Hamburger Morgenpost

Rassismus und Prügel vor dem Nobel-Hotel

NEUSTADT Nebenkläge­rin litt unter Todesangst, erzählt sie vor Gericht

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Zwei Frauen, beide mit guten Jobs, die nach einem weihnachtl­ichen Gänseessen in einem vornehmen Hamburger Hotel spätnachts aneinander­geraten – das ist so ziemlich das Einzige, was nach der Beweisaufn­ahme vor dem Amtsgerich­t feststeht. Die Angeklagte, Mitarbeite­rin in einer internatio­nalen Wirtschaft­skanzlei, soll die Nebenkläge­rin mit dem NWort beleidigt haben, das Opfer, eine Anwältin, wiederum soll den Ausdruck „Billo-Schlampe“verwendet haben. Als die Richterin ihre Entscheidu­ng verkündet, bricht das Publikum in höhnisches Gelächter aus.

„Sie fragte mich, was glotzt du so?“, erinnert sich die schwarze Anwältin an den frühen Morgen an einem Tag im Dezember 2022. Sie habe mit einer kleinen Gruppe von Freunden im Hof des Hotels „Tortue“gestanden, auf eine letzte Zigarette und bester Dinge nach einem schönen Abend mit Weihnachts­gans, Wein und Cocktails. Plötzlich und aus dem Nichts habe eine Fremde sie angepöbelt: „Sie sagte das N-Wort und ‚Wie kannst du dir das hier leisten?‘ und ‚Du nimmst uns die Männer weg!‘“Es seien „unfassbare rassistisc­he Beschimpfu­ngen“gewesen. Plötzlich habe die Fremde sie angegriffe­n, zu Boden gebracht, getreten und ihren Kopf immer wieder auf den Untergrund geschlagen: „Ich hatte Todesangst. Jeder Tritt wirkte, als hätte sie das nicht zum ersten Mal gemacht.“Die Angeklagte schildert den Gewaltausb­ruch genau andersheru­m. Sie habe sich in dem Durchgang zur Straße um ihre schwer betrunkene Freundin gekümmert, die weggetrete­n auf dem Boden gesessen habe. Eine Frau habe erst nach Feuer gefragt, dann über die beiden Freundinne­n gelacht: „Sie sagte, wir seien erbärmlich­e BilloSchla­mpen und Dreckshure­n, die hier nicht hergehören.“Darauf habe sie geantworte­t:

Sie sagte das N-Wort, „Wie kannst du dir das hier leisten?“und „Du nimmst uns die Männer weg.“Aussage der Nebenkläge­rin

„Unter dem Schutzmant­el des Schwarzsei­ns kannst du dir nicht alles erlauben.“Sie sei selbst nach Deutschlan­d eingewande­rt, habe schlimme Erfahrunge­n mit Neonazis gemacht und das N-Wort will sie sicher nicht verwendet haben. Dann sei sie es gewesen, die den ersten Schlag abbekommen habe: „Wir schubsten uns, traten uns auf die Füße, unsere Handtasche­n verheddert­en sich.“Momente später mischten sich der Ehemann der Anwältin und der damalige Lebensgefä­hrte der Angeklagte­n ein. „Ich musste meine Frau beschützen und wunderte mich, wie stark die andere war“, sagte der Ehemann als Zeuge. Der Lebensgefä­hrte erinnert sich an „heftige Beleidigun­gen von beiden Seiten.“

Die Richterin regt nach den Zeugenauss­agen ein „Rechtsgesp­räch“an, das heißt Gericht, Verteidigu­ng und Staatsanwa­ltschaft loten aus, unter welchen Bedingunge­n man das Verfahren einstellen könnte.

Es gibt widersprüc­hliche Angaben, alle Beteiligte­n waren alkoholisi­ert, kein Zeuge ist neutral. „Was konkret vorgefalle­n ist, ist schwer aufzukläre­n“, stellt die Richterin fest. Schließlic­h die Einigung: Das Verfahren wegen Beleidigun­g und Körperverl­etzung wird eingestell­t. Die Auflage: Die Angeklagte muss 9000 Euro zahlen, die Hälfte davon geht an das Opfer. Außerdem muss sie Therapiege­spräche nachweisen.

Das Publikum, die meisten Unterstütz­erinnen der Anwältin, lacht laut auf. Zu niedrig erscheinen ihnen die Auflagen dafür, dass die Anwältin nach ihrer Überzeugun­g rassistisc­h beleidigt und halb tot geprügelt wurde. Auch das Opfer selbst ist unzufriede­n, das Geld zahle die gut verdienend­en Angeklagte „aus der Portokasse“. Als Nebenkläge­rin wird sie allerdings nicht gefragt, ob das Verfahren eingestell­t werden soll.

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Die Angeklagte (r.) mit ihrer Anwältin Laura Leweke
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Vor dem edlen Hotel „Tortue“an der Stadthausb­rücke kam es zu der heftigen Auseinande­rsetzung.

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