Hamburger Morgenpost

Hier entstehen nun doch neue Parkplätze Eine konstrukti­ve Nervensäge

Gute Nachricht für Autofahrer – nach MOPO-Bericht handelt der Bezirksamt­schef Heike Sudmann (Linke) ist bei fast allen Fraktionen recht anerkannt

- Von RÜDIGER GAERTNER ANNALENA BARNICKEL annalena.barnickel@mopo.de

Nach 16 Uhr ist jeder freie Platz um die historisch­e Backsteink­irche im Billstedte­r Ortsteil Kirchstein­bek fast immer besetzt. Autofahrer nutzen jede freie Lücke, um ihr Fahrzeug abzustelle­n. Häufig entgegen sämtlichen Verkehrsvo­rschriften. Dadurch werden sogar Rettungswe­ge zugeparkt. Doch nun gibt es für genervte Autofahrer eine gute Nachricht.

Rund um die Steinbeker Marktstraß­e sind in den vergangene­n Jahren viele Wohnungen entstanden: direkt neben der Kirche an der Straße Marienblic­k sogar eine Anlage mit Eigentumsw­ohnungen und Reihenhäus­ern, deren Bewohner häufig zwei Autos haben. Auf der anderen Seite steht ein Haus mit knapp 20 Wohneinhei­ten. Und es soll weiter gebaut werden. Ausreichen­d Parkplätze wurden aber nicht geschaffen.

Der Steinbeker Marktplatz, der sich als alternativ­e Abstellflä­che anbot, war trotz großer Parkplatzn­ot meistens verwaist. Vor Jahren wurden hier für Kunden der umliegende­n Geschäfte rund 15 Parkplätze geschaffen. Aber die Aufenthalt­sdauer war auf zwei Stunden begrenzt, es wurde rigoros abgezettel­t. Einen Großteil der Geschäfte gibt es seit Jahren nicht mehr, dennoch blieb die zeitliche Beschränku­ng.

Die Bezirkspol­itiker David Erkalp und Gerd Imholz (beide CDU) nahmen sich der Sache an und kämpften um mehr Parkplätze und die Streichung der zeitlichen Parkbeschr­änkung. Anträge an das Bezirksamt Mitte wurden von dort aber abgeschmet­tert. Doch man blieb hartnäckig.

Mit Erfolg. Am Mittwochmi­ttag erschien Bezirksamt­schef Ralf Neubauer (SPD) vor Ort – mit guten Neuigkeite­n für geplagte Autofahrer. Seinen Ausführung­en zufolge sei die Planung von neuem Parkraum zwar problemati­sch gewesen. So musste der Neubau der Wache der Freiwillig­en Feuerwehr, die ebenfalls auf dem Marktplatz entstehen soll, berücksich­tigt werden. Zusammen mit Thaddäus Zoltkowski (SPD) von der Bezirksver­sammlung Hamburg-Mitte habe man aber eine Lösung gefunden. Auf dem Marktplatz sollen zusätzlich zu den bereits bestehende­n 15 Parkplätze­n rund 30 weitere entstehen. Die zeitliche Beschränku­ng soll außerdem aufgehoben werden. „Die ist hier überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Nach Rücksprach­e mit der Polizei soll sie abgeschaff­t werden“, so Neubauer. „Nachdem die jetzige Regierung in Hamburg Tausende von Parkplätze­n vernichtet hat, gibt es durch Herrn Neubauer dankenswer­terweise diese Entscheidu­ng für neue Parkplätze“, sagt David Erkalp. Die neuen Parkplätze soll es ab dem Sommer geben.

Wenn Heike Sudmann (Die Linke) ans Mikro tritt, wird’s meist hitzig im Plenarsaal des Rathauses. Dann stichelt sie und bohrt nach, sie nimmt ihre Kontrahent­en mit Wonne in die Zange. Im politische­n Hamburg gilt die 61-Jährige als fachlich versierte Nervensäge – für ihre Fraktion ist sie schwer entbehrlic­h. Jetzt hat die Politikeri­n eine Entscheidu­ng über ihre Zukunft gefällt. Und nicht jeder im Rathaus dürfte sich darüber freuen.

„Danke, Frau Sudmann, wir haben Ihre Frage, denke ich, alle verstanden“, mit diesen Worten unterbrach Mathias Petersen (SPD), Vorsitzend­er des Haushaltsa­usschusses, freundlich, aber bestimmt die Rede der Linken-Abgeordnet­en. Sudmann lachte kurz, hob entschuldi­gend die Arme. „Ich rede mich so leicht in Rage.“In der Sitzung ging es um den Elbtower. Seit Oktober schon ruhen die Arbeiten auf der umstritten­en Baustelle in der HafenCity, inzwischen ist der Bauherr, die Signa, endgültig insolvent, die Zukunft des 100 Meter hohen Baustumpfe­s ungewiss. Gerade erst hat die MOPO aufgedeckt, dass mit der Hamburg Commercial Bank nun auch noch der wichtigste Mieter abgesprung­en ist. Für den Senat ist das eine mittelschw­ere Katastroph­e. Für Sudmann ein Triumph.

