß an Sachlichke­it“. Und das ist nun Ironie in

Vollendung, denkt man an Björn Höcke, der in seinen Versuchen, den Sound von Joseph Goebbels zu kopieren, auch immer ein wenig zurückgebl­ieben wirkt. Ein Erkennungs­zeichen von AfD-Anhängern in den sozialen Netzwerken ist das blaue Herzchen geworden. Kontextfre­i tippen sie unter Facebook-Beiträge ihre blauen Herzchen und gerne auch drei andere Farben.

Denn das sind die nächsten drei Farben, deren Symbolik von der AfD, die sich Diktatoren wie Putin, Assad und anderen Feinden der Freiheit anbiedert, verhunzt werden. Schwarz, Rot und Gold.

 ?? ?? Blau – die Farbe der Nordsee an einem Sommertag. Und bedauerlic­herweise auch der AfD.
Blau – die Farbe der Nordsee an einem Sommertag. Und bedauerlic­herweise auch der AfD.
 ?? ?? Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründete­n Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeirep­orter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „Max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründete­n Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeirep­orter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „Max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop.
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