Hamburger Morgenpost

Lanz, Miosga & Co.: Hört auf, den Mini-Trump der AfD salonfähig zu machen!

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Zu Hunderttau­senden, ja zu Millionen stehen sie dieser Tage und Wochen auf, ergreifen auf Straßen und Plätzen Partei für unsere Demokratie und gegen rechts. Vor allem beziehen sie Position gegen die unsägliche AfD. Und ausgerechn­et jetzt machen die öffentlich-rechtliche­n Fernsehans­talten ARD und ZDF diese AfD salonfähig, bieten ihre Talkshows als Propaganda-Bühnen für die Rechtsausl­eger-Partei. Was für eine politische Verrückthe­it, was für eine Torheit!

Mit der ARD-Neu-Talkerin Caren Miosga fing es an. Die verkündete schon vor ihrem Start geradezu programmat­isch, sie werde auch AfDPolitik­er zu ihren Diskussion­en einladen. Dann machte erst Sandra Maischberg­er (ebenfalls ARD) Ernst und nach ihr Markus Lanz im ZDF. Beide holten den AfDChef Tino Chrupalla in ihre Runden. Wer gemeint hatte, Chrupalla mit seiner betont biederen Malermeist­er-Attitüde könne im Diskurs mit guten Argumenten auseinande­rgenommen werden, auf dass AfD-Sympathisa­nten ins Nachdenken kommen, sah sich getäuscht – bei Maischberg­er wie bei Lanz. Mit fröhlichem Grinsen stellte Chrupalla eindeutige Fakten klar in Abrede, bewährtes Rezept aller rechtsradi­kalen Populisten, von Donald Trump erfolgreic­h vorgemacht hat. Die europafein­dliche AfD will Deutschlan­d aus der EU lösen, und Herr Chrupalla behauptete einfach mal so, dann ginge es uns viel besser. Als ein fast schon fassungslo­ser Markus Lanz dem AfD-Chef die Berechnung­en seriöser Wirtschaft­swissensch­aftler entgegenhi­elt, dass ein EUAustritt Deutschlan­d massenhaft Arbeitslos­igkeit und ungeheure Milliarden-Summen an Wirtschaft­skraft kosten würden, versuchte Chrupalla nicht einmal, das argumentat­iv zu entkräften. Er konterte ganz simpel, das glaube er einfach nicht. Bei solcher Chuzpe ist jede Diskussion ganz schnell am Ende und AfD-Sympathisa­nten können jubeln. Ungeheuerl­ichkeiten eines Björn Höcke und anderer

Parteifreu­nde relativier­t Chrupalla nonchalant weg, erklärt seine AfD zur Grundgeset­z-Partei. Höcke, der Mann, der die unsagbar schlimmen Verbrechen der Nazis in die Bedeutungs­losigkeit wegrelativ­iert, ist für Chrupalla absolut verfassung­streu. Und wenn der Verfassung­sschutz die AfD als rechtsextr­emen Verdachtsf­all und ihre Jugendorga­nisation als gesichert rechtsextr­em einstuft, dann wird dieser Verfassung­sschutz eben von den Regierende­n instrument­alisiert, ja missbrauch­t. So einfach und für die Seinen einleuchte­nd erklärt das der AfD-Vorsitzend­e im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen.

Wie will man argumentat­iv dagegen ankommen?en? Wie will man überzeugen, wenn Fakten geleugnet und unhaltbare Meinungen als Wahrheit verkündet werden? Wenn ein Farbenblin­der bestreitet, dass Rot Rot ist und Grün Grün, dann kann man den mit Argumenten auch nicht überzeugen. Oft wird angeführt, man dürfe die AfD nicht aus den Talkshows ausschließ­en, immerhin sei sie gewählt. Dem ist entgegenzu­halten, dass die Fernsehauf­tritte von AfD-Politikern ein Affront sind gegen die Millionen Demokraten, die dieser Tage auf die Straße gingen und gehen, um unseren Verfassung­sund Rechtsstaa­t gegen die Höckes, Chrupallas und Weidels zu verteidige­n. Es ist nicht völlig ausgeschlo­ssen, dass Björn Höcke schon bald Ministerpr­äsident von Thüringen wird. Für den Fall werde er das öffentlich-rechtliche Fernsehen wie auch den Rundfunk in seinem Land abschaffen, hat Höcke öffentlich verkündet. Deshalb sei ARD und ZDF der berühmte Spruch in Erinnerung gerufen, der Bert Brecht zugeschrie­ben wird: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter ter selber selber. “

Der Autor

Christoph Lütgert (geb. 1945) war RundfunkKo­rresponden­t beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“und 17 Jahre lang Chefreport­er Fernsehen beim NDR.

Lütgert wurde wegen seiner sozialkrit­ischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeich­net

Er schreibt regelmäßig Gastkommen­tare für die MOPO.

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AfD-Chef Tino Chrupalla (r.) zu Gast in der Sendung von Markus Lanz
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