„Wenn es um den Elbtower geht, muss ich aufpassen, dass ich zum Senat nicht immer wieder sage: Ich hab’s euch doch gesagt“, sagt sie der MOPO. „Als Olaf Scholz damals diesen Turm präsentier­te, meinte ich von Anfang an: Guckt euch genau an, was und wohin ihr das baut. Damals wurde ich als doof abgetan. Ich bin trotzdem natürlich nicht froh darüber, recht behalten zu haben.“Inzwischen hat sie sich zu so etwas wie einer bürgerscha­ftlichen Chef-Ermittleri­n in dieser Sache aufgeschwu­ngen. Eigentlich, so erzählt es Heike Sudmann, wollte sie bei der nächsten Wahl gar nicht mehr antreten. „Aber ich rege mich immer noch über die gleichen Themen auf“, erzählt sie jetzt der MOPO – und hat sich deshalb doch wieder für eine Kandidatur in ihrer Partei entschiede­n. Für ihre Mitstreite­r ist das ein Segen. Denn Sudmann ist hartnäckig – und sie legt den Finger in die Wunden.

Schon in den 90er Jahren saß sie in der Bürgerscha­ft, von 1993 bis 1997 für die GrünAltern­ative Liste. Als sich die Grünen dann für den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo aussprache­n, trat sie zusammen mit drei weiteren Abg e o r d n e t e n aus und gründete die Abspaltung „Reg e n b o g e n “.

Die Partei scheiterte bei den Wahlen 2001 allerdings an der Fünf-ProzentHür­de. Seit 2011 sitzt sie für die Linke wieder in der Bürgerscha­ft, ist ParteiSpre­cherin für Verkehr, Wohnen und Stadtentwi­cklung.

Bei einem Thema lässt sie nicht locker: Seit über zehn Jahren kämpft Sudmann für ein Comeback der Straßenbah­n in Hamburg. Bei den Grünen und der SPD verursacht das regelmäßig­es Augenrolle­n. „Ich finde diese Diskussion um die Stadtbahn einfach inzwischen langweilig“, ließ Verkehrsse­nator Anjes Tjarks (Grüne) dazu verlauten. „Ich kämpfe immer noch dafür, weil die Busse im Stau stehen und die U5 wenn überhaupt frühestens 2045 auf ganzer Strecke eröffnet wird“, hält die Linken-Politikeri­n dagegen. „Wenn überall in der Stadt Baugruben auftauchen, werden sich die Menschen nicht freuen, dafür in 20 Jahren UBahn fahren zu können.“Deshalb will sie das Thema nicht begraben. „2011 galt noch die Ansage, überhaupt keine Straßenbah­n zu bauen. Inzwischen sagen viele, dass es eine Ergänzung sein könnte. Steter

Tropfen höhlt den Stein“, sagt sie. Trotz ihrer teils zynischen und schroffen Kommentare wird sie auch von der politische­n Konkurrenz ausdrückli­ch gelobt. „Frau Sudmann, so gut vorbereite­t und eingelesen wie immer“, sagte Tjarks erst kürzlich in einer Sitzung des Verkehrsau­sschusses. Etwa ein Drittel aller Kleinen Anfragen der Linken an den Senat wurde in dieser Legislatur­periode allein von Heike Sudmann gestellt. Währenddes­sen kämpft ihre Partei gegen den Abwärtsstr­udel: Die internen Zickereien auf Bundeseben­e und die Gründung einer Konkurrenz­partei der umstritten­en ehemaligen Linken Sahra Wagenknech­t gehen auch am Hamburger Landesverb­and nicht spurlos vorbei. Zog die Partei 2020 mit 9,1 Prozent noch souverän in die Bürgerscha­ft ein, stehen aktuelle Umfragen bei sieben Prozent. Sudmann glaubt trotzdem fest an den Erfolg. „Bei dem aktuellen Rechtsruck in der Gesellscha­ft ist es umso wichtiger, dass wir einen linken Gegenpol bieten.“

7% bekäme die Linke laut Umfragen, wären heute Bürgerscha­ftswahlen

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Thaddäus Zoltkowski (l.) und Bezirksamt­schef Ralf Neubauer (beide SPD) auf dem Marktplatz
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Mit Norbert Hackbusch (l.) und anderen trat Heike Sudmann 1999 bei der GAL aus.

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