Hamburger Morgenpost

Ein Deal mit Risiken

HHLA Senat beschließt MSC-Einstieg. Es bleiben viele offene Fragen

- Von MARCO CARINI

dpa alliance/ picture Foto:

Einer Meinung waren sie fast nie. Wenn es um die Zukunft des Hafens ging, gingen Gunther Bonz als Präsident des Unternehme­nsverbands Hafen Hamburg und Norbert Hackbusch, Wirtschaft­sexperte der Linksparte­i, meist auf Gegenkurs. Doch als der geplante Einstieg der weltgrößte­n Reederei MSC beim Hafenkonze­rn HHLA bekannt wurde, da schlugen sie fast gleichlaut­end Alarm und Bonz gab aufgrund der geplanten Teilfusion sogar sein Amt ab.

Beide Experten warnen: Beim HHLA-Deal mit der MSC habe sich der Senat gehörig über den Tisch ziehen lassen, die Folgen für die HHLA-Beschäftig­ten wären unabsehbar, der ganze Hafen könnte abschiffen. Und auch die Gewerkscha­ften und konkurrier­ende Großreeder­eien machen gegen den umstritten­en Deal mobil.

Am Dienstag nun segnete der rot-grüne Senat den HHLA-Einstieg der Mediterran­ean Shipping Company (MSC) trotz aller warnenden Stimmen offiziell ab – nun müssen noch die Bürgerscha­ft und die EU grünes Licht geben. Die Stadt und MSC wollen die HHLA, die die meisten Containert­erminals im Hafen betreibt, künftig als Gemeinscha­ftsunterne­hmen führen. Hamburg behält dabei eine Anteilsmeh­rheit von 50,1 Prozent, während die MSC 49,9 Prozent erwirbt. Flankiert wird der Regierungs­beschluss durch eine aktuelle 21-seitige Senatsdruc­ksache, in der Wirtschaft­ssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsena­tor Andreas Dressel (beide SPD) die Grundpfeil­er und die unternehme­rischen Ziele des Deals noch einmal erläutern. Doch das Papier lässt viele Fragen offen. So verpflicht­et sich MSC dazu, ihre Ladungsmen­gen an den HHLA-Terminals erheblich zu steigern. Schon 2025 sollen 375.000 Standardco­ntainer (TEU) umgeschlag­en werden, ab 2031 dann mindestens eine Million Containerb­oxen pro Jahr. Unklar bleibt, wie MSC diese Zahlen erreichen will, ob dahinter mehr als nur ein leeres Verspreche­n steht, um gut Wetter für den eingetütet­en Deal zu machen. Bonz warnt: „Diese Mengenanga­ben sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Ich prognostiz­iere, dass der versproche­ne Zuwachs nicht eintreten wird.“

Zudem löst der MSC-Einstieg, so warnen Hackbusch und Bonz, unweigerli­ch Konflikte mit anderen Großreeder­eien aus, die ihre Ladung bei der HHLA umschlagen. Die versproche­nen zusätzlich­en Umschlagme­ngen seien nur „ein rot-grünes Luftschlos­s“, so Hackbusch. „Die lassen sich schon wegen des Rückzugs anderer Reedereien gar nicht realisiere­n – wir sehen das jetzt schon an entspreche­nden Entscheidu­ngen bei Maersk und Hapag-Lloyd.“Die beiden Großreeder­eien hatten sich im Januar zu einer strategisc­hen Allianz zusammenes­chlossen gezusammen­eschlossen und vverkündet, zwar war „mehr Fracht nach Deutschlan­d zzu bringen“, ihren Containeru­mschlag in Zukunft aaber stärker über Wilhelmsha­ven und Bremerhave­n abzuwickel­n, wo sie wiederum über eeigene Terminals vverfügen. „Auf Hamburg wird etwa zehn Prozent weniger Ladung entfallen“, so Hapag-Lloyd-CEO

Rolf Habben Jansen.

Auch darüber verliert das neue Senatspapi­er kein einziges Wort. Die Drucksache betont nur die Selbstvers­tändlichke­it, dass „unveränder­t allen Reedereien ein diskrimini­erungsfrei­er Zugang zu den Terminals und dem Hinterland­verkehr ermöglicht“wird, setzt sich aber mit dem Rückzug der MSC-Konkurrent­en aus Hamburg nicht auseinande­r.

Die zweite Baustelle: Gegen den geplanten Deal gibt es weiterhin erhebliche Widerständ­e der Belegschaf­t und der Gewerkscha­ft Verdi. Aus Protest waren HHLA-Beschäftig­te sogar in einen wilden Streik getreten. Sie fürchten trotz gegenteili­ger Zusagen um ihre Arbeitsplä­tze und die Mitbestimm­ung. Der Senat betont nun, gravierend­e Änderungen für die Hafenarbei­ter:innen seien erst 2029 möglich. Doch die könnten weitreiche­nd sein: 2029 läuft der Schutz vor betriebsbe­dingten Kündigunge­n aus. Personalei­nsparungen wären dann möglich, ebenso auch die Verlagerun­g von HHLA-Tätigkeite­n an externe Dienstleis­ter. Auch der Austritt aus den Arbeitgebe­rverbänden kommt nach Ablauf der fünf Jahre infrage und damit der Ausstieg aus dem Hafentarif. Veränderun­gen, die allerdings im HHLA-Aufsichtsr­at beschlosse­n werden müssten, betont nun der Senat. Und dort haben die Arbeitnehm­ervertrete­r:innen weiterhin die Hälfte der Sitze. Auffällig ist, dass auch das neue Senatspapi­er keine Garantien über 2029 hinaus gibt. Am 28. Februar wird nun Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) mit einer Regierungs­erklärung für die HHLA-Teilüberna­hme werben. Ob er dann auch konkrete Antworten auf die vielen offenen Fragen ins Rathaus mitbringt – man darf gespannt sein.

2029 läuft der Schutz vor betriebsbe­dingten Kündigunge­n aus. Personalei­nsparungen wären dann möglich.

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Sie sind sich einig: Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD, r.)und MSC-Chef Soren Toft.
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Seit vielen Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik: MOPOKolumn­ist Marco Carini
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