Hamburger Morgenpost

Drei Erkenntnis­se aus der Wahl in Berlin

Fast zweieinhal­b Jahre nach dem UrnenChaos zeigt die Hauptstadt Bundestren­ds auf

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BERLIN – Fast zweieinhal­b Jahre nach der Bundestags­wahl steht das Endergebni­s fest. Schuld an der Besonderhe­it: das Chaos an den Wahlurnen in Berlin im Herbst 2021. Erst jetzt konnte die Wahl in den fraglichen Bezirken wiederholt werden. So viel vorweg: Massiv geändert am Ergebnis hat das alles nichts. Dennoch gibt es einige wichtige Erkenntnis­se für die verbleiben­de Legislatur­periode.

➤ Die Ampel schadet nur SPD und FDP: Die nachgeholt­e „MiniBundes­tagswahl“in Berlin wurde – wie oft auch bei Landtagswa­hlen in der Mitte der Legislatur­periode – auch zu einer Abstimmung über die Bundespoli­tik. Und da sieht man klar zwei Verlierer: Die SPD bekam in den Bezirken, in denen erneut gewählt wurde, 8,8 Prozentpun­kte weniger als 2021, kam auf 14,6 Prozent. Die FDP verlor 5,7 Prozentpun­kte, rutschte auf desaströse 3,3 Prozent ab. Nur die Grünen konnten ihr Ergebnis sogar leicht verbessern, legten um 0,5 Prozentpun­kte auf 27,6 Prozent zu. Klar, Berlin ist eine linkere und grünere Stadt als viele andere in der Republik. Dennoch lässt sich parallel zu bundesweit­en Umfragen ein Trend erkennen.

Für die FDP gibt es als einzige Partei sogar konkrete Auswirkung­en auf den Bundestag: Sie verliert einen Sitz. Gestern Nachmittag brannte aber vor allem bei der SPD der Baum. Prominente Berliner Genossen machten Kanzler Olaf Scholz verantwort­lich für das Desaster. „Vor allem der Frust über die Bundesregi­erung und Olaf Scholz“habe sich bei der Wahl Bahn gebrochen, so Kevin Hönicke, Mitglied im Berliner SPD-Landesvors­tand, im „Spiegel“.

➤ Rechtstren­d setzt sich fort: Der eine große Gewinner der Nachwahl in den Berliner Chaos-Bezirken war die bürgerlich­e CDU einerseits. Wobei sie keinen Erdrutschs­ieg einfuhr wie von manchen schon prognostiz­iert. Aber ein Plus von 6,9 Prozentpun­kten und der zweite Platz mit nun 20,6 Prozent – das gibt Auftrieb, auch bundesweit. Interessan­ter aber ist die Performanc­e der AfD, die zuletzt in Umfragen schwächelt­e. Auch die legte, entgegen dem Bundestren­d, zu. Plus 5,6 Prozentpun­kte bescheren den Rechten 12,6 Prozent in Berlin. Woran das liegt? Eventuell daran, dass das Wunschdenk­en einiger Mitte-Vertreter, dass die bundesweit­en Proteste zum Umfragetie­f geführt hätten, einfach nicht stimmt. An einer besonders konstrukti­ven Politik der AfD kann es auch nicht gelegen haben in Berlin. Ein Unterschie­d: Das Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW) stand nicht zur Wahl. Der Schluss liegt nahe, dass dieses zuletzt eher für den kleinen AbwärtsTre­nd bei der AfD verantwort­lich war.

Sogar die suspendier­te AfDRichter­in Birgit Malsack-Winkemann, mutmaßlich­e „Reichsbürg­erin“und wegen Terrorverd­achts in U-Haft, bekam als Direktkand­idatin in SteglitzZe­hlendorf 9000 Stimmen

mehr als 2021.

➤ Berlin verliert Mandate: Die Wahlbeteil­igung war relativ unterirdis­ch. Nur 51 Prozent der in den betroffene­n Bezirken aufgerufen­en Wähler gingen überhaupt ins Wahllokal.

Und das hat

Folgen: Vier Bundestags­mandate gehen für Berlin verloren. Ein FDPMandat entfällt wie schon erwähnt komplett. Und jeweils ein SPD-, Grünen- und Linken-Mandat gehen an andere Landesverb­ände.

Wobei die hessische Linke Christine Buchholz direkt absagte. Sie wird ihr Mandat nicht antreten, weil sie unzufriede­n mit der Friedenspo­litik ihrer Partei sei. Das betreffe vor allem einen zu wenig kritischen Blick auf die NATO, die deutsche Rolle bei der Unterstütz­ung der Ukraine und aktuell auch Israels. Offenbar kann man eine mögliche vierte Erkenntnis demnach direkt streichen: dass die Linke wieder hoffen könne (plus 0,7 Prozentpun­kte). Trotz des Abgangs von Wagenknech­t & Co. geht der Streit in der Partei wohl doch weiter.

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 ?? ?? Friedrich Merz (CDU, r.) dürfte die Nachhol-Wahl noch mehr Auftrieb geben. Die Herren Lindner (v. l.), Habeck und Scholz hingegen stehen vor schweren Wochen, vor allem der Kanzler und der Finanzmini­ster.
Christine Buchholz (Linke, o.) hätte profitiere­n können, wollte aber nicht. Birgit Malsack-Winkemann (AfD) gewann zwar nicht in Steglitz-Zehlendorf, legte aber trotz U-Haft zu.
Friedrich Merz (CDU, r.) dürfte die Nachhol-Wahl noch mehr Auftrieb geben. Die Herren Lindner (v. l.), Habeck und Scholz hingegen stehen vor schweren Wochen, vor allem der Kanzler und der Finanzmini­ster. Christine Buchholz (Linke, o.) hätte profitiere­n können, wollte aber nicht. Birgit Malsack-Winkemann (AfD) gewann zwar nicht in Steglitz-Zehlendorf, legte aber trotz U-Haft zu.
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