„Gefährliches Gift für den Zusammenhalt“
SPD-NEUJAHRSEMPFANG Bürgermeister Tschentscher und Ehrengast Barley fordern Schulterschluss der Demokraten
So unbeschwert wie sonst wollte die Stimmung beim SPD-Neujahrsempfang im Rathaus einfach nicht werden – zu sehr drückt das Erstarken rechtsextremer Kräfte den Genossen aufs Gemüt. Das konnte auch der Ehrengast Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, nicht ausblenden. Sie legte den Fokus ihrer Rede zwar optimistisch auf die vielen Demos gegen rechts – gleichzeitig sprach sie aber auch eine deutliche Warnung aus.
„Die AfD ist aufgeflogen“, sagte Katarina Barley in ihrer Rede vor den rund 1100 anwesenden Gästen im Festsaal des Rathauses. Die aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus gingen ihr „sehr nah“. Auslöser war ein Bericht des
Medienhauses Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter am 25. November in Potsdam, an dem auch AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werte-Union teilgenommen hatten.
„Ich bin noch nie so stolz nach Brüssel gefahren, denn solche Demonstrationen gibt es in anderen europäischen Ländern nicht“, so Barley. Gleichzeitig warnte sie eindringlich vor dem Erstarken rechtsextremer
Kräfte und der AfD. „Genau so hat es begonnen, dass es eine kleine Gruppe von Menschen gibt, die sich für etwas Besseres halten und die dann selber definieren wollen, wer deutsch ist und wer nicht“, sagte sie. SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher ging in seiner Rede ebenfalls auf die Ereignisse in Potsdam und die Proteste ein. Der Charakter des Neujahrsempfangs sei eigentlich „gute Laune“, aber das „ist nicht ganz so leicht in diesen Zeiten“.
Tschentscher nannte die Aktivitäten von rechts ein „ganz gefährliches Gift für die Entwicklung unseres Landes und den sozialen Zusammenhalt“. Gleichzeitig betonte er, „wir dürfen uns nicht erzählen lassen, dass alles von morgens bis abends immer schlechter wird“. Es gebe keinen Grund für Depression oder Pessimismus in Hamburg. „Unsere Demokratie lebt von der Unterstützung und Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger. In stürmischen Zeiten brauchen wir alle an Deck.“Vor der Tür des Rathauses hatte das neugegründete Hamburger Netzwerk „Recht auf Migration“zu einer Kundgebung aufgerufen.
Unter dem Motto „Hand in Hand gegen Rechtsruck und rassistische Politik“versammelten sich die Menschen auf dem Rathausmarkt. Die Teilnehmerzahl lag nach Angaben von Polizei und Veranstaltern im unteren dreistelligen Bereich. Die Demonstranten richteten sich nicht nur gegen die AfD, sondern auch gegen die Parteien der AmpelKoalition – diese würden nach Ansicht der Veranstalter eine „entmenschlichende Politik der Rechten“umsetzen. Mehrere Teilnehmer kamen auch mit Palästina-Flaggen zum Rathausmarkt.
Wie will Barley diese Menschen wieder mitnehmen? „Ich will die gerne mitnehmen, aber ich finde das in Zusammenhang mit den Demonstrationen zu stellen sehr schwierig“, sagte Barley der MOPO. „Bei den Demos sollten alle Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen.“Sie erzählt, dass es bei einer Demo am Samstag in Berlin auch durchgehend gegen die Ampel und die Union gegangen sei. „Das kann man machen, aber ich finde, dafür sollte es andere Anlässe geben als diese Demonstrationen“, so Barley.
Ich bin noch nie so stolz nach Brüssel gefahren, solche Demonstrationen gibt es in anderen europäischen Ländern nicht. Katarina Barley (SPD)