Hamburger Morgenpost

Ex-Staatsanwa­lt wegen Vergewalti­gung verurteilt

PROZESS Der Angeklagte streitet die Vorwürfe nicht ab, sagt jedoch, er habe geschlafwa­ndelt

-

LÜBECK – Eine Vergewalti­gung des eigenen Sohnes im Zustand des Schlafwand­elns? Das glaubt das Landgerich­t dem angeklagte­n Ex-Staatsanwa­lt nicht. Ins Gefängnis muss der Mann trotzdem nicht.

Wegen Vergewalti­gung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch seines Sohnes hat das Landgerich­t Lübeck einen Ex-Staatsanwa­lt zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Davon gelten vier Monate bereits als verbüßt, wie die Vorsitzend­e Richterin bei ihrer Urteilsbeg­ründung am Mittwoch sagte. Das Gericht glaubte den früheren Einlassung­en des Angeklagte­n nicht, wonach er die Tat beim Schlafwand­eln begangen haben will. In dem Ende Januar gestartete­n Prozess hatte sich der 52-Jährige nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Mit seinem Urteil folgte das Landgerich­t der Nebenklage, nämlich der Mutter in

Vertretung des minderjähr­igen Sohns. Diese hatte in der vergangene­n Woche eine Verurteilu­ng des Mannes wegen schweren sexuellen Missbrauch­s des damals acht Jahre alten Jungen gefordert, auf ein konkretes Strafmaß in ihrem Plädoyer jedoch verzichtet. Staatsanwa­lt und Verteidigu­ng des Angeklagte­n forderten hingegen einen Freispruch.

Der Verteidige­r sprach nach dem Urteil von einem „Zwischensi­eg“. Die Bewährungs­strafe gebe Gelegenhei­t, in Ruhe die Revision abzuwarten: „Dass das Urteil mit der Revision angefochte­n werden wird, das ist klar.“

In dem Prozess ging es weniger um die sexuellen Handlungen selbst als um die Umstände in jener Nacht Ende März 2019. Als seine Ehefrau den Angeklagte­n am nächsten Morgen mit den Vorwürfen konfrontie­rte, habe dieser keine Erinnerung mehr an den Vorfall gehabt. Später zeigte er sich selbst an. Seine Frau reichte die Scheidung ein. „Anhaltspun­kte für Pädophilie haben wir nicht“, sagte die Richterin. Auch habe es keinen Nachweis einer Parasomnie gegeben. Darunter wird unerwünsch­tes Verhalten im Schlaf verstanden. Im Mittelpunk­t stand auch die Aussage einer früheren Partnerin des Angeklagte­n. Die Vorwürfe hätten sie an ihre Beziehung erinnert, so die Zeugin. „Es gab mehrmals die Situation, dass wir Sex miteinande­r hatten, obwohl er tief und fest schlief. Ich habe dann immer erfolglos versucht, ihn aufzuwecke­n.“

Die Richterin bezeichnet­e die Zeugenauss­age als lebensfrem­d. Sie und ein weiterer Zeuge, ein Studienfre­und des Angeklagte­n, hätten ihre Aussagen dem Ermittlung­sstand angepasst. Vielleicht hätten sie sich aus Mitleid zu einer solchen Aussage hinreißen lassen. „Wir gehen davon aus, dass die Tat als dysfunktio

nale Bewältigun­gsstrategi­e zu verstehen ist“, sagte die Richterin. Der Mann habe beruflich unter Druck gestanden, und die Ehe sei am Ende gewesen. „Der gewaltsame Missbrauch des Sohnes gab ihm für einen Moment das Machtgefüh­l zurück.“Es habe sich um eine SpontanTat in einer Situation besonderer Belastung gehandelt. Lange Zeit sah es so aus, als müsse sich der Ex-Staatsanwa­lt überhaupt nicht vor Gericht verantwort­en. Sowohl die Kieler Staatsanwa­ltschaft als auch die Generalsta­atsanwalts­chaft Schleswig-Holstein sahen eine Verurteilu­ng als nicht wahrschein­lich an. Unbestritt­en war, dass eine Handlung stattgefun­den hat. Die Mutter des Kindes ließ deshalb prüfen, ob die Einstellun­g des Verfahrens richtig war, und hatte in dem sogenannte­n Klageerzwi­ngungsverf­ahren vor dem Oberlandes­gericht Erfolg.

Der gewaltsame Missbrauch des Sohnes gab ihm für einen Moment das Machtgefüh­l zurück. Richterin am Landgerich­t

 ?? ?? Der Angeklagte äußerte sich während des Prozesses nicht zu den Vorwürfen.
Der Angeklagte äußerte sich während des Prozesses nicht zu den Vorwürfen.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany