Hamburger Morgenpost

Wie dder Klimawande­l das Einkaufen verändert

LEBENSMITT­EL Risiko für Ernteausfä­lle steigt – das bekommen wir zu spüren

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Schon jetzt hat der Klimawande­l Einfluss darauf, welche Produkte in unserem Einkaufswa­gen landen – und was sie kosten. Die Effekte werden sich in Zukunft noch verstärken, sagen Expert:innen.

Gestern wurde bekannt: Das Jahr 2023 war das wärmste seit Beginn der Aufzeichnu­ngen. Die Erderwärmu­ng lag erstmals über einen Zeitraum von zwölf Monaten dauerhaft über 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter. Der globale Klimawande­l nimmt immer stärkeren Einfluss auf viele Lebensbere­iche – auch beim Einkauf von dem, was auf unseren Tellern landet. „Bei einigen Lebensmitt­eln wird es zu größeren Schwankung­en bei Preisen und Verfügbark­eit kommen. Es wird Jahre geben, in denen bestimmte Produkte wie Avocado, Kakao, Kaffee, Mango, Kokos, Papaya und Bananen knapper werden können“, sagt Agrarexper­te Michael Berger von der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF. Bei vielen Produkten gebe es weltweit nur einen schmalen geografisc­hen Gürtel, wo die nötigen klimatisch­en Bedingunge­n für den Anbau gegeben seien. Durch häufigere Extremwett­erlagen steige das Risiko von Ernteausfä­llen. Berger: „Für Handelsunt­ernehmen wird es dadurch schwierige­r zu kalkuliere­n. Die Unsicherhe­it und Verknappun­g führen zu höheren Preisen.“Besonders anfällig sind Expert:innen zufolge Monokultur­en – also Flächen, auf denen über Jahre dieselben Pflanzen angebaut werden. Wetterextr­eme, Infektione­n und Schädlinge haben dort leichtes Spiel und können große Teile der Ernten zerstören. In Kakao-Anbaugebie­ten in Bolivien und Kolumbien

gab es beispielsw­eise in den vergangene­n Jahren Ertragsaus­fälle von 30 Prozent, auf einigen Plantagen sogar Totalausfä­lle. Wegen schlechter Ernten, einer grassieren­den Pflanzenkr­ankheit

und Hurrikans wurde zuletzt auch Orangensaf­t knapp und teurer. Auch beim weltweiten Kaffeeanba­u litten die Bäuerinnen und Bauern unter unter heftigen Einbußen und den Folgen des Klimawande­ls. Studien zufolge könnte bis 2050 die Hälfte der weltweiten Anbaufläch­en für Kaffee bedroht sein. Kaffeeröst­er Tchibo rechnet deshalb mit steigenden Preisen. Knapper und teurer wurde zuletzt auch Olivenöl. In Spanien sank der Jahresertr­ag, der in den vergangene­n Jahren im Schnitt bei rund 1,5 Millionen Tonnen lag, in der Saison 2022/2023 auf weniger als die Hälfte. Grund war das zu trockene Wetter. Auch Stefanie Sabet, Chefin der Bundesvere­inigung der Deutschen Ernährungs­industrie, sieht einen Einfluss des Klimas auf die Erzu

Die Unsicherhe­it und Verknappun­g führen zu höheren Preisen. WWF-Agrarexper­te Michael Berger

zeugung von Lebensmitt­eln und die Produktion­sgrundlage­n. Dies betreffe nicht mehr nur Schwellenl­änder, auch der heimische Anbau sei beeinträch­tigt. „Es wird Verschiebu­ngen in den Herkunftsl­ändern geben, aber ich bin überzeugt, dass es dennoch gelingt, die Breite des Lebensmitt­elangebots zur Verfügung zu stellen.“Bei einigen Anbaugebie­ten werde es klimabedin­gt schwierige­r, dafür könnten anderswo neue erschlosse­n werden. „Vor ein paar Jahren hätte niemand gedacht, dass wir an der Donau Soja oder in Deutschlan­d Melonen anbauen können. Heute geht es.“Milderes Klima und längere Vegetation­sphasen erlaubten häufigere Ernten, außerdem hofft Sabet auf hitzeresil­ientere neue Sorten. WWF-Experte Berger sieht die Zukunft im Anbau vor allem in diversifiz­ierenden Systemen wie dem Bio-Landbau. Dieser sei zwar aufwendige­r zu betreiben und bringe weniger Ertrag auf derselben Fläche, sei aber dafür anpassungs- und widerstand­sfähiger. Die Auswirkung­en des Klimawande­ls würden reduziert, Lebensmitt­el würden verfügbare­r, aber teurer, „um die höheren Kosten der Produktion abzudecken“. Verbrauche­r:innen in Deutschlan­d mussten sich zuletzt bereits an höhere Lebensmitt­elpreise gewöhnen – auch wegen des Klimawande­ls. Expert:innen des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung rechneten das 2023 genauer aus. Ergebnis: Erhöhte Durchschni­ttstempera­turen könnten die jährliche Inflation bei Lebensmitt­elpreisen und die Kerninflat­ion bis zum Jahr 2035 um bis zu 1,18 Prozent steigen lassen.

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Supermarkt-Gemüse: Experten rechnen mit Schwankung­en bei Preis und Verfügbark­eit.
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Orangen-Ernte in Ägypten: Die Erträge schrumpfen, der Saft wird teurer.
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Kakao-Anbau in Kolumbien: Wetterextr­eme sorgen für Ernteausfä­lle.

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