Die Angst vor einem „Gemetzel“in Rafah
ISRAEL Offensive steht kurz bevor. Druck wächst. Verhandlungen abgebrochen
TEL AVIV – Der Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen steuert auf einen womöglich letzten grausamen Höhepunkt zu: Israel plant eine Militäroffensive auf Rafah im Süden des Küstengebiets. Doch dort sind fast 1,4 Millionen Menschen zusammengepfercht. Laut UN droht ein „Gemetzel“.
„Wir werden bis zum Sieg kämpfen und das umfasst einen gewaltigen Einsatz auch in Rafah, nachdem wir der Zivilbevölkerung erlauben, das Kampfgebiet zu verlassen“, erklärte Israels Premier Benjamin Netanjahu nun. Militärischer Druck sei der einzige Weg, die Freilassung der von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln zu erreichen. Die bisher 112 befreiten Geiseln seien durch eine Kombination aus „starkem militärischem Druck und standhaften Verhandlungen“freigekommen. Zudem sei es notwendig, die letzten verbliebenen Kampfeinheiten der Terror-Organisation zu vernichten, die sich in den Tunnelsystemen unterhalb Rafahs verschanzten. Schon jetzt ist die Lage der Zivilbevölkerung verheerend. Die weit mehr als eine Million Menschen dort hätten „wenig zu essen, kaum Zugang zu medizinischer Versorgung, können nirgendwo schlafen und nirgendwo sicher hingehen“, erklärte UNNothilfekoordinator
Martin Griffiths.
„Sie sind, wie die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens, Opfer eines Angriffs, der in seiner Intensität, Brutalität und Tragweite beispiellos ist.“Und weiter: „Ich befürchte ein Gemetzel von Menschen in Gaza.“Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versuchte die israelische Regierung bei ihrem Besuch von einer Offensive zum jetzigen Zeitpunkt abzubringen. In Rafah drohe „eine humanitäre Katastrophe mit Ansage“. Die Menschen benötigten „sichere Orte und sichere Korridore, um nicht noch weiter ins Kreuzfeuer zu geraten“, so Baerbock. „Die Menschen können nirgendwo hin, sie können sich nicht in Luft auf
Die Menschen können nirgends hin, sie können sich nicht in Luft auflösen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne)
lösen.“Ägypten weigert sich seit Kriegsbeginn, seine Grenzübergänge zu öffnen.
Auch die Regierungen von Kanada, Australien und Neuseeland äußerten große Sorge über eine mögliche Bodenoffensive in Rafah und forderten Israel zu einer Abkehr von einem solchen Plan auf. Die drei Länder fordern eine sofortige – beidseitige – humanitäre Feuerpause. Humanitäre Hilfe müsse schnell, sicher und ungehindert die Zivilisten in Gaza erreichen. Gleichsam müsse die Hamas umgehend die Waffen niederlegen und alle Geiseln freilassen, hieß es in der Erklärung. Und auch die USA versuchen, Israel zu einem „humanitären Plan“zu drängen, bevor die Offensive beginnen könne.
Doch ob der internationale Druck wirklich hilft? Netanjahu scheint sich von einer diplomatischen Lösung immer weiter zu entfernen. Nun hat er eine Delegation aus Ägypten abgezogen, die u.a. mit Katar und den USA über die Freilassung der verbliebenen mehr als 100 Geiseln verhandeln sollte. Die Hamas stelle „wahnhafte Forderungen“, die Israel nicht erfüllen werde, sagte er zur Begründung. Angehörige der Geiseln in der Gewalt der Hamas reagierten „fassungslos“und sprachen von einem „Todesurteil“.