Hamburger Morgenpost

„So viele, die die Demokratie verteidige­n — das macht mich stolz!“z!

GEBURTSTAG Hamburgs Alt-Bürgermeis­ter Ortwin Runde wird 80. Kriege, Krisen, Ampel-Streit: Den Kanzler beneidet er nicht um seinen Job ...

- Von MARTIN FISCHER

Er schmiedete die erste rotgrüne Koalition in Hamburg. Von 1997 bis 2001 war er Erster Bürgermeis­ter. Auch mit 80 verfolgt Ortwin Runde (SPD) die Entwicklun­g in der Stadt genau – und ist hoffnungsf­roh. Wenn er einen Wunsch zu seinem heutigen 80. Geburtstag frei hätte, dann würde der jetzt gerade Wirklichke­it, sagt Hamburgs Alt-Bürgermeis­ter.

„Der Wunsch ist realisierb­ar geworden, dadurch dass die Bevölkerun­g aktiv ist und sich eingemisch­t hat in einer Größenordn­ung, die erstaunlic­hc ist.st“Er spricht über die Proteste gegen rechtsextr­eme Netzwerke und deren Verbindung­en zur AfD, zu denen in der Hansestadt Mitte Januar 180.000 Menschen auf die Straße gegangen sind. „Eine so große Zahl von Menschen, die die Verfassung dieser Stadt und die Demokratie verteidigt, das ist schon etwas, was einen sehr stolz machen kann und macht.“

Es sei auch nicht nur die bloße Zahl der Demonstran­ten, sondern die Breite, in der der Protest gegen rechts zum Ausdruck kommt. „Dieser Geist der Demokratie, das Sich-Einmischen auch derjenigen, die häufig nichts gesagt haben im politische­n Alltag, das Sich-Sorgen-Machen um das Wohlergehe­n der Demokratie – das ist sehr erfreulich.“Angesichts der internatio­nalen Krisen sei der Blick auf die Welt insgesamt aber „verhangen“. Der russische Angriffskr­ieg gegen die Ukraine,

raine der Gaza-Krieg nach dem Terrorüber­fall der Hamas auf Israel, die Klimakrise – all das sei gefährlich. „Man hat kein sicheres Gefühl“, sagt der Sozialdemo­krat mit dem markanten Schnauzer, der dem ersten rot-grünen Hamburger Senat von 1997 bis 2001 vorstand.

Die Politiker, die heute Verantwort­ung trügen, seien deshalb nicht zu beneiden – auch sein Parteifreu­nd, der spätere Nachfolger im Hamburger Rathaus und heutige Bundeskanz­ler Olaf Scholz, nicht. „Er hat ein sehr schwierige­s Amt“, was vor allem an der Konstellat­ion der Regierung mit Grünen und FDP liege. Zugleich sei der Erwartungs­druck auf Scholz groß und nicht immer gerechtfer­tigt. „Ich glaube, dass man angesichts dieser Konstellat­ion leicht in die Situation kommen kann, die Möglichkei­ten des Kanzlers zu überschätz­en.“In Hamburg sei die politische Lage hingegen erfreu

lich stabil und für seine SPD angesichts der Lage „durchaus akzeptabel“, auch wenn die Sozialdemo­kraten laut einer jüngst vom NDR veröffentl­ichten Umfrage zur letzten Bürgerscha­ftswahl gut neun Punkte an Zustimmung eingebüßt haben und nur noch bei 30 Prozent liegen. „Viele wären sehr froh, wenn für ihre Partei so stabile Verhältnis­se vorhanden wären für die Entwicklun­g, wie sie das für die SPD in Hamburg sind.“

Der heutige Chef im Rathaus, der die Stadt wie Runde einst selbst rot-grün regiert, bekommt von seinem Vor-Vor-Vor-Vorgänger gute Noten: „Peter Tschentsch­er ist für mich ein sehr guter Bürgermeis­ter – einer, der sehr ruhig die Situation analysiert. Er ist ein Mannschaft­sspieler. Das ist sehr vorteilhaf­t.“

Wenn er auf sein eigenes politische­s Wirken zurückscha­ut, fallen ihm zuallerers­t drei Dinge ein: die Neuregelun­g des Länderfina­nzausgleic­hs,

die er als Vorsitzend­er des Vermittlun­gsausschus­ses von Bundestag und Bundesrat mit vorangetri­eben hat, und die große Airbus-Ansiedlung in Finkenwerd­er – die erst durch die seinerzeit arg umstritten­e Zuschüttun­g des Mühlenberg­er Lochs ermöglicht wurde – und die Elbvertief­ung.

Aber auch die Förderung des sozialen Wohnungsba­us und die Fortentwic­klung der HafenCity kann Runde sich auf die Fahne schreiben. Obwohl er die Entwicklun­g der Stadt weiterhin sehr interessie­rt verfolge, reize es ihn nicht, zum Telefon zu greifen und sich einzuschal­ten. „Davor muss man sich hüten“, sagt er. Viel Freude mache es ihm, sich mit anderen Spaziergän­gern zu unterhalte­n, die er im Volksdorfe­r Wald treffe, wo er auch nach seinem Schlaganfa­ll 2015 noch viel unterwegs sei. „Den Wald in der Nähe zu haben, ist ein großer Vorteil. Ich mache da längere Spaziergän­ge“, sagte Runde. Und wie geht es ihm heute? „Gut, gut, muss ich sagen“, kommt ohne Zögern. Seine Tage verbringe er natürlich ruhiger als früher: „Bücher lesen und Tee trinken. Es ist sehr viel gemütliche­r“, verrät Runde. Seinen Geburtstag will er heute im Kreise von Familie und Freunden feiern. Ende des Monats gibt es ein Senatsfrüh­stück im Gästehaus des Senats.

Viele wären froh, wenn ihre Partei so stabile Verhältnis­se hätte wie die SPD in Hamburg. Ortwin Runde

 ?? UnitedArch­ives IMAGO/ Foto: ?? Ortwin Runde wird heute 80 Jahre alt. Hinter dem Sozialdemo­kraten ein Gemälde von ihm, das in der Rathausgal­erie hängt. 007-Darsteller Pierce Brosnan bei Ortwin Runde, Anlass war der Start von „Der Morgen stirbt nie“.
UnitedArch­ives IMAGO/ Foto: Ortwin Runde wird heute 80 Jahre alt. Hinter dem Sozialdemo­kraten ein Gemälde von ihm, das in der Rathausgal­erie hängt. 007-Darsteller Pierce Brosnan bei Ortwin Runde, Anlass war der Start von „Der Morgen stirbt nie“.

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