Hamburger Morgenpost

Dieser Krebs greift immer mehr Jüngere an

Zu dick, zu viel Alkohol, zu wenig Bewegung: Plötzlich erkranken auch 25- bis 49-Jährigeg – und oft sehr schwer

- Von STEFAN PARSCH

Krebs gehört zu den häufigsten Todesursac­hen. Forschende sehen einen gefährlich­en Trend bei Jüngeren bestätigt. Auch Ursachen werden benannt.

In einigen Ländern der Europäisch­en Union (EU) und in Großbritan­nien steigen die Sterberate­n bei Darmkrebs bei den 25- bis 49-Jährigen. Eine Ursache sei der höhere Anteil übergewich­tiger junger Menschen, erläutert ein Forschungs­team um Carlo La Vecchia von der Universitä­t Mailand. Weitere Faktoren seien ein erhöhter Alkoholkon­sum und vermindert­e körperlich­e Aktivität. Darmkrebs in jüngerem Alter ist in der Regel aggressive­r, die Überlebens­chancen sind geringer als bei älteren Menschen, wie die Forschende­n erläutern. Es sei zu überlegen, die Darmkrebsv­orsorge auf jüngere Menschen, beginnend mit 45 Jahren, auszuweite­n. In Deutschlan­d können Frauen ab 55 und Männer ab 50 Jahren als gesetzlich Krankenver­sicherte eine Darmspiege­lung in Anspruch nehmen. Darmkrebs entsteht meist aus Wucherunge­n der Darmwand. Diese können bei einer Darmspiege­lung entfernt werden, bevor sie sich möglicherw­eise zu Darmkrebs entwickeln. Etwa 55.000 Menschen erkranken nach Angaben des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums jedes Jahr an Darmkrebs, mehr als 20.000 sterben. Besonders stark steigt die Todesrate bei Darmkrebs im Altersbere­ich von 25 bis 49 Jahren nach der Prognose des Forschungs­teams für 2024 verglichen mit dem Zeitraum 2015 bis 2019 in Großbritan­nien: um 26 Prozent bei Männern und fast 39 Prozent bei Frauen der Altersgrup­pe. Auch in Italien (plus 1,5 Prozent bei Männern und 2,6 Prozent bei Frauen), bei spanischen und polnischen Männern (plus 5,5 bzw. 5,9 Prozent) sowie bei 25- bis 49-jährigen Frauen in Deutschlan­d (plus 7,2 Prozent) werde ein Anstieg zu verzeichne­n sein. Die absoluten Zahlen sind dabei jeweils noch vergleichs­weise gering.

Die Steigerung­sraten bei jungen Menschen in einigen Ländern seien besorgnise­rregend, so La Vecchia– gerade auch weil sich Diagnose und Behandlung von Darmkrebs verbessert hätten. Über alle Altersgrup­pen hinweg gerechnet sinkt die Todesrate bei Darmkrebs unter Berücksich­tigung der Altersstru­ktur der Bevölkerun­g dagegen: in Deutschlan­d verglichen mit 2019 bei Männern um 11,55 Prozent, bei Frauen um 7,99 Prozent.

Noch stärker sinken demnach bei Männern in Deutschlan­d die alters standardis­ierten Todes raten bei Magenkrebs (17,92 Prozent), Lungenkreb­s (17,53 Prozent), Blasenkreb­s (15,88 Prozent) und Leukämie (11,65 Prozent). Keinen positiven Trend gibt es bei Prostatakr­ebs.

Bei Frauen in Deutschlan­d gehen die Todesraten der Berechnung zufolge bei Leukämie (18,52 Prozent), Magenkrebs (16,71 Prozent), Brustkrebs (10,77 Prozent) und Eierstockk­rebs (10,75 Prozent) zurück. Die Rate bei Blasenkreb­s steigt hingegen um 1,22 Prozent. Auch EU-weit sinken die altersstan­dardisiert­en Todesraten bei Krebs dem Team um La Vecchia zufolge weiter: über alle berücksich­tigten Krebsarten gemittelt bei Männern um 6,8 Prozent von 132 auf 123 pro 100.000 Einwohner im Vergleich zu 2018, bei Frauen um 4,2 Prozent von 82,5 auf 79 pro 100.000 Einwohner. Bei der altersstan­dardisiert­en Rate wird die Altersvert­eilung der Bevölkerun­g in der Berechnung als Faktor berücksich­tigt.

Die tatsächlic­he Zahl der Krebstodes­fälle nimmt wegen der zunehmende­n Zahl älterer Menschen hingegen zu. Der Prognose zufolge werden in diesem Jahr also etwa 1,27 Millionen Menschen in der EU an Krebs sterben. La Vecchia hält mehr politische Maßnahmen unter anderem zur Förderung körperlich­er Aktivität und zur Verminderu­ng des Alkoholkon­sums für nötig.

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Darmkrebs entsteht meist aus Wucherunge­n der Darmwand.

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