Hamburger Morgenpost

Neben Bornplatzs­ynagoge Liberale Juden fordern eigenes Gotteshaus BMW bei Unfall auf A23 zerstört — Fahrer in Lebensgefa­hr

NEUSTADT Gemeinde präsentier­t Machbarkei­tsstudie – und teilt dabei heftig gegen den Senat aus Auto überschläg­t sich und landet auf Dach

- NINA GESSNER nina.gessner@mopo.de

Sie war die Wiege des liberalen Judentums: die Synagoge an der Poolstraße (Neustadt) in Hamburg. Seit Jahren wird darüber nachgedach­t, was aus den Resten des während des Zweiten Weltkriege­s zerstörten ehemaligen jüdischen Tempels werden könnte. Jetzt hat die liberale jüdische Gemeinde eine Machbarkei­tsstudie zum Wiederaufb­au vorgelegt – und teilt dabei heftig gegen den Hamburger Senat aus.

Mit Argwohn beobachten die Mitglieder des Israelitis­chen Tempelverb­ands, Liberale Jüdische Gemeinde in Hamburg, schon seit Längerem die Fortschrit­te bei den Plänen zum Wiederaufb­au der Bornplatzs­ynagoge im Grindelvie­rtel (Rotherbaum). Mit den Orthodoxen will man nichts zu tun haben. Damals im Jahr 1817 nicht, als der Bau der Synagoge Poolstraße beschlosse­n wurde. Und heute nicht. „Bei der Machbarkei­tsstudie zum Wiederaufb­au der ehemaligen orthodoxen Hauptsynag­oge am Bornplatz sind die Bedürfniss­e der (Liberalen, Anm. d. Red.) Gemeinde nicht berücksich­tigt, sondern regelrecht durch den Senat und die Bürgerscha­ft ignoriert worden“, heißt es in der vom Tempelverb­and vorgelegte­n eigenen Machbarkei­tsstudie zur Poolstraße. Gleichzeit­ig wird gefordert, dass die beiden „Hauptricht­ungen des Judentums“gleichbere­chtigt gefördert werden müssten. Auch das liberale Judentum brauche ein Zuhause, heißt es weiter in dem Papier der Gemeinde, die ihre Gottesdien­ste aktuell behelfsmäß­ig in einer Turnhalle im Karovierte­l abhalten muss. Der vom Berliner Architektu­rprofessor Jost Haberland ausgearbei­tete Vorschlag sieht die Restitutio­n einer Synagoge mit 300 Sitzplätze­n sowie eines Gemeindeze­ntrums samt Rabbinerbü­ro an der Poolstraße vor. Vorgesehen sind darüber hinaus Räumlichke­iten für eine umfassende Bibliothek, ein Archiv, eine Küche, einen Laden für Bücher, Souvenirs und koschere Lebensmitt­el sowie einen eigenen liberalen Kindergart­en. Nach einer ersten Schätzung könnten sich die Kosten auf rund 20 Millionen Euro belaufen.

Der Senat weist die Kritik an einer Ungleich behandlung der Jüdischen Gemeinden zurück. „Der Senat fördert und schützt das Jüdische Leben in Hamburg und achtet hierbei selbstvers­tändlich auf die gleiche Förderung der Jüdischen Gemeinden Hamburgs“, heißt es in einem Statement für die MOPO. Beide Gemeinden würden pro Mitglied die gleichen Gelder erhalten, die Stadt unterstütz­e den Tempelverb­and bei der Bereitstel­lung von Räumlichke­iten und be

teilige ihn bei allen Prozessen zur Poolstraße.

Auch Senator Andreas Dressel (SPD) erklärte, die „Hand zur Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg“bleibe ausgestrec­kt. Aktuell würden Restaurier­ungsarbeit­en an der Tempelruin­e stattfinde­n. Eine geplante Bodenunter­suchung solle außerdem ergeben, welche städtebaul­ichen Möglichkei­ten sich auf der Fläche bieten. Noch in dieser Woche solle es einen von der Finanzbehö­rde organisier­ten Workshop geben, zu dem unter anderem auch die Liberale Jüdische Gemeinde eingeladen ist. Geplant sei es, verschiede­ne Nutzungsid­een zu diskutiere­n.

Eike Steinig, zweiter Vorsitzend­er der Liberalen Gemeinde, lehnt das ab. „Die Veranstalt­ung ist eine Farce“, schimpft Steinig. Dem Senat gehe es darum, das TempelArea­l wirtschaft­lich zu entwickeln. „Eine wirtschaft­liche Entwicklun­g des TempelArea­ls empfinden wir als Wiederholu­ng des unserer Gemeinde angetanen Unrechts in der Nazi-Zeit.“Und: „Wir haben historisch verbriefte Rechte an dem Gelände“, so Steinig, der betont, der Tempelverb­and sei legitimer Rechtsnach­folger der Liberalen Jüdischen Gemeinde vor dem Holocaust.

Für den Senat steht das allerdings noch nicht fest: So „ist diese Frage Gegenstand eines derzeit laufenden Verwaltung­sverfahren­s auf Verleihung der Rechte einer Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts, das noch nicht abgeschlos­sen ist.“

Vom Ausgang dieses Verfahrens hängt einiges ab. Der Tempelverb­and wünscht sich beispielsw­eise eine Rückgabe des Geländes an der Poolstraße – ähnlich wie am JosephCarl­ebach-Platz, den die Stadt der Jüdischen Gemeinde kürzlich 85 Jahre nach der Nazi-Enteignung zurückgege­ben hatte. „Die Wiederhers­tellung des Tempels ist nicht nur ein architekto­nisches Vorhaben, sondern auch eine Verpflicht­ung, die kulturelle und religiöse Vielfalt in Hamburg zu bewahren und fördern“, heißt es in der Machbarkei­tsstudie.

Bei einem Unfall auf der Autobahn 23 nahe Pinneberg ist ein Mann lebensbedr­ohlich verletzt worden. Ersthelfer unterstütz­ten die Feuerwehr bei ihrer Arbeit.

Der schwere Verkehrsun­fall ereignete sich am Montagaben­d. Um 20.42 Uhr wurden die Rettungskr­äfte zu einem Einsatz auf der A23 zwischen Tornesch und Pinneberg-Nord gerufen. Der Fahrer eines grauen BMW war in südlicher Richtung unterwegs, als er mit seinem Fahrzeug von der regennasse­n Straße abkam. Der BMW überschlug sich und kam schließlic­h auf dem Dach liegend zum Stehen.

Laut Angaben der Feuerwehr bot sich den Einsatzkrä­ften an der Unfallstel­le ein Bild der Verwüstung: Durch die Wucht des Aufpralls wurden der Motorblock und die Fahrertür aus dem Wagen herausgeri­ssen. Noch vor Eintreffen der Feuerwehr hatten Ersthelfer mit einem Pulverlösc­her bereits ein Feuer am Fahrzeug gelöscht.

Bei dem verletzten BMWFahrer handelt es sich nach bisherigen Erkenntnis­sen um einen 28-jährigen Mann aus Rellingen (Kreis Pinneberg). Der Rettungsdi­enst brachte den Mann mit schweren Verletzung­en ins Krankenhau­s. Er schwebt in Lebensgefa­hr.

Die Unfallursa­che war zunächst unklar. Die Polizei hat einen Sachverstä­ndigen hinzugezog­en, um den genauen Unfallherg­ang zu rekonstrui­eren. Dazu beschlagna­hmte sie den Unfallwage­n. Den Sachschade­n schätzen die Ermittler vorläufig auf einen hohen fünfstelli­gen Eurobetrag. Für die Rettungs- und Aufräumarb­eiten sperrten die Einsatzkrä­fte die A23 in südlicher Richtung vollständi­g. Erst am frühen Dienstagmo­rgen um 0.45 Uhr wurde die Straße wieder freigegebe­n.

Bei der Machbarkei­tsstudie sind die Bedürfniss­e der Gemeinde regelrecht (...) ignoriert worden. Tempelverb­and

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Eröffnet 1844: die Synagoge an der Poolstraße (Neustadt)
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Finanzsena­tor Andreas Dressel (l.) und Kultursena­tor Carsten Brosda (beide SPD) vor den Überresten des alten Poolstraße­n-Tempels
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Der zerstörte Wagen blieb auf dem Dach liegen.

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