Jetzt gibt es Konsequenzen Skandal um späte Foto-Fahndung
Generalstaatsanwalt soll Vorgang aufklären. CDU: „Schwerwiegende Panne“
Die späte Veröffentlichung von Fahndungsbildern fast zwei Jahre nach einem brutalen Kiez-Überfall sorgte für Empörung, zumal die Polizei die Fotos viel früher veröffentlichen wollte. Nun steht fest: Die schleppende Bearbeitung durch die Staatsanwaltschaft hat ein Nachspiel, wie aus einer CDU-Anfrage hervorgeht.
Die Attacke ereignete sich am frühen Morgen des 15. Mai 2022 auf dem Kiez: In der Talstraße überfielen vier Männer einen 21-Jährigen und raubten ihn aus. Die Täter prügelten auf den jungen Mann ein, er wurde schwer verletzt. Auch ein 31-jähriger Passant, der dem Opfer zu Hilfe eilte, wurde durch die Messerstecher schwer verletzt. Vier Monate später, am 29. September 2022, bekommt die Staatsanwaltschaft die Akten von der Mordkommission verbunden mit der Anregung, eine Öffentlichkeitsfahndung durchzuführen: Überwachungskameras hatten nach der Tat vier Verdächtige aufgenommen, die Farbfotos sind von erstaunlich guter Qualität. Bis zum 27. Oktober 2022 wurde auf die Ergebnisse einer kriminaltechnischen Untersuchung gewartet, dann regte die Polizei erneut eine Öffentlichkeitsfahndung an. Und dann passierte: nichts. Wieso hat die Staatsanwaltschaft nicht reagiert? Eine Öffentlichkeitsfahndung wird von einem Gericht beschlossen, auf Antrag der Staatsanwaltschaft – und dieser Antrag ist im Fall der Kiez-Messerstecher erst im Januar 2023 erfolgt. Wer hat da gepennt? Das soll nun die Generalstaatsanwaltschaft herausfinden: „Die Gründe hierfür sind Gegenstand einer noch nicht abgeschlossenen staatsanwaltschaftsinternen Überprüfung seitens der Generalstaatsanwaltschaft“, heißt es in der Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator.
Und noch etwas soll sich ändern: Wenn es das nächste Mal hakt und die Staatsanwaltschaft eine Anregung
Ein solches Handeln der Justiz ist ja schon beinahe als Täterschutz zu bezeichnen. Dennis Gladiator (CDU)
auf eine Foto-Fahndung verschleppt, soll die Polizei sich direkt nach oben wenden, heißt es in der Senatsantwort: „Mit der zuständigen Polizeidienststelle ist vereinbart worden, dass bei entsprechenden Anregungen der Polizei und nach einer erfolglosen Erinnerung unverzüglich die zuständige Abteilungsleitung bei der Staatsanwaltschaft zu unterrichten ist.“
Fakt ist aber: Bis öffentlich nach Verdächtigen gefahndet werden kann, müssen zeitraubende Hürden genommen werden. Selbst nachdem die Staatsanwaltschaft am 3. Januar 2024 endlich die Öffentlichkeitsfahndung beantragt hatte und das Gericht am 11. Januar den entsprechenden Beschluss gefasst hatte, dauerte es weitere zwei Wochen, bis die Polizei am 23. Januar mit den Fahndungsfotos der mutmaßlichen Kiez-Schläger an die Öffentlichkeit ging. Dennis Gladiator spricht angesichts der langen Verschleppung von einer „schwerwiegenden Panne“und einem „Skandal“: „Das gefährdet das Vertrauen in den Rechtsstaat erheblich. Ein solches Handeln der Justiz ist ja schon beinahe als Täterschutz zu bezeichnen.“Dass Fahndungsbilder erst Jahre nach der Tat veröffentlicht werden, kommt immer wieder vor. So wurde etwa im August 2021 ein 18-Jähriger am U-Bahnhof Jungfernstieg von Jugendlichen schwer verletzt, als er einen Streit auf dem Bahnsteig schlichten wollte. Die Bilder aus der Überwachungskamera wurden aber erst im August 2023 zur Fahndung genutzt – auch hier hatte die Staatsanwaltschaft erst zwei Jahre nach der Tat einen Antrag ans Gericht gestellt. Sofort nach einer Tat mit Videomaterial und Bildern an die Öffentlichkeit zu gehen, ist nach deutschem Recht nicht erlaubt: Öffentlichkeitsfahndungen sind nur bei schweren Straftaten vorgesehen und auch nur wenn „mildere“Ermittlungsmethoden keinen Erfolg hatten